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Medien: Neue Bewirtschaftung

Wie Klaus Schweinsberg „Capital“ anlegt

Das neue „Capital“ ist kaum wiederzuerkennen. Das ist Absicht, denn der Mut zur Veränderung entstammt der Not. Das alte „Capital“ war Avantgarde, es war eigenwillig, geprägt von seinem Gründer Adolf Theobald und dem Publizisten Johannes Gross. Dann verlor es seine Eigenwilligkeit, und daran änderte auch die Tatsache nichts, dass Gruner + Jahr eigenwillige Blattmacher an die Spitze der Redaktion setzte. „Irgendwie ist ,Capital‘ das Besondere abhandengekommen“ ist der Satz, der die Misere am treffendsten umschrieb. Ihren Anfang nahm die Profillosigkeit in den 90er Jahren. Damals wusste sich der Verlag des Kölner Wirtschaftsmagazins vor Anzeigenaufträgen kaum zu retten. Trunken vom Geldsegen wurde die Erscheinungsweise von monatlich auf 14-täglich verkürzt – ohne daran zu denken, dass ein anderer Erscheinungsrhythmus auch ein anderes publizistisches Konzept erfordert. Nachdem die Börsenblase geplatzt war, wurde das Problem obsolet. Das Anzeigengeschäft brach ein, ebenso die Auflage, die nur mühsam mit Sonderverkäufen über der Anzeigenkunden garantierten Marke von 200 000 gehalten wurde.

Die Hoffnung liegt nun auf dem 36-jährigen Klaus Schweinsberg, der die Sache seit seinem Amtsantritt im Februar forsch angeht: In kürzester Zeit reduzierte er die Redaktion von 64 auf 49 Stellen, warb neue Journalisten an, veränderte Arbeitsabläufe und teilte die Ressorts neu ein. An einem Wochenende im katholischen Tagungszentrum in Bad Honnef sollte die Redaktion, von neutralen Trainern moderiert, schließlich herausfinden, an wen sich „Capital“ überhaupt richtet. Die Antwort: Wer „Capital“ liest, ist angestellt, verdient mehr als 80 000 Euro im Jahr, hat im Beruf Entscheidungsspielraum und muss nicht zwangsläufig ein Mann sein. Auf diesem mageren Ergebnis basiert das neue „Capital“, das so ganz anders und so viel spitzer zugeschnitten ist.

Verändert ist der Schriftzug, verändert ist auch die gesamte Titeloptik, die nicht mehr von Schwarz dominiert ist, sondern Helligkeit, Freundlichkeit und Großflächigkeit ausstrahlt. Die Kästen, die vielen kleinen Fotos, das Farbleitsystem und all die anderen optischen Elemente, die Schweinsberg an die 90er Jahre erinnerten, sind verschwunden. Statt acht gibt es vier Ressorts: Politik, Finanzen, sowie vor dem Unternehmensteil der „Guide“, eine monothematische Lifestyle-Strecke. Mit langen Titelgeschichten, einer Wissensseite, die sich auch mal mit einem abseitigen Thema beschäftigt, mit Kolumnisten wie Miriam Meckel (Schweiz) oder Toni Piëch (Asien), die den fremden Blick auf Deutschland richten, sowie mit menschelnden Geschichten will sich „Capital“ von anderen Wirtschaftsmagazinen abheben. Schweinsbergs Ziel ist es, entweder durch selbst Recherchiertes eine eigene Aktualität zu schaffen oder zumindest durch eine besondere Herangehensweise zu überzeugen. Diesen Anspruch sieht er mit der aktuellen Titelgeschichte erfüllt. Am Beispiel von fünf Lebenskonzepten, man könnte auch von den fünf „Capital“-Lesertypen sprechen, prüft die Redaktion, welches Leben sich wie rechnet. Ein Beitrag zur zeitlosen Debatte, um wie viel der Staat seine Bürger schröpft.

Aus wirtschaftlicher Sicht lautet das Ziel, die Auflage bei mehr als 200 000 zu stabilisieren. Das bedeutet, viel „Luft“ herauszunehmen. Der Anteil „harter Auflage“ ist gering: Von den offiziell als Auflage gemeldeten 208 438 Heften werden nur 10 385 am Kiosk und 97 848 im Abonnement verkauft.

Festhalten will Schweinsberg an der 14-täglichen Erscheinungsweise. Anders als der Wochen- oder Monatsrhythmus gilt der 14-tägliche als „unnatürlich“. Man kennt ihn von den klassischen Frauenmagazinen „Brigitte“, „Für Sie“ und „Freundin“. Zu erklären ist er historisch mit der Papiernot in der Nachkriegszeit, die häufigeres Erscheinen fast unmöglich machte. Doch das weiß heute kaum noch jemand. Und so erklärt Schweinsberg die Erscheinungsweise zum Prinzip: „Capital“ soll inhaltlich in die Tiefe gehen wie das „Manager-Magazin“ – auch wenn die Redaktion keinen ganzen Monat Zeit für Recherche hat; und „Capital“ soll nicht weniger aktuell wirken wie die „Wirtschaftswoche“, die doch jeden Montag erscheint. Das ist ein Spagat, der auch mit viel Mut nur schwer gelingt.

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