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Netz gegen Boulevard: Die Fronten verlaufen zwischen den Medien

Die „Bild“ stützte Guttenberg, seine Gegner formierten sich im Internet. Doch auf beiden Seiten wurde mit allen Mitteln mobilisiert.

Die Lust zu provozieren ist Kai Diekmann nicht vergangen: „Ich habe den Rücktritt von Karl-Theodor zu Guttenberg angenommen und werde in den nächsten Tagen über die Frage der Nachfolge entscheiden“, sagte der „Bild“-Chefredakteur am Dienstag dem Tagesspiegel – und ließ offen, ob er das als Witz oder nicht doch ein bisschen ernst meinte.

Im Rahmen einer massiven Kampagne hatte sich Deutschlands größte Boulevardzeitung aus dem Axel-Springer-Verlag in den vergangenen Monaten für den Verbleib von Guttenberg im Amt des Bundesverteidigungsministers ausgesprochen und sich bis zuletzt im Streit um die Plagiatsaffäre hinter den CSU-Mann gestellt. Von einer „Koalition der Gegelten“ wurde in Anspielung auf die glänzende Haarpracht von Diekmann und Guttenberg in der Medienbranche gesprochen, „KD“ und „KT“ sollen einen guten Draht zueinander haben.

Bereits als Guttenberg Wirtschaftsminister geworden war, wurden er und seine Frau Stephanie von der „Bild“ bejubelt. „Was ist so gutt an Guttenberg“, schrieb das Blatt 2009, der Tenor änderte sich auch nicht nach Guttenbergs Wechsel ins Amt des Bundesverteidigungsministers: „Die finden wir GUTT“, hieß es auf der Titelseite, als das Ehepaar im Dezember zusammen nach Afghanistan reiste. Und als der Plagiatsverdacht aufkam, wurde Guttenberg von der „Bild“ nicht etwa als „Dr. Lüg“, „Dr. Schummel“ oder „Dr. Schwindel“ bezeichnet, wie zuvor andere Politiker, die ihren Doktortitel unrechtmäßig erworben haben sollen. Guttenberg blieb in der „Bild“ der integre Politstar, anscheinend galt für ihn ein anderes Maß.

Diese Unterstützung hat Guttenberg offenbar goutiert. Noch vor seinem Rücktritt war entschieden worden, dass die Bundeswehr 600 000 Euro für eine Werbekampagne in den Springer-Medien ausgeben will. Am Dienstagmorgen konnte Bild.de dann als erstes Medium verkünden, dass Guttenberg von seinen Ämtern zurücktreten will, kurz nach dem Rücktritt war auf Bild.de die offizielle Erklärung zu lesen.

Dass Guttenberg trotz der Rückendeckung durch das Boulevardblatt zurückgetreten ist, zeigt, dass es zum Regieren heute mehr braucht als „,Bild’, ,BamS’ und Glotze“, wie Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) einst behauptete. Neben den traditionellen Medien hat sich mit dem Internet und seinen umtriebigen Nutzern eine mächtige Öffentlichkeit gebildet – die wesentlich zu Guttenbergs Rücktritt beigetragen hat. „GuttenPlag Wiki“ heißt die Website, die erst vor knapp zwei Wochen von anonymen Betreibern gegründet wurde. Bis zum vergangenen Montag hatten sie innerhalb von nur einer Woche mit der Unterstützung von zahlreichen Helfern herausgefunden, dass mehr als 300 Stellen aus Guttenbergs Doktorarbeit kopiert sind. Gegen die Macht des Netzes ist „Bild“ in diesem Fall nicht angekommen.

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