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Obamas Amtseinführung: Mit roten Bäckchen

Omen und Hymnen: Das Deutsch-TV begleitet Barack Obama mit viel Pathos und Begeisterung ins Amt.

Nimmt man den „Urbi et Orbi“-Segen vom Papst, das Endspiel einer Fußball-WM und die Trauerfeier zu Lady Di zusammen, dann, aber nur dann kommt man auf die emotionale Flughöhe der Vereidigung von Barack Obama zum 44. Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika. Wann immer ein deutscher Fernsehreporter, insbesondere der öffentlich-rechtlichen Stationen, während der Übertragung aus Washington den Mund aufmachte, quoll Euphorie in die Mikrofone. Dennenesch Zoudé hatte sich für das ZDF mitten ins Volk gestellt, spürte eine Woge der Begeisterung nach der anderen über das Land und sich hereinbrechen. Der Zuschauer musste fürchten, dass Frau Zoudé, schließlich mit einer Obama-Basecap über den Ohren, hyperventilierte. Gott sei Dank war da Barack Obama ins Amt eingeführt.

Die Deutschen, sicherlich die treusten Fans des ersten afroamerikanischen US-Präsidenten, wollten und wollen sich in ihrer Begeisterung und Hingabe von niemandem übertreffen lassen. Tom Buhrow im Ersten erkannte im blauen Himmel ein Omen und war ganz besorgt, als die US-Börse nach Obamas Rede ins Minus ging.

Nur Distanz ging aber wirklich nicht an diesem 20. Januar 2009. War schon ergreifend, als Obama seine Hand auf eine Lincoln-Bibel legte, das Millionenpublikum in der US-Kapitale, die ganze Szenerie vor Ergriffenheit bebte, die Hymne brauste – da, ja, da war es zum Weinen schön. Ein bisschen lustig war es auch, denn die Protokollstimme auf der Tribüne des Capitols erinnerte in ihrem Tonfall verdammt an den RTL-Amerikaner Michael Buffer vor den großen Box-Fights. Er war es aber nicht, wie eine sorgfältige Recherche ergab.

Die Bilder des amerikanischen Fernsehens glichen sich auf fast allen Kanälen. Unterschiede nur in der Begleitung, der Kommentierung. Die Heerscharen der Mitarbeiter von ARD und ZDF schwankten zwischen Reiseführer, Geschichtslehrer und Teenager-TV, während die Nachrichtensender relativ nüchtern zu Werke gingen. Trotzdem war es ungehörig, dass bei n-tv Obamas Rede bereits lang und breit ausgedeutet wurde, während die Zeremonie noch lief. Schon richtig, die (deutschen) Medien müssen von ihrem Barack Obama-Trip wieder herunterkommen, das Ignorieren der Dichterin Elizabeth Alexander war Ignoranz.

Am 23. Mai dieses Jahres wird im Deutschen Bundestag Horst Köhler nach Lage der Dinge als deutscher Bundespräsident wiedergewählt. Das wird wieder so eine stocknüchterne Veranstaltung. Es wird kein Rockkonzert, keine Parade geben, keine zwei Millionen Menschen vor dem Parlament; allenfalls 20 versprengte Berlin-Touristen werden für Horst Köhler Spalier stehen. Das wird wahrlich kein Fernsehereignis, wie es die Obama-Vereidigung eins war. Wir haben einen Papst, aber der regiert in Rom, wir haben unseren Obama, der regiert in Washington. Unsere Demokratie ist bilderfeindlich, pathosresistent, knochentrocken. Gut so, nein, besser so, weil alles andere immer schiefgegangen ist. Joachim Huber

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