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„Wir sind eine Zeitung“, mit dieser Schlagzeile protestiert die Redaktion der „Libération“ gegen die Umbaupläne. Foto: AFP

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Neues Konzept: Überlebenskampf

Die französische Zeitung „Libération“ soll ein soziales Netzwerk werden – ihre einzige Chance?

Am vergangenen Wochenende kam die linksliberale Pariser Zeitung „Libération“ mit der Schlagzeile heraus: „Nous sommes un journal“, „Wir sind eine Zeitung“. Eigentlich selbstverständlich, doch ist dieser Satz ein Aufschrei der Redaktion. Sie protestierte gegen den Plan der Verleger, aus der verlustreichen „Libération“ ein florierendes Medienunternehmen zu machen, das weitgehend ohne gedruckte Zeitung und Journalisten auskommen soll.

Die Eigentümer wollen „Libération“ zu einem „sozialen Netzwerk“ ausbauen, das „Inhalte kreiert“ und diese über eine „breite Palette“ von „multimedialen Trägern“ wie Fernsehen, Radio, Video und auch Druckerzeugnissen „zu Geld macht“. Die Redaktion der Zeitung soll aus ihrem jetzigem Sitz in einen Vorort im Pariser Osten ausquartiert werden, stattdessen wird das 4500 Quadratmeter große Bürogebäude nahe der Place de la République nach Entwürfen des Stardesigners Philippe Starck in ein „Kulturforum“ umgewandelt. Auf der achten Etage, wo bisher die tägliche Redaktionskonferenz stattfindet, sollen ein Vortragssaal, ein Restaurant und eine Bar eingerichtet werden, in den unteren Stockwerken Fernseh- und Rundfunkstudios, ein digitaler Newsroom und im Erdgeschoss eine Boutique, ein Stehcafé und ein Imbissstand. Das Ganze ist als „Brutstätte für Start-ups“ gedacht und wurde unter Bezug auf das vor über 50 Jahren von Intellektuellen, Schriftstellern und Philosophen im Pariser Viertel Saint-Germain-des-Près frequentierte Café den Redakteuren als das „Flore des 21. Jahrhunderts“ schmackhaft gemacht.

Urheber dieser Idee ist Bruno Ledoux, ein Immobilienmakler, der neben dem Bankier Edouard de Rothschild Hauptaktionär der Zeitung ist. Beide halten zusammen 52 Prozent der Kapitalanteile. Ledoux ist auch Eigentümer des Gebäudes, in dem die „Libération“-Redaktion als Mieter residiert. In seinem Plan nennt er das Vorhaben hochtrabend eine „Synthese der größten gesellschaftlichen und libertären Revolutionen der modernen Geschichte, der Revolution der 60er Jahre und der heutigen durch das Internet“.

Die Redakteure sind geschockt. Die einen hätten ungläubig den Kopf geschüttelt, andere höhnisch gelacht, wurde berichtet. Die Redaktionsvertretung sprach von einer „Provokation“. Sie verwies darauf, dass „Libération“ als eine der ersten französischen Zeitungen schon lange im Internet präsent ist und auch ein multimediales Angebot sowie Konferenzreihen in wechselnden Orten Frankreichs entwickelt hat. Mit einem „Putsch“ wollten die Aktionäre den Markennamen „Libération“ ausschlachten, um mit einer Art „Libé-Land“ Geld zu verdienen. „Wozu soll so ein Restaurant gut sein ohne eine starke Zeitung?“, fragte Redaktionsdirektor Fabrice Rousselot.

Zur redaktionellen Entwicklung des Blatts findet sich in dem Plan kein Wort. Entsprechend hoch ging es in einer Versammlung mit der Verlagsleitung her. Noch gereizter war die Stimmung nach einer Mail, in der Ledoux die Redakteure als „Leute von gestern“ mit einem „engstirnigen Esprit“ bezeichnete.

Für „Libération“, bei deren Gründung 1973 der Philosoph Jean-Paul Sartre Pate stand, geht es ums Ganze. Im November verzeichnete die Zeitung nach zwei passablen Jahren wieder einen Millionenverlust. Die verkaufte Auflage sank unter 100 000 Exemplare. Verhandlungen zwischen Redaktion und Verlag über einen neuen Sparplan blieben ohne Erfolg. Die Banken haben die Kredite zwar noch einmal verlängert. In die Zeitung selbst will Ledoux allerdings keinen Euro mehr investieren. „Unser Projekt ist das einzig lebensfähige für ,Libération‘, sagte er. „Wird es abgelehnt, hat ,Libération‘ keine Zukunft.“ Hans-Hagen Bremer

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