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Medien: Nur der Udo Walz fehlt

Der „Tatort“ spielt dieses Mal in der Berliner Republik. Die Neugier auf Sabine Christiansens Gastauftritt scheint dem RBB ein bisschen zu groß zu sein

Rund neun Millionen Euro soll Sabine Christiansen für die Produktion ihres wöchentlichen Polit-Talks vom NDR bekommen. Viel Geld für die ARD. Da ist es nur recht und billig, dass die Moderatorin mal einen Extra-Job im Ersten übernimmt: als Schauspielerin im „Tatort“. Genauer: als Sabine Christiansen.

Der kurze Auftritt bekannter Personen in einem Film – seit Hitchcock haben diese so genannten Cameo-Auftritte Tradition, auch im ARD-Krimi. Berti Vogts hat so was vor Jahren schon mal gemacht, als respektabler Gärtner. Heckenrosenschneiden wollte man der Christiansen aber nicht zumuten. Im Tatort „Eine ehrliche Haut“ spielt sich die Talklady selber. Gleich in der ersten Szene interviewt sie zwei Politiker, dargestellt von Dietrich Mattausch und Heikko Deutschmann. Langes Drehbuchpauken blieb Christiansen somit erspart. Ihr Text ist bekannt, vom Sonntagabend, im Ersten, immer nach dem „Tatort“. Ihr Text im Berlin-Krimi ist Standard-Repertoire. „Sie wollen um den Vorsitz in Ihrer Partei kandidieren, was hat sie dazu bewogen?“ Oder: „Ehrlichkeit in der Politik? Ehrlichkeit, geht das?“

Man kennt das. Politiker sind die besseren Schauspieler, gerne auch als Gast am Sonntagabend, im Studio an der Gedächtniskirche. Im „Tatort“ ist das Christiansen-Prinzip quasi bei sich selber angekommen. Ein netter Verfremdungseffekt, das wöchentliche Talk-Gestanze mal als Fernsehfiktion zu erleben.

Danach hat die Moderatorin ihre Schauspiel-Schuldigkeit getan. Für die restlichen 85 Minuten gehen Dominic Raacke und Boris Aljinovic an die Arbeit. Das bewährte Ermittlerteam hat bei der Mördersuche richtig Spaß. Den „Tatort“-Autoren wird ja immer vorgeworfen, sich vor dem Thema „Berliner Republik“ zu drücken, dieser Mischung aus Christiansen, Politiker-Eitelkeiten, Boomtown, Medienstadt, Drogen für die Schickeria. Ein Krimi dazu fehlte noch. So ein bisschen Spreegate. Shakespeare! Dieter Wedel! Aufstieg und Fall, die Amis können das doch auch, wenn es um Washington geht. Warum also nicht Berlin? Regisseur und Autor Ralph Bohn hat jetzt mal so eine Geschichte aufgeschrieben, versuchsweise. Immerhin. Ein Drogendealer, der von einem jungen, ehrgeizigen Politiker überfahren wird. Dieser Politiker, der Kokain nehmen soll und in einen innerparteilichen Machtkampf verwickelt ist. Der Machtkampf, der samt Privatleben und PR-Beratung des Aufsteigers zum Spielball der Pressemeute wird. Zugegeben, das ist dick aufgetragen. Aber am Spreebogen muss mördermäßig halt alles mit allem zusammenhängen. Das kann gar nicht anders sein. Wenn dem Drehbuch nichts Verbindendes einfällt, werden rasante Berlin-Bilder reingeschnitten. Nebenbei ist fröhliches Politikerraten angesagt. Ähnlichkeiten mit realen Personen sind gar nicht so rein zufällig. Westerwelle, Friedman, Christiansen, wer kann hier eigentlich gemeint sein? Der ganze Berlin- Sumpf scheint im Körper des fiesen Boulevardreporters zu stecken, der seinen Kollegen die Meinung geigt, die den verdächtigen Politiker im Interview seine Parolen runterleiern lassen: „Hier geht es um Mord, und Ihr stellt blöde Fragen!“

Genau. Das kann man dann nächste Woche wieder bei Sabine Christiansen machen. Bei der echten, um 21 Uhr 45. Seltsam übrigens, dass die ARD heute keinen Polit-Talk drangehängt hat. Beziehungsweise umgekehrt: dass dieser „Tatort“ ausgerechnet an einem der ganz wenigen Sonntage ausgestrahlt wird, an denen Sabine Christiansen urlaubt. So verpufft der Zuschauerfluss: Tatort plus Talk in einem. Und seltsam auch, dass Radio Berlin-Brandenburg keine „Tatort“-Bilder mit Deutschlands vielleicht wichtigstem Fernsehgesicht herausrückt. Ärgert man sich da etwa – über die Geister, die man rief? Zu viel Sabine, zu viel Christiansen, zu viel Cameo, zu wenig Raacke, Aljinovic, Krimi? Immerhin spielt Udo Walz nicht mit. Vielleicht auch deswegen soll Regisseur Ralph Bohn zufrieden gewesen sein. Sabine Christiansen habe ihm „sehr gut gefallen“. „Sie war sehr diszipliniert. Vielleicht wird aus ihr ja noch mal eine große Schauspielerin.“ Eines steht fest: Im Vergleich mit Berti Vogts schneidet die Moderatorin besser ab. Sie brachte gleich noch Rezzo Schlauch und Laurenz Meyer mit. Die brauchten auch kein Drehbuch zu lesen.

„Tatort“, ARD, 20 Uhr 15

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