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Medien: Neue Stadt, neue Vorurteile

Senta Berger zieht mit der „Gerdi“ von München nach Berlin um

Frau Berger, was war der Grund für Sie und Ihren Mann Michael Verhoeven, nach 15 Jahren „Die schnelle Gerdi“ wieder zum Leben zu erwecken?

Damals hatte ich das Gefühl, wenn ich die Gerdi weiterspiele, dann wird das zu einem Etikett, das man mir umhängt – ob ich nun möchte oder nicht. Diese Gefahr besteht jetzt sicherlich nicht mehr, weil ich so sehr viel Verschiedenes gespielt habe. Das andere war, dass Michael die Geschichte damals für erzählt hielt. Nun lief die Gerdi im ZDFSpätprogramm, sie hatte eine gute Quote, und man war beim Sender sehr angetan davon und fragte, ob wir nicht eine Fortsetzung machen wollen.

Eine bloße Fortsetzung?

Eine Fortsetzung in dem Sinne, dass sie in München weiterhin Taxi fährt, wollen wir eigentlich nicht machen. Aber in jenem Sinne, dass wir diese Figur benutzen, mit dem, was sie ist, darstellt, und was sie in der Erinnerung der Zuschauer ist – das schon eher.

Wie überbrückt man 15 Jahre?

Wir mussten uns natürlich überlegen: Was wollen wir überhaupt erzählen, was hat sich seitdem geändert, hat die Gerdi sich verändert? Meine Meinung war, dass die Gerdi sich noch am allerwenigsten verändert hat, und dass genau das auch der Komödienstoff ist. Nicht eine weise, eine abgeklärte, eine enttäuschte, eine resignierte Gerdi zu zeigen, oder eine zivilisierte, domestizierte. Sondern, dass sich eigentlich ihre Charaktereigenschaften nur noch verstärkt haben. Das sehe ich auch in meiner eigenen Familie und bei meinen Freunden – dass sich diese Eigenschaften geradezu bis zur Störrigkeit verfestigen.

Aber das Drumherum, die Gesellschaft, das Denken haben sich verändert.

Es gibt dieses Gebilde DDR-BRD nicht mehr, es gibt dieses Wort „Deutschland“, an das wir uns gewöhnen, und es gibt das Wort „Hauptstadt“, an das wir uns gerne gewöhnen. Und so wie in Berlin früher der Kalte Krieg kulminiert ist, so ist jetzt auch die Wiedervereinigung mit all ihren Konflikten, Überraschungen und Vorteilen in Berlin zu spüren. Du liest davon in München, aber du steigst in Berlin in den Bus und lebst es. Das hat uns interessiert, und dann war der Stoff da – nicht wirklich für eine Serie, eher für einen Film mit sechs in sich abgeschlossenen Teilen, Geschichten. Den Konflikt zwischen Ossi und Wessi wollten wir durch einen tatsächlichen Ossi, nämlich Michael Gwisdek, und einen wirklichen Wessi, Günther Maria Halmer, symbolisieren. Da geht es um Vorurteile, die eben auch Gerdi hat.

Steht Gerdi dabei stellvertretend für die Menschen, sagen wir, für das Volk?

Sie ist eine Frau, die einen Volkscharakter hat, die aus dem Volk kommt – mit allen Eigenschaften, die sich eben auch widersprechen. Gerdi glaubt stolz, dass sie sehr schlau ist, bauernschlau, sie ist aber nicht schlau, sondern lebensklug. Und nachdem sie in München alle möglichen Katastrophen verursacht hat und ihr der Taxischein mal wieder abgenommen wurde, geht sie nun nach Berlin, ohne Taxi, und fängt noch einmal von vorne an.

„Die schnelle Gerdi“ wirkt in Einzelsequenzen sehr spontan. Improvisieren Sie gerne?

Oh ja, sehr gerne. Wir haben zum Beispiel mit Verbraucherministerin Renate Künast eine kleine Szene gehabt, und sie fragte, um was es ginge und Text könne sie keinen lernen. Also haben wir ihr gesagt, es werde um Tierhaltung und die Grünen gehen. Dann rief uns das Sekretariat an und sagte, also Frau Künast kann am Soundsovielten zwischen 8 Uhr 25 und 8 Uhr 40. Und so war es auch: Wir waren bereits im Reichstag, hatten zwei Handkameras dabei, und da kam sie auch schon. Und es war reine Improvisation, wie ich sie dann anging: „Also, die Benzinpreise, da seid’s ja ihr schuld von den Grünen, wissen Sie des überhaupt, wie viel so a Benzin kostet, da hätten’s schon mal mit ’nem Taxler reden solln.“ Daraufhin sagt sie sehr ernst: „Wir wollen die Industrie zwingen, dass sie das Drei-Liter-Auto oder sogar das Ein-Liter-Auto, so etwas gibt es schon …“ Sagt die Gerdi darauf: „Ein Liter! Jo mei, des is ja wie a Maß Bier.“

Das Gespräch führte Thilo Wydra .

„Die schnelle Gerdi und die Hauptstadt“: ZDF, 20 Uhr 15

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