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Medien: Österreichs Medien: Wiener Melange

Mit dem Gedächtnis ist es in Wien so eine Sache: An die große rosige Vergangenheit, an die Zeiten des Habsburger-Weltreichs von Sissy und Franz Josef - ja, daran erinnern sich die Österreicher gerne. Je kürzer die Ereignisse aber zurückliegen, desto schwieriger wird es.

Mit dem Gedächtnis ist es in Wien so eine Sache: An die große rosige Vergangenheit, an die Zeiten des Habsburger-Weltreichs von Sissy und Franz Josef - ja, daran erinnern sich die Österreicher gerne. Je kürzer die Ereignisse aber zurückliegen, desto schwieriger wird es. Der vergangene Dienstag zum Beispiel. Angeblich trafen sich da zur Mittagszeit im Büro der Vizekanzlerin Susanne Riess-Passer drei mächtige Menschen: Riess-Passer selbst, der freiheitliche Fraktionsvorsitzende im Wiener Parlament, Peter Westenthaler und Wolfgang Fellner, Chefredakteur, Herausgeber und Mitbesitzer der News-Gruppe. Kaum bekamen die österreichischen Medien Wind von diesem Tête-à-tête, schon war es mit dem Erinnerungsvermögen vorbei: Fellner konnte sich an den Termin ebensowenig erinnern wie Westenthaler, nur Riess-Passers Mitarbeiter bestätigten, dass da etwas war.

Verwirrend, ja, aber wenn es dieses Treffen tatsächlich gegeben haben sollte, dann war es von entscheidender Bedeutung - denn nur einen Tag später wurde in Wien die größte Zeitschriftenfusion der Alpenrepublik rechtskräftig. Die bisher konkurrierenden Nachrichtenmagazine "Profil" und das zur News-Gruppe gehörende "Format" werden in Zukunft gemeinsame Sache machen. Formal bleibt die "Profil"-Redaktion zwar unabhängig, wirtschaftlich wird das Blatt aber in Zukunft von Fellners News-Gruppe gesteuert. Fellner hatte vor fast drei Jahren 75 Prozent seines Konzerns an Gruner + Jahr verkauft.

Durch diese Fusion ist in Österreich in Zukunft fast die gesamte Medienlandschaft miteinander verbandelt. Denn zur News-Gruppe gehören neben "Format" auch die Fernsehzeitschrift "TV-Media", die Internet-Postille "E-Media" und die auflagenstarke Nachrichten-Illu "News". "Profil" wurde bisher vom "Kurier"-Konzern gesteuert. Der "Kurier" ist Österreichs zweitgrößte Tageszeitung, die wirtschaftlich mit der "Kronen Zeitung" - dem Platzhirschen im Lande - kooperiert. Der "Kurier" wird Minderheitseigentümer an der neuen Gesellschaft.

Nun ist also ein Mediengigant entstanden, an dem in Wien kaum noch vorbei zu regieren ist. Dementsprechend hofften viele Österreicher insgeheim, dass die Fusion in letzter Minute vom Kartellgericht abgelehnt wird. Wurde sie aber nicht, im Gegenteil. Dabei ist das Urteil des Kartellgerichts ein einziger Widerspruch in sich. Auf Dutzenden von Seiten werden die Gefahren des Zusammenschlusses aufgelistet und die "äußerst bedrohliche Beherrschung des Lesermarktes" beklagt. Dann aber, in verblüffender Wendung, erlaubte das Gericht die Fusion doch - unter genau den Auflagen, die es noch wenige Absätze zuvor als praktisch unwirksam dargestellt hatte. Das Urteil schrie geradezu nach einer Klärung in höherer Instanz. Diese hätte nur auf Antrag der Regierung erfolgen können. Und tatsächlich kündigte der von der FPÖ nominierte Justizminister Dieter Böhmdorfer einen Einspruch gegen die Fusion an. Doch als am Mittwoch die Einspruchsfrist ablief, war von Böhmdorfer nichts mehr zu hören. Kein Veto, die Fusion wurde rechtskräftig.

In Wien wird nun spekuliert, ob es möglicherweise einen Deal zwischen dem neuen Konzern und der FPÖ gegeben hat. Eine Vereinbarung, die eventuell bei dem dubiosen Treffen am Faschingsdienstag ausgehandelt wurde. Denn sowohl die News-Gruppe als auch "Profil" galten in die vergangenen Jahre als extrem FPÖ-kritisch. Immer wieder kam es zu gegenseitigen Verbalattacken, die oft auch vor dem Richter endeten. Möglich, dass sich die FPÖ für ihre Zusage zur Fusion eine freundlichere, in FPÖ-Diktion "fairere" Berichterstattung zusichern ließ. Schließlich wird in der Bundeshauptstadt Wien am 25. März ein neues Regionalparlament gewählt. Und schließlich sitzen in der Bundesregierung einige freiheitliche Minister, die bislang durch nicht gerade geglückte Aktionen glänzten.

Ein inoffizieller Deal würde jedenfalls dem entsprechen, was man in Österreich bisher schon von der "freien" Presse gehalten hat. Da die meisten Medien im Lande nur mit staatlicher Förderung überleben konnten, blieben sie immer abhängig von den Regierenden. "Die Hand, die einen füttert, soll man nicht beißen", sagte Jörg Haider unlängst, als es um die Aufteilung der Gelder ging. Neulich zeigte auch der Bundespräsident Thomas Klestil, was er von der Presse hält: Er gewährte einem Journalisten ein Interview. Damit der aber nur das fragen konnte, was Klestil wollte, überreichte ihm der Präsident eine "Punktation" - eine komplette Liste vorgefertigter Fragen und Antworten: ein Interview des Bundespräsidenten mit sich selbst.

Bezeichnend ist, wie wenig Protest sich in Österreich gegen die Elefantenhochzeit regt. Die betroffenen Medien schweigen. Die anderen Zeitungen protestieren natürlich, aber sie sind zu klein, um Stimmung zu machen. Bleiben die Intellektuellen. Theoretisch. Aber entweder haben sie vor "Krone" und "News" resigniert, oder sie haben andere Projekte - wie etwa der sonst so wortrührige Schriftsteller Robert Menasse. Er arbeitet zur Zeit an einer Auslandsversicherung für österreichische Künstler.

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