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Medien: „Oh, jetzt ist es aber bald vorbei“

Bevor der Schauspieler Christian Ulmen 30 wird, räsoniert er über seine Comedy „Mein neuer Freund“

Eine typische Berliner Kneipe, Ecke Prenzlauer Allee. Drei Gestalten trinken Bier, morgens um elf, rauchen Zigaretten. Man wartet auf Christian Ulmen, den 29jährigen Schauspieler und Moderator, bekannt als TV-Anarcho, weil er, oft verkleidet, Leute auf der Straße veralberte. In der Comedy „Mein neuer Freund“ (Pro7, 21 Uhr 15) schlüpft Ulmen wieder in verschiedene Rollen und macht, gut verkleidet, Menschen das Leben zur Hölle. Zum Interview kommt Ulmen zu spät.

Wo sind wir hier überhaupt?

Im „Grelleck“. Ich wohne um die Ecke.

Ungewöhnlicher Ort für ein Schauspieler-Interview. Ich wollte schon einen Gast ansprechen. Ich dachte, das wären Sie.

Danke fürs Kompliment. Sie haben mich mit Knut Hansen verwechselt, eine Rolle, in die ich in meiner neuen TV-Comedy schlüpfe. In ein schickes Szenecafé würde der auch nicht reinpassen.

Ein ungepflegt aussehender, langhaariger…

...erfolgloser Alleinunterhalter, der sich selbst für unwiderstehlich hält: witzig, charmant, originell. Für diese Rolle habe ich mich tagelang nicht geduscht und mit Knoblauch eingerieben. Eine Frau kriegt 10000 Euro, wenn sie es ein Wochenende mit dem Mann aushält, mit einem bekloppten Fremden, den man vor der eigenen Familie für den neuen besten Freund ausgeben muss.

Das Konzept erinnert an den peinlichen dicken Verlobten von Sat1.

Finden Sie? Ich habe davon erst mitbekommen, als wir schon fast fertig gedreht hatten. „Mein neuer Freund“ ist besser, eine Seifenoper mit neuen Mitteln. Eine raffinierte Mischung aus Fiktion und Realität. Das britische Original hat die „Goldene Rose“ bekommen.

Aber irgendwie dachte man, mit diesem Leute-auf-die-Nerven-gehen wäre Schluss, nachdem Sie 2003 bei MTV aufgehört hatten.

Ich war nur des Moderierens müde. Als ich dann „Herr Lehmann“ drehte, habe ich immer mehr Gefallen daran gefunden, als nicht ich selbst vor die Kamera zu treten, als andere Figur. Eigentlich waren auch meine frechen Moderationen bei MTV immer nur eine Rolle. Das ist Schauspiel. Kein Moderator ist zu Hause so, wie vor der Kamera. Ich jedenfalls nicht.

Das wird die Leute auf der Straße nicht interessieren.

Ich fand das immer schwierig, wenn die denken, dass ich privat genauso bin wie bei „Unter Ulmen“: ständig Schabernack treiben oder so. Das hat mich anfangs bei MTV schon unter Druck gesetzt.

Nach MTV hat man lange nichts von Ihnen gehört, außer im Kino. Haben Sie gezögert, was bei Pro7 zu machen? Charlotte Roche hatte der Wechsel vom Musikkanal zu einem großen Sender nicht so gut getan.

Die Sendung ist ja ein Experiment, zunächst nur auf eine Staffel angelegt, keine Fortsetzung geplant. Von daher sind die Quoten für mich irrelevant.

Haben Sie eigentlich nie Angst bei diesem Arbeiten mit versteckten Kameras, dass mal jemand zuschlägt?

Ich nehme ja nie jemanden hoch, sondern konfrontiere ihn mit einer ausgedachten Gestalt, um zu gucken, was passiert. Trotzdem ist das jetzt fast passiert, in einer diesen Rollen als neuer Freund, als „Alexander von Eich“, ein arroganter Großgrundbesitzer, der auf ein politisch-korrektes Mädchen trifft und mit 50-Euro-Scheinen um sich wirft….

Ihre Lieblingsfigur?

…ja, denn der hat aber so wirklich überhaupt nichts mit mir zu tun. Dieser von Eich macht der Freundin des Mädchens jedenfalls ein eindeutiges Angebot. Ob sie sich vorstellen könne, mit ihm zu schlafen. Der Freund hätte mir beinahe eine geschmiert. Bei „Unter Ulmen“ habe ich zwei Mal was aufs Maul gekriegt.

Das will man ja auch nicht fürs Leben. Nach MTV dachte man, der Ulmen dreht jetzt Kinofilme wie „Herr Lehmann“, „Verschwende deine Jugend“ und mit Doris Dörrie, „Der Fischer und seine Frau“. Ulmen wird 30 und ernsthaft.

Ich war immer ernsthaft. Ich bin kein Karriereplaner. Alles, was mir bisher passiert ist, ist passiert, weil ich Lust auf die jeweiligen Projekte hatte. Außerdem, ob nun Einspieler mit der versteckten Kamera oder Rolle bei Doris Dörrie: Ich nehme das alles gleichermaßen ernst.

Das scheinen auch die Regisseure zu so sehen. Oskar Roehler würde sie gerne in der Verfilmung von „Elementarteilchen“ haben.

Das wäre ein spannendes Projekt, eine dunkel-abgründige Gestalt. Ich habe Lust, als jemand anderes aufzutreten.

Zurück zu Ihrem Image als TV-Anarcho. Wolfgang Neuss hat mal sinngemäß gesagt, nur ein subversiver Mensch ist ein moralischer Mensch.

Guter Satz. Ich hab nie verstehen können, wieso mir immer mangelnde Moral vorgeworfen wurde. Dass ich Leute vor der Kamera gezielt bloßstelle – das habe ich nie so empfunden, weil das auch nie meine Motivation war. Diese Moraldebatte hat mich immer geärgert.

Sind Sie ein moralischer Mensch? Haben Sie zum Beispiel für die Opfer der Flutkatastrophe gespendet?

Ja.

Sie werden dieses Jahr 30.

Wie Herr Lehmann, ja. Ich mach’ mir schon so meine Gedanken: Oh, jetzt ist es aber bald vorbei. Ich hab’ mich erst mal gegen alles versichern lassen, was es gibt. Hausrat, Erste-Klasse-Krankenhaus, Leben, Alter. Und geheiratet.

Das Interview führte Markus Ehrenberg.

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