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Steffen Seibert

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Neuer Regierungssprecher: Steffen Seibert und die Macht

Es ist eine anspruchsvolle Aufgabe, die sich Steffen Seibert ausgesucht hat. Der ZDF-Journalist soll in rund vier Wochen der Regierungspolitik ein freundliches Gesicht verleihen und mit dem Bundespresseamt aus dem Stand eine Behörde mit mehr als 450 Mitarbeitern leiten.

Von Hans Monath

Will er ein ähnlich guter Regierungssprecher wie der scheidende Ulrich Wilhelm werden, muss der Mann aus Mainz sich im engsten Zirkel um die Kanzlerin schnell eine Vertrauensstellung erarbeiten. Der Neue muss über genügend Selbstvertrauen und politisches Urteilsvermögen verfügen, um der Chefin intern auch zu widersprechen. Und er muss seine eigenen Grenzen erkennen und sich in eine Struktur einfügen, die über Jahre gewachsen und ganz auf den Regierungsstil Angela Merkels zugeschnitten ist, der ohne Visionen und große Botschaften auskommt.

Wichtigste Beraterin der Kanzlerin ist ihre Mitarbeiterin Beate Baumann. Sie ist ihrer Chefin nicht nur im Denkstil, sondern auch im Habitus und eher bescheidenen Auftreten ähnlich. Beide Frauen verbindet die Abneigung gegen männliche Machtrituale in der Politik, die nur der persönlichen Eitelkeit dienen. Anfang der 90er Jahre hatte der heutige Bundespräsident Christian Wulff die in der Jungen Union politisierte Baumann an Merkel empfohlen. Wulff war da niedersächsischer Oppositionspolitiker, die ostdeutsche Politik-Neueinsteigerin Merkel war Familienministerin im Kabinett Helmut Kohl und gerade zur stellvertretenden CDU-Vorsitzenden gewählt worden. Alle wichtigen Entscheidungen spricht Merkel mit ihrer Büroleiterin ab, die selbst keine öffentliche Rolle sucht.

Lange gemeinsame Erfahrung verbindet Merkel auch mit ihrer Medienberaterin Eva Christiansen. Die Mutter eines Kindes, nach der Babypause gerade wieder zurückgekehrt, war als Nachfolgerin Wilhelms im Gespräch, hatte offenbar aber keine Ambitionen, dem CSU-Mann nachzufolgen. Christiansen arbeitet lieber im Hintergrund am Bild der Kanzlerin. Im März machte Merkel sie zur Referatsleiterin im Kanzleramt, zuständig auch für Planungsarbeit und Sonderaufgaben.

Zum engsten Kreis um Merkel gehören zudem die drei Abteilungsleiter im Kanzleramt, Jens Weidmann (Wirtschaft und Finanzen), Christoph Heusgen (Außenpolitik) und Uwe Corsepius (Europa). Alle Entscheidungen in der Griechenland- und Eurokrise wurden von ihnen vorbereitet. Der Volkswirt Weidmann war vor seiner Ernennung Anfang 2006 Abteilungsleiter in der Bundesbank. Zuvor hatte er mehrere Jahre beim Internationalen Währungsfonds (IWF) gearbeitet. Ihm werden gute internationale Kontakte zugeschrieben. Der Karrierediplomat Heusgen, der für eine werteorientierte Außenpolitik steht, kam aus Brüssel ins Kanzleramt, wo er als Stabschef Javier Solanas, des damaligen EU-Außenbeauftragten, wirkte. Kurz vor dem Wechsel nach Berlin fing Heusgen sich im Herbst 2005 einen Rüffel ein, weil er das im Koalitionsvertrag von Union und SPD verankerte Ziel eines ständigen deutschen Sitzes im UN-Sicherheitsrat für irreal erklärt hatte. Die SPD intervenierte. Seither hält sich Heusgen öffentlich zurück. Corsepius, ein promovierter Ökonom, hatte schon unter Kohl in der Regierungszentrale gearbeitet. Nach einer Zwischenstation beim IWF kehrte er zurück und verhandelte im Auftrag Merkels nahezu alle heiklen EU-Themen der vergangenen Jahre mit. Im kommenden Jahr wird Merkel Ersatz für Corsepius suchen müssen: Sie schickt den gebürtigen Berliner nach Brüssel, wo er Generalsekretär des EU-Ministerrats werden soll.

Öffentliche Auftritte der drei sind selten. Allenfalls vor wichtigen Auslandsreisen beschreiben sie Journalisten die Position des Kanzleramtes, wobei sie stets anonym als „Regierungskreise“ zitiert werden. Im Kanzleramt gelten sie als „150-prozentig loyal und ohne persönliche Ambitionen oder missionarischen Eifer“. Als Fachleute können sie der Kanzlerin aber die Folgen politischer Entscheidungen ausmalen.

Früher hatten starke Abteilungsleiter häufig nach außen gewirkt und so Konflikte mit Ministerien oder dem Koalitionspartner provoziert. Sowohl unter Kohl (1982 bis 1998) wie unter Gerhard Schröder (1998 bis 2005) versuchten sich etwa Leiter der außenpolitischen Abteilung als Neben-Außenminister, wollten den Einfluss des Chefs im Auswärtigen Amt beschneiden und riefen so die Vizekanzler Hans-Dietrich Genscher (FDP) und Joschka Fischer (Grüne) auf den Plan, die sich lautstark gegen den drohenden Machtverlust wehrten. Ein ähnlicher Konflikt zwischen Merkels Kanzleramt und Guido Westerwelles Auswärtigem Amt ist bislang nicht überliefert.

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