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Medien: Noch selten war das Privatfernsehen so ratlos wie heute

Joachim Huber

Ist „Die Schwarzwaldklinik“ das Fernsehen, das die meisten deutschen Zuschauer glücklich und satt macht? Die Antwort muss Ja heißen, und ihre Begründung kommt ausgerechnet vom neuen alten RTLChef Gerhard Zeiler: „Die Sehnsucht nach Traumwelten wächst. Die heile Welt ist wieder gefragter“, hat er im Interview mit dem „Handelsblatt“ gesagt. Traum-Fernsehen, Wärmestuben-TV, Eskapisten-Programme, schönste Landschaften, Zwergponyföhlchen, sich selbst auflösende Konflikte der Zwischenmenschlichkeit – das muss doch der Süßstoff sein, den das deutsche Privatfernsehen in großer Tonnage anliefert. Was die öffentlich-rechtlichen Sender am Freitag und am Sonntag in hohen Pilcher-Dosen und auch unter der Woche leisten, das haben RTL, Sat 1, Pro 7 übersehen, vernachlässigt, abgeschrieben. Welche Erwartung hat vielleicht nicht der einzelne Zuschauer, ganz sicher aber die große Millionenzahl? ZDF-Intendant Markus Schächter hat dem Tagesspiegel gesagt, die ernsthaften Themen der Zeit seien Alter, Arbeit und Gesundheit, das Privatfernsehen dagegen sei noch in der Spur der Spaßgesellschaft.

Es ist nicht zu übersehen, ARD und ZDF schlagen den Takt im deutschen Fernsehen. Namentlich das als „Kukident-Sender“ verspottete ZDF hat das Privatfernsehen auf seinem ureigensten Feld in die Defensive gebracht: beim seriellen Fernsehen. Die Telenovela „Bianca“ wurde beim ZDF geboren. Sat 1 zieht nach, andere werden folgen.

Die Privaten versuchen ihre akute Schwäche zu erklären und zu kaschieren. Es ist wahr, wenn Zeiler sagt, dass „die privaten Fernsehsender 20 Prozent weniger Werbeeinnahmen als noch vor vier Jahren haben“. Weniger Geld in der Kasse ist bedenklich, noch bedenklicher ist, dass RTL & Co ordentlich Geld aus der eigenen Kasse herausnehmen. Die deutsche RTL-Gruppe (darunter RTL, RTL 2, Vox) hat 267 Millionen Euro an die Konzernmutter Bertelsmann abgeliefert, die Pro-Sieben-Sat-1-Gruppe 321 Millionen Gewinn für 2004 gemeldet. Das sind beeindruckende Zahlen, die lautes Jammern nicht erlauben. Was eben nicht zusammengeht: Sparen und neue Formate, gesunkene Werbeeinnahmen bei maximal gesteigerter Rendite für die Eigentümer und Investoren. Das überleben vielleicht Bertelsmann und Haim Saban, die Attraktivität der Angebote überlebt es nicht.

Das Privatfernsehen hat seine bewiesene Stärke verloren, dem Programm und dem Publikum seine Innovationen und seine Trends aufzudrücken. Dabei haben es die Privaten in Deutschland in nur 20 Jahren Existenz geschafft, eine der größten Erfolgsgeschichten der deutschen Wirtschaft zu schreiben. Tempi passati. Wenn es dem Multimillionär Günther Jauch einfallen sollte, morgen nur noch den Lohn seiner harten Arbeit genießen zu wollen, ist RTL mausetot.

Verloren ist gar nichts, und doch ist es nicht der schlechteste Witz der Fernsehgeschichte, dass die Erneuerung des deutschen Privatfernsehens ausgerechnet von dem TV-Modell ausgehen wird, das längst als erledigt galt: vom Abo-Fernsehen, von Premiere. Mit dem Börsengang kommt das Geld, das Senderchef Georg Kofler in attraktive Programme stecken wird. Und RTL-Chef Zeiler beeilt sich zu versichern, dass auch er über Bezahlfernsehen nachdenkt. Erfrischend anders, hieß mal ein RTL-Motto. Erschreckend einfallslos das aktuelle.

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