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Nueverfilmung: Der Balkenbieger

Tüttelig und exaltiert: Die ARD verkleidet Jan Josef Liefers als Baron Münchhausen.

Von Susanna Nieder

Münchhausen – was für ein Tausendsassa! Hepp, sitzt er auf der Kanonenkugel. Platsch, wirft er Speckstücke an Schnüren ins Wasser und wird gleich darauf von gierigen Enten durch die Luft gezogen. Aber vor allem kann er Geschichten erzählen, dass sich die Balken biegen. „Es ist nicht wichtig, ob eine Geschichte wahr ist oder nicht. Mit dem Herzen musst du sie erzählen“, lautet sein Motto.

Genau so spielt Jan Josef Liefers in der zweiteiligen ARD-Neuverfilmung den Münchhausen: ehrlicher Augenaufschlag, sein Gegenüber fest im Blick, um jederzeit abzulesen, mit welchem Schnack er am besten durchkommt. Der Held hat schon bessere Zeiten gesehen; er muss ständig seine bröckelnde Fassade zurechtfummeln. Er spielt das ein klein wenig tüttelig wie Jack Sparrow, der Piratenkapitän aus „Fluch der Karibik“, und ein bisschen exaltiert wie Professor Börne aus dem Münsteraner „Tatort“, aber zurückhaltender als beide und vor allem mit viel mehr Herz.

Das liegt unter anderem an der geschickten Dramaturgie (Buch: Marc O. Seng, Regie: Andreas Linke). Münchhausen wird ein elfjähriges Mädchen namens Frieda zur Seite gestellt (souverän und offenherzig gespielt von den Zwillingen Helen und Isabelle Ottmann). Sie behauptet, seine Tochter zu sein. Ein Abenteurer und ein Kind, noch dazu ein Mädchen? Schnell weg! Aber da hat er sich getäuscht.

Die beiden machen sich gemeinsam auf den Weg nach St. Petersburg, wo angeblich Friedas Mutter lebt. Begleitet werden sie von der schönen, widerspenstigen Constanze von Hellberg (Jessica Schwarz), auf die in der russischen Hauptstadt ein sturzlangweiliger Bräutigam wartet. Viele Münchhausen-Geschichten sind an diesem Erzählfaden aufgereiht: die im Posthorn eingefrorenen Töne, das Pferd, das nach der Schneeschmelze am Kirchturm baumelt, der Besuch auf dem Mond. Andere sind dazufabuliert, und das funktioniert prächtig.

Richtig schön ist an dieser Verfilmung, wie sorgfältig sie gestaltet ist, ohne protzig zu sein. Das hier ist Münchhausen und keine Action. Wenn sich mal Darsteller hauen, dann sieht das aus wie im Theater und nicht wie in hyperrealistischen Filmproduktionen. Computeranimation kommt nur da vor, wo sie unumgänglich ist. Die Mondsequenz wurde im Braunkohletagbau von Welzow in der Mark Brandenburg gedreht und so beleuchtet, dass sie an futuristische Szenarien aus der Frühzeit des Films erinnert. Als Petersburger Zarinnenpalast diente das unbeheizbare Schloss Ludwigsburg, gedreht wurde im Februar – man sieht es an den Atemwolken vor den Mündern der Schauspieler.

Geradezu eine Wohltat sind die Dialoge, die leicht altertümlich, aber trotzdem witzig und nie gestelzt klingen. Die Schauspieler legen sich ins Zeug, Katja Riemann als Zarin ist ebenso eine Idealbesetzung wie Tonio Arango als ihre Oberhofschranze oder Tayfun Bademsoy als böser Sultan. Im zweiten Teil verlagert sich die Handlung gen Osten, wohin Frieda als Sklavin verkauft wurde. Das hätte schiefgehen können, aber Linke und sein Team bleiben bei ihrem beherzten Gestus und machen eine Komödie mit dümmlichem Bösewicht, als Haremsdamen verkleideten Kerlen und schlauen Kindern daraus, denn Frieda bekommt hier Gesellschaft vom gepiesackten Sultanssohn (Lino Bademsoy).

Dieser Begriff „ein Film für die ganze Familie“ ist normalerweise ja eine Plattitüde. An dieser spannenden, lustigen, eleganten „Münchhausen“–Verfilmung werden aber tatsächlich alle ihren Spaß haben.Susanna Nieder

„Baron Münchhausen“, ARD, 25. und 26. Dezember, jeweils 17 Uhr 45

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