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"News of the World": Cameron kündigt Untersuchung des Abhörskandals an

Der Abhörskandal bei "News of the World" zieht nun auch politisch Kreise: Premierminister Cameron will eine Untersuchungskommission auf den Fall ansetzen, in den auch sein ehemaliger Pressesprecher verwickelt ist.

Premierminister David Cameron hat in der Affäre um das Murdoch-Blatt "News of the World" eine unabhängige Untersuchung angekündigt. In einer überraschend anberaumten Pressekonferenz skizzierte der britische Premier die Ausmaße des Skandals und ging mit allen Beteiligten hart ins Gericht - auch mit sich selbst.

Kritik muss sich der Premierminister vor allem wegen seines früheren Kommunikationschefs Andy Coulson gefallen lassen. Coulson war von 2003 bis 2007 Chefredakteur bei "News of the World" gewesen. Nach einem Korruptionsskandal hatte er die Stelle bei dem Boulevardblatt abgegeben und war in das Kabinett Camerons gewechselt. Dort musste er zu Beginn des Jahres seinen Hut nehmen, als neue Details über die skandalösen Recherchepraktiken bei seiner früheren Zeitung bekannt geworden warn. Coulson hatte aber immer bestritten, von den Abhöraktionen gewusst zu haben. Mittlerweile ist der 43-jährige Andy Coulson in London festgenommen und befragt worden. Ihm werden Korruption und das Abhören von Telefonen vorgeworfen.

Mitarbeiter seiner früheren Redaktion sollen nicht nur die Telefone von Prominenten gehackt haben, sondern auch die Handys von Angehörigen von Verbrechensopfern und Hinterbliebenen getöteter Soldaten abgehört haben - wie erst kürzlich bekannt wurde. Scotland Yard zufolge könnten die Telefone von bis zu 4000 Menschen angezapft und abgehört worden sein. Hinzu kommt, dass die Mitarbeiter des Boulevardblattes Zehntausende Pfund an Informanten aus Beamtenkreisen gezahlt haben.

Der Konzern kündigte am Donnerstag die Einstellung der Zeitung an und zog damit die Konsequenzen aus dem Skandal. Das Blatt soll am Sonntag letztmalig erscheinen.

Bei der Pressekonferenz in London sagte Cameron, eine unabhängige Kommission unter Leitung eines Richters werde untersuchen, was sich genau bei der „News of the World“ abgespielt habe. Auch die Praxis bei anderen Zeitungen solle geprüft werden. Zudem müsse geklärt werden, warum die Polizei bei ihren Ermittlungen gegen das Blatt so „abgrundtief“ gescheitert sei, sagte Cameron. Die Ermittlungen waren nach der Verurteilung eines Korrespondenten und eines Privatdetektivs im Jahr 2007 eingestellt worden.

"Nichts wird beiseite gelassen werden“, versprach der Premier. Der Skandal drehe sich keinesfalls nur um eine einzige Zeitung und einen Journalisten, sondern auch um Polizei und Politik, betonte Cameron in London. „Wir stecken alle mit drin - die Presse, die Politiker, die Chefs aller Parteien, ich selbst inbegriffen.“

Die Untersuchung werde „vollkommen unabhängig“ und „gründlich“ ablaufen. Eine zweite Kommission soll sich mit der Frage der Medienregulierung in Großbritannien auseinandersetzen.

Auch Camerons Koalitionspartner, die Liberaldemokraten, und die oppositionelle Labour-Partei forderten eine Reform der Medienaufsicht. Das Beschwerdegremium Press Complaints Commission sei ein “zahnloser Pudel“, sagte Labour-Chef Ed Miliband. Seine Partei wurde im Mai nach 13 Jahren an der Macht abgewählt, nachdem sie die Unterstützung durch Murdoch-Zeitungen verloren hatte.

Angesichts der Kritik an seiner Entscheidung, Coulson einst zu seinem Sprecher gemacht zu haben, sagte Cameron: „Die Entscheidung ihn einzustellen war einzig und allein meine, und ich übernehme dafür die volle Verantwortung.“ Er habe sich damals entschlossen, Coulson eine „zweite Chance“ zu geben, und niemand habe jemals dessen Arbeit als sein Sprecher beanstandet. „Das mit der zweiten Chance hat nicht geklappt“, sagte Cameron.

Oppositionsführer Ed Miliband hatte Cameron aufgefordert, sich für seinen „erschreckenden Einschätzungsfehler“ bei der Anstellung Coulsons zu entschuldigen. Cameron habe persönliche Beziehungen zu Schlüsselfiguren des Skandals, sagte der Chef der sozialdemokratischen Labour Partei. Er müsse nun Klarheit darüber schaffen, welche Diskussionen es zu dem Fall gegeben habe.

Der Regierungschef wiederum kritisierte indirekt Murdochs Entscheidung, an Coulsons Vorgängerin bei der “News of the World“, Rebekah Brooks, festzuhalten. Er hätte ein Rücktrittsangebot Brooks' angenommen, sagte er. Die 43-Jährige ist für Murdochs britische Zeitungstochter News International verantwortlich. Auch sie will von Abhöraktionen nichts gewusst haben.

Die Affäre hat auch Auswirkungen auf den geplanten Kauf der britischen Sendergruppe BSkyB durch Murdochs News Corp: Die Regierung kündigte an, die Schließung der “News of the World“ bei ihrer kartellrechtlichen Prüfung einzubeziehen. So soll geprüft werden, ob es Auswirkungen auf die Medienvielfalt in Großbritannien gibt. Aktien von BSkyB wurden daraufhin zeitweise mit einem Minus von mehr als fünf Prozent gehandelt. Murdoch besitzt bereits etwa 40 Prozent an BSkyB sowie mehrere Zeitungen, etwa das Traditionsblatt “The Times“.

Am Donnerstag hatte ein Sohn des 80-jährigen Medienunternehmers angekündigt, dass die “News of the World“ nach 168 Jahren am Wochenende zum letzten Mal erscheinen wird. Viele Journalisten des Blattes reagierten mit Wut und Enttäuschung und gaben ihrer früheren Chefin Brooks die Schuld. “Sie schließen eine ganze Zeitung, nur um den Job einer Frau zu retten“, sagte ein Reporter. Murdoch übernahm 1969 die “News of the World“. Medienangaben zufolge ist sie mit rund 2,8 Millionen verkauften Exemplaren pro Woche das meistverkaufte Blatt Großbritanniens. (AFP/rtr/dpa)

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