zum Hauptinhalt

Medien: Nero lässt grüßen

Zum Erfolg der deutschen Fußballer hat das „FAZ“-Feuilleton zwei Politiker um einen Text gebeten, Gerhard Schröder und Edmund Stoiber. Erwartungsgemäß haben beide Herren den Siegeszug der deutschen Fußballer auf sich und ihre Politik bezogen.

Zum Erfolg der deutschen Fußballer hat das „FAZ“-Feuilleton zwei Politiker um einen Text gebeten, Gerhard Schröder und Edmund Stoiber. Erwartungsgemäß haben beide Herren den Siegeszug der deutschen Fußballer auf sich und ihre Politik bezogen. Im Grunde haben sie Selbstporträts geschrieben. Schröder lobt, im Geiste des Internationalismus, die gemeinsamen Siegesfeiern von Deutschen, Türken und Brasilianern: „Deutschland ist in den letzten Jahren anders geworden – weltoffener, internationaler, großzügiger.“ In Klammern gesagt: dank Schröder. Die Mannschaft sei vor dem Turnier „schlecht geredet“ worden (wie seine Regierung). Wehret den Miesmachern! „Bloß keine Leistung anerkennen, niemals in Betracht ziehen, von welcher Ausgangsposition wir gekommen sind…“ (wie die CDU es tut). Der Sieg der Brasilianer sei vor allem Ronaldo zu verdanken, dem „überraschenden Einzelspieler in einem großen Team“. Will heißen: Schröder ist wie Ronaldo. Aber Ronaldo gehöre nicht nur den Brasilianern, „er gehört, wie Pelé, Maradona, Beckenbauer … dem Weltfußball.“ Wir alle sind Brasilianer im Geiste und haben insofern mitgesiegt.

Stoiber sagt noch direkter, was er meint. „Harte Arbeit, Disziplin und Teamgeist, das sind die Tugenden … mit Leistung statt mit Showeffekten … eine ehrliche, nicht geschönte Analyse ist immer Voraussetzung für die richtige Therapie.“ Völler hat „seine Konzepte in die Tat umgesetzt“ (und keine leeren Versprechungen gemacht, wie Schröder). „Mit dem Neuanfang unter dem neuen Teamchef ging ein Ruck durch die ganze Mannschaft.“ Mit anderen Worten: Gerhard Schröder ist Erich Ribbeck. Stoiber ist Völler.

Beide Politiker loben sich selbst, durch die Blume und gleichzeitig ein bisschen platt, das entspricht dem alten Menschenrecht auf Peinlichkeit, von dem schon Kaiser Nero bei seinen Auftritten als Sänger und Schauspieler Gebrauch gemacht hat. Solche Texte schreiben die Politiker aber nicht selber, sonst hätten sie ja zum Regieren keine Zeit mehr. So etwas schreiben die Leute aus dem Pressestab. Das ist, aus der Sicht von uns Journalisten, eine traurige Entwicklung: Überall tun die Leute so, als ob jeder von Natur aus das könnte, was unsereins mühsam lernen musste. Fußballer schreiben wie nix Kolumnen, Politiker schreiben scheinbar innerhalb von zehn Minuten Feuilletons, fast immer steckt ein anonymer kluger Kopf dahinter.

Die Fußballer sind zum Glück noch echt. Man muss sich das nur einmal vorstellen: Klose oder Kahn ziehen Trikots über, auf denen „Stoiber“ und „Schröder“ steht, dann spielen sie und tun so, als ob sie Stoiber und Schröder sind. Die Leute würden lachen.

Wenn Schröder wirklich wie Ronaldo ist, dann gehört er natürlich der ganzen Welt. Dann ist er für den Job des Bundeskanzlers überqualifiziert, er sollte schnell zur UN gehen oder besser noch nach Amerika. Wenn Stoiber aber wie Völler ist, dann müsste er jetzt sagen: Die anderen sind leider immer noch besser als wir. Wir haben begrenzte Möglichkeiten, wir können nicht zaubern. Wir haben aus unseren begrenzten Möglichkeiten das Beste herausgeholt, das ist alles.

Völler ist bescheiden. Auch das hat ihn so beliebt gemacht. Der Verzicht auf die peinlichen Angebersprüche, das penetrante Selbstlob, für das wir Deutschen so berüchtigt waren. Völler redet nicht kleine Leistungen groß, er spielt große Leistungen herunter. Deswegen kann nie, niemals ein Politiker so sein wie Völler. Er wäre dann ehrlich, und das geht nicht. Harald Martenstein

NAME

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false