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Die Chefs von ARD und ZDF, Karola Wille und Thomas Bellut, müssen die Ministerpräsidenten der Länder von ihren Vorschlägen für eine Strukturreform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks überzeugen.

© Jörg Carstensen/dpa

Öffentlich-rechtliche Strukturreform: ARD und ZDF vor schwierigen Tagen

Am Donnerstag und Freitag findet in Saarbrücken die entscheidende Sitzung über die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks statt. Eine Lösung aller offenen Fragen scheint unwahrscheinlich.

Die Forderung von Sachsen-Anhalts Medienminister Rainer Robra (CDU) von Dienstag nach einer Konzentration der ARD auf das Regionale und eine Abschaffung der „Tagesschau“ war eine Steilvorlage für die am gleichen Abend stattfindende Podiumsdiskussion „Berliner Mediendiskurse“, die von der Medienanstalt Berlin-Brandenburg und der Berliner Senatskanzlei veranstaltet wurde. Bereits am Dienstagvormittag hatte Senatskanzleichef Björn Böhning (SPD) den Ideen eine Absage erteilt. In der jetzigen Diskussion um eine Strukturreform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sei es wenig hilfreich, solche Drohkulissen aufzubauen, fügte er am Abend bei der Podiumsdiskussion hinzu.

Rainer Robra gehört dem Fernsehrat des ZDF an. Dessen Intendant Thomas Bellut hält Robras Vorschlag, nach dem das Zweite Deutsche Fernsehen als alleiniger nationaler öffentlich-rechtlicher Sender übrig bliebe, nicht für den richtigen Weg. „Ich bin klar für Vielfalt“, betonte Bellut in der Diskussionsveranstaltung im Roten Rathaus. Die Konkurrenz von ARD und ZDF habe sich nicht zuletzt im Bundestagswahlkampf bewährt. 80 Prozent der Nachrichten dazu seien über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk gelaufen.

"Wir sind uns der Verantwortung bewusst."

Patricia Schlesinger, die Intendantin des Rundfunks Berlin-Brandenburg, sprach sich ebenfalls dagegen aus, „in Zeiten eines erhöhten Informationsbedürfnisses“ und von Fake News und Info-Blasen ein System abzuschaffen, das danach unwiderruflich verloren geht. Gerade der öffentlich-rechtliche Rundfunk genieße eine hohe Glaubwürdigkeit, die „Tagesschau“ werde täglich von über zehn Millionen Zuschauern eingeschaltet. „Das ist ein starke Meinungsmacht, und wir sind uns der Verantwortung bewusst, aber ich glaube nicht, dass man ernsthaft als Politik dahergehen sollte und sagen ,Das streichen wir mal‘ “, sagte Schlesinger.

Claus Grewenig, der Leiter Medienpolitik beim Kölner Privatsender RTL, hält allerdings gar nichts davon, reflexhaft jede neu entstehende Diskussion sofort im Keim zu ersticken. Auch bei Vorschlägen wie aus Sachsen-Anhalt sollte man sich die Zeit zum Nachdenken nehmen und um die Ideen breiter zu diskutieren, forderte er. Vor allem aber wandte sich Grewenig gegen die Kritik von ZDF-Intendant Bellut, im Wahlkampf hätten die Privatsender zu wenig informiert. „Der private Teil des dualen Systems wird von den Öffentlich-Rechtlichen deutlich unter Wert dargestellt. Es braucht eine faire Beurteilung“, sagte Grewenig und erinnerte an RTL-Sendungen wie die „Wahlarena“. Das sei eine andere Art, solche Themen zu erzählen, als über einen Talk, dennoch sollten ARD und ZDF und die Politik dies registrieren.

Björn Böhning brachte einen anderen Vorschlag ins Spiel: Mit der Gründung eines öffentlich-rechtlichen Nachrichtenkanals möchte er den Informationsauftrag von ARD und ZDF stärken. Nicht als zusätzlichen Sender, sondern anstelle bestehender Kanäle wie Tagesschau24, ZDFinfo oder Phoenix.

Einsparvolumen von 1,3 Milliarden Euro

Dass die von ARD, ZDF und Deutschlandradio eingebrachten Vorschläge für eine öffentlich-rechtliche Strukturreform in Verwaltung, Betrieb und Technik von den Ministerpräsidenten in ihrer Sitzung am Donnerstag und Freitag in Saarbrücken als ausreichend akzeptiert werden, ist indes zweifelhaft. Auf dem Tisch liegen Vorschläge für ein Einsparvolumen von 1,3 Milliarden Euro. „Wir erwarten weitergehende Schritte, wie sie auch die Kommunen getan haben“, sagte dazu Berlins Senatskanzleichef.

Doch es geht nicht nur ums Sparen. Auch über eine Lockerung der Regeln für ARD und ZDF im Internet wird verhandelt. Die Sender möchten die Verweildauer von Beiträgen in den Mediatheken erhöhen. Dagegen steht die Sorge, dass sich die kostenlosen öffentlich-rechtlichen Angebote nachteilig unter anderem auf die Apps der kommerziellen Konkurrenz und von Zeitungsverlagen auswirken.

Eine Änderung des Telemediengesetzes wird demnach länger brauchen. Noch gebe es nicht gelöste Probleme bei den Themen Presseähnlichkeit und der Vergütung von Produzenten, gab Böhning eine Wasserstandsmeldung ab. Für eine Podiumsdiskussion wie diese ist es äußerst hilfreich, wenn die Diskutanten so nah an den Verhandlungen sind wie Thomas Bellut, Patricia Schlesinger und Björn Böhning. Kurt Sagatz

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