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Medien: „Nói Albinói“ oder die Sehnsucht eines Isländers nach einem anderen Leben

Die Großmutter legt in der Küche ein gewaltiges Puzzle, der Vater fährt Taxi und gibt abends in der Karaoke-Bar zu Elvis Presley. Nói, der Enkel und Sohn, tut eigentlich gar nichts.

Die Großmutter legt in der Küche ein gewaltiges Puzzle, der Vater fährt Taxi und gibt abends in der Karaoke-Bar zu Elvis Presley. Nói, der Enkel und Sohn, tut eigentlich gar nichts. Ist auch schwierig, in dieser isländischen Kleinststadt am Fuße eines Gebirges. Wer nicht Schüler, Lehrer, Pfarrer ist, der hat nicht nur keine Aufgabe, der könnte auch verzweifeln in dieser Öde aus 70er-Jahre-Vorhängen und Schnee. Nói erscheint nur selten in der Schule, Langeweile hat er nicht, denn er sitzt in einem Kellerloch, liest im isländischen Staatsrecht. Dann kommt Bewegung ins Spiel. Nói wird von der Schule geworfen, verliebt sich in die Tankstellen-Bedienung, scheitert bei der Totengräberei, beim Bankraub, beim Autoklau, und die Tankstellen-Schöne Íris will auch nicht mit ihm abhauen in ein anderes Leben. Nói geht ins Kellerloch, eine Lawine kommt über die Stadt und tötet Großmutter, Vater, Lehrer, TankstellenSchöne. Nói schaut sich wieder die zwei Bilder an, die er sich immer angeschaut hat: einen Mann, der nach Südsee-Häuptling aussieht, und einen Strand, der nach Südsee aussieht. Plötzlich wird aus dem Strand-Foto ein bewegtes Bild.

„Nói Albinói“ ist ein isländischer Film von 2002. Dagur Kári hat das Buch geschrieben und inszeniert. Tómas Lemarquis spielt die Hauptrolle. Der Film hat mächtig viele Preise abgeräumt, allein sechs „Eddas“ des isländischen Filmpreises. Der Film ist melancholisch, weil Figuren ein Vergnügen daran finden, traurig zu sein, der Film ist lakonisch, weil er Stillstand in still-schönen Bildern erzählt, er ist komisch, weil er so ernst vom absurden Leben berichtet. Der Traum ein Leben? Das Leben ein nicht ausgelebter Traum? Tómas Lemarquis schaut eigensinnig aufs Leben, sein Leben, das nach Befreiung verlangt. Und sie kommt, wie das Glück mit dem Unglück kommt. „Nói Albinói“ hat Kraft, selbst wenn der Schnee unaufhörlich auf die Kleinststadt am Fuße des Gebirges fällt.

„Nói Albinói“, 22 Uhr 45, Arte

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