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Nokia: Im Standbild

Nokia und die Krisen-PR – Kamerateams können von Fabriköffnung keine Bewegtbilder zeigen

„Pfui Nokia“, lautete die entrüstete Überschrift einer Boulevardzeitung, als bekannt wurde, dass der Handyhersteller Nokia sein Werk in Bochum mit 2300 Beschäftigten zum Jahreswechsel schließen will, um die Produktion nach Rumänien zu verlegen. Seither vergeht kein Tag mehr, an dem Nokia nicht in Zeitungen oder Fernsehnachrichten als „Subventionsheuschrecke“ am Pranger steht. So gut der Ruf der finnischen Handys ist, so hilflos wirkt die Krisen-PR des Konzerns. Zum Schluss eines Beitrages über Nokias neuen rumänischen Standort Jucu kündigte Claus Kleber am Sonntagabend im „heute-journal“ an, dass man zwar heute noch Aufnahmen vom neuen Standort zeigen könne, den Fernsehteams aber untersagt wurde, am Montag von der Eröffnung der neuen Fabrik mit aktuellen Bewegtbildern zu berichten. Allenfalls Standbilder seien möglich.

Die Ereignisse überschlagen sich. Am Sonntag protestierten 6500 Menschen in Bochum auf einem Aktionstag gegen die Schließung des Werkes. Am Montag nun die inoffizielle Werkseinweihung durch Nokia-Vizechef Juha Putkiranta. Und am Dienstag fahren der Bochumer Nokia-Betriebsrat und Vertreter der IG Metall nach Finnland, um mit dem Nokia-Management über den Erhalt des Bochumer Handywerks zu reden. Allerdings ohne Unternehmenschef Olli-Pekka Kallasvuo, der an den Gesprächen voraussichtlich wieder nicht teilnehmen wird.

Die Schließung eines Werkes ist für die Beschäftigten eine äußerst schmerzhafte Angelegenheit, die vom Unternehmen viel Sensibilität erfordert, meint Ulla Wiegand, die in Hamburg eine PR-Agentur betreibt, die sich auf Führungskräftetraining in der Krisenkommunikation spezialisiert hat. „Das Krisenmanagement der wertvollsten Marke Europas ist im wahrsten Sinne des Wortes kopflos. Auch Tage nach der Bekanntgabe der Produktionsverlagerung hat sich kein Manager vor der Presse blicken lassen“, so ihre Kritik. Nokia zeige zu wenig Bedauern darüber, dass die Menschen in Bochum ihr Leben umstellen müssen. „Bei einschneidenden Ereignissen muss sich der Firmenchef persönlich stellen und den Kopf hinhalten.“ Wiegand selbst hat ein Unternehmen der Chemiebranche beraten, als es ein Werk in Deutschland schließen musste. Zwar war auch diese Schließung für 800 Beschäftigte schmerzhaft. Da das jedoch aus wirtschaftlichen Gründen ohne Alternative war, ging die PR-Strategie mit einer frühzeitigen Einbindung der Medien auf. Wichtig war dabei, dass die Verantwortlichen Position bezogen und mit ihrem Gesicht für die Entscheidung eingestanden sind. „So etwas muss intern geregelt und dann nach außen kommuniziert werden.“ Bei Nokia kann man sich dazu offensichtlich nicht hinreißen lassen. Zwar versucht das Unternehmen, der Negativpresse mit Kommentaren in eigener Sache zu Berichten über die erhaltenen Subventionen etwas entgegenzuhalten. Doch diese Erklärungen persönlicher zu halten, gelingt nicht. Warum so gehandelt wird, will man bei Nokia nicht erläutern. „Über das Thema Krisenmanagement wollen wir derzeit nicht reden“, erklärte das Unternehmen auf Nachfrage. „Zurzeit sind wir mit anderen Dingen beschäftigt.“

Der Fall Nokia ist für Frank Roselieb, Direktor des Instituts für Krisenforschung an der Universität Kiel, eine typische „Lose-lose-Situation“, in der man alles nur falsch machen kann. Egal, was man sage oder wem man ein Interview gebe – man ernte Kritik. In solchen Fällen sei eine pragmatische Haltung die beste Strategie. Die Entscheidungen müssen schnell und ruhig über die Bühne gehen, um sich dann rasch wieder dem eigentlichen Geschäft zuzuwenden, sagt der Krisenfachmann. Dass Nokia am Montag in Barcelona auf der Mobile World ein neues Super-Handy vorstellte, wird zumindest in Deutschland in diesem Jahr weniger beachtet.

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