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Calilfornication

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Neue TV-Serien: Stadt der Bengel

Nichts für zarte Seelen: Mit "Californication" und "Dexter" startet RTL 2 zwei spektakuläre Serien. Die eine hat einen Sexsüchtigen zum Protagonisten, die andere einen Serienkiller.

Es gibt Momente in den Fernsehserien „Californication“ und „Dexter“, da möchte man die Augen schließen vor lauter Scham oder lauter Ekel oder lauter Angst, so wie das ein Opfer des Serienkillers Dexter Morgan tut. Alles eine Frage der Gewöhnung. Für die meisten Menschen gibt es ja nur diese zwei vertrauten, sicheren Orte auf der Welt. Den, an dem sie leben, und den, wo sich Doktor House, verrückte Vorstadtfrauen, neugierige Pathologen, neurotische Mafiabosse oder frustrierte Anwältinnen aufhalten: den Fernsehapparat mit seinen US-Serien. Jeder Zielgruppe ihre wöchentlich wiederkehrende TV-Kost, ihren Gesprächsstoff, ihre Identifikationsangebote. Heute starten gleich zwei Serien, bei denen das mit der Identifikation gar nicht so leicht fällt. Die eine hat einen Sexsüchtigen zum Protagonisten, die andere einen Serienkiller.

Seit Wochen werden „Californication“ und „Dexter“ vom kleinen Privatsender RTL 2 auf Plakaten groß beworben. Motto: „Der unmoralische Montag“. Da guckt man gleich zweimal hin, auch bei dem Titel: „Californication“. Das ist zusammengesetzt aus „California“ und dem Wort „Fornication“ (übersetzt: Unzucht) und nicht schlecht gefunden, ebenso der Cast. Der smarte „Akte X“-Star David Duchovny spielt den sexbesessenen Schriftsteller Hank Moody. Dem gelang in New York ein anspruchsvoller Bestseller mit dem Titel „Gott hasst uns alle“. Hollywood verfilmte das Buch als platte Komödie, woraufhin Moody nach Los Angeles gezogen ist. Er bringt kein Wort mehr zu Papier, liebt seinen Porsche-Cabrio, hat stets einen zynischen Spruch parat. Ex-Freundin Karen („Solaris“-Star Natascha McElhone) hat ihn mit der gemeinsamen Tochter Becca verlassen und will den biederen Bill heiraten. Hank wünscht sich Karen zurück, stürzt sich aber in Sex-Abenteuer mit verheirateten Frauen, blutjungen Mädchen und im Traum sogar mit einer Nonne. Manchmal möchte man ihm zurufen: Hey, Junge, werd mal erwachsen, aber Moody ist nichts mehr peinlich. Eine sexuelle Eskapade mit einer 16-Jährigen bringt sein Leben vollends durcheinander. Die Nymphe ist Bills Tochter.

So weit, so turbulent, so großartig. „Californication“ kommt daher wie die Exploitation-Version des Vorstadt-Kinodramas „American Beauty“. Moody ist ein ferner Verwandter jenes Verlagsmitarbeiters Lester Burnham, gespielt von Kevin Spacey, der sich in der Midlife-Crisis befindet und in die Freundin seiner Tochter verliebt. Während Burnham seinen „Höhepunkt“ beim täglichen Onanieren in der Duschkabine findet, googelt sich Moody selber und hat eine Bettgeschichte nach der anderen. Wenn er überhaupt dahin kommt. Am Pool, im Flur, im Türrahmen – das Thema Sex spielt in „Californication“ eine so dominierende Rolle, dass es kaum eine Szene gibt ohne Debatte über Vaginalrasuren, Stellungen und Busengrößen. Alles ist käuflich. Wir sind in L. A. Und wenn „L. A. Confidential“ der beste Film über Los Angeles ist, dann ist das hier die beste Serie dazu. Von wegen „Stadt der Engel“ – „Californication“ zeigt die ungeschminkten Seiten.

Nichts für zarte Seelen also. RTL 2 lässt die 24-teilige Serie sicherheitshalber erst nach 22 Uhr anlaufen. Dennoch dürfte sich die Aufregung in Grenzen halten. Ein Softporno ist das nicht. „Californication“ findet mit all seinen Pop-Referenzen einen klugen Ton zwischen Finsternis und Lust, zwischen Zynismus und Romantik, einzigartig in der Serienlandschaft. Ganz zu schweigen von den intelligentesten Dialogen seit den „Sopranos“ („Wieso sollte ich einen Typen kennenlernen wollen, der so selbstverliebt ist, dass er in Buchläden geht und seine eigenen Werke liest?“) und der Leistung von David Duchovny, der für die Rolle 2008 einen Golden Globe erhielt.

Duchovny ist wirklich eine coole Sau, und Michael C. Hall als „Dexter“ ist das erst recht. Dem Schauspieler ist der Tod aus der ruhigen Bestatterserie „Six Feet Under“ ja nicht ganz unbekannt. In „Dexter“ bringt Hall Menschen selber zu Tode, und das eiskalt. Eine Imagekehre um 180 Grad. Der Forensiker Dexter Morgan arbeitet in Miami bei der Mordkommission. Er ist bei Kollegen beliebt und im Job erfolgreich. Mit seinen Blutspurenanalysen hilft er den Kollegen bei der Aufklärung ihrer Morde, außerdem scheint er sich in die Psyche von Killern hineinversetzen zu können. Kein Wunder – Dexter Morgan ist selbst einer. Doch Dexter tötet nur Menschen, die es verdient haben, wie er findet. Er spezialisiert sich auf Straftäter, die dem Gesetz entkommen sind: Kinderschänder, Vergewaltiger, betrunkene Autofahrer, die Menschen totgefahren haben.

Was für ein unmoralisch-moralischer Held. Die beispiellose Serie löste in den USA eine Diskussion darüber aus, wie sympathisch ein Serienmörder sein darf, und passt gut zur hiesigen Debatte rund um den Kinofilm „Der Baader Meinhof Komplex“, der der Frage nachgeht, wie sympathisch, wie menschlich Täter eigentlich gezeichnet werden dürfen. Das US-amerikanische Publikum hatte darauf eine eindeutige Antwort. Es liebt offenbar seine Serienkiller und Sexsüchtigen. Sowohl „Dexter“ als auch „Californication“ laufen dort beim Pay-TV-Sender Showtime und erreichten so gute Einschaltquoten, dass die nächsten Staffeln frühzeitig geplant wurden. Hoffentlich sieht das RTL 2 genauso.

„Californication“, 22 Uhr 15;

„Dexter“, 22 Uhr 55, beide RTL 2

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