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Online-Casting: Ich bin Paula!

Krimi 2.0: Unter Einbindung sozialer Netzwerke versuchen Schauspieler, auf sich aufmerksam zu machen.

Was macht einen guten Fernsehfilm aus, sagen wir, beispielsweise, einen Krimi? Die Geschichte, die Figuren, die Besetzung, die Regie? Über all das zerbrechen sich Autoren, Produktionsfirmen, Redakteure in den Fernsehsendern und manchmal auch Schauspieler die Köpfe. Aus einem Prozent Inspiration und 99 Prozent Transpiration bestehe das Genie, hat Thomas Edison mal gesagt. Dieser Satz gilt vielleicht auch für einen guten Film, und irgendwann landet man bei dem Versuch, diese kompakte Ideenproduktion zum größten Teil mal demjenigen zu überlassen, der zumindest zahlenmäßig nicht zu übertreffen ist: der Internet-Community.

So geschieht es derzeit bei „Krimi 2.0“ – dem ersten Kriminalfilm, der ausschließlich über das Web realisiert werden soll. „Ich möchte beweisen, dass das Internet kein Hort des Bösen ist, sondern im Gegenteil ein riesengroßer, kreativer Raum voller Gehirne, die gemeinsam Gutes tun können“, sagt Michael Jäger, der Münchner Projektmacher, vielen Fernsehzuschauern vor allem aus der ARD-Serie „Marienhof“ in der Rolle des Lehrers Matthias Kruse bekannt.

Projekt und Durchführung, vor allem die Beteiligung der potenziellen Zuschauer, habe es in dieser Form weltweit noch nicht gegeben, so Jäger. Geschichte, Handlung, Figuren, Besetzung – über all das soll von den Zuschauern auf der Internetseite www.krimi2null.de entschieden werden. Die User können Vorschläge machen, abstimmen und damit am Ende den Krimi kreieren, den sie bisher im Fernsehen vermisst haben. Die Autoren nehmen die Vorschläge der Internetnutzer für das Drehbuch auf. Und in diesen Tagen wird darüber abgestimmt, welche professionellen Schauspieler die Hauptrollen erhalten. „Es gab insgesamt 20 Bewerber, die den Vorgaben entsprechende Bewerbungen abgeliefert haben und den Mut zeigen, sich einem Online-Casting zu stellen“, sagt Jäger.

Eine von ihnen ist Evi Puji Rejeki Riecken, 34, aus Berlin. Sie lebt seit acht Jahren im Prenzlauer Berg, was für jungen Schauspieler in der Hauptstadt keine allzu große Überraschung ist. Mit der Schauspielerei hat die in Indonesien geborene und in Schleswig-Holstein aufgewachsene junge Frau via „Winnetou“ bei den Karl-May-Festspielen in Bad Segeberg begonnen. Danach ein Kurzeinsatz in einem RTL-Film. Demnächst spielt sie die Hauptrolle in „Amazon Force 2“ unter der Regie vom Filmschüler Andreas Eisele. Die Rolle hat sie auch über ein Online-Casting bekommen.

Ist das wirklich ein neuer Trend in der Schauspielszene, in der Filmbranche? Zum einen: Es gibt ein „Talent Casting“ bei Deutschlands größtem Film- und Fernsehproduzenten Ufa, wo online Bewerbungsvideos angesehen und kostenlos eigene Sedcards angelegt werden können. Und als erste deutsche Produktionsfirma hat Dreamtool Entertainment kürzlich die Hauptrollen des TV-Movies „Kung Fu Mama – Agentin mit Kids“ ausschließlich über Onlinecasting besetzt.

Die großen Player sind skeptisch. „Als professionell arbeitendes Produktionsunternehmen kommt Internet-Casting für uns nicht infrage“, sagt Rainer Wemcken, Geschäftsführer von Grundy Ufa, der für den Marktführer unter den deutschen Soaps, die RTL-Serie „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“, altbekannte Wege geht. „Die Besetzung ist in unseren Serien und Movies neben den Büchern das wichtigste Element, sie entscheidet über Erfolg oder Misserfolg. Für Castings nehmen wir uns immer besonders viel Zeit, arbeiten dann mehrere Stunden mit den Schauspielern zusammen, um die richtige Entscheidung zu fällen, wer die passende Besetzung ist.“ Das sei oft ein langer und schwieriger Prozess, der viel mit der Ausstrahlung eines Menschen zu tun habe. „Das können wir nur in persönlichen Gesprächen erfahren.“

Auf diese Gespräche können Evi Puji Rejeki Riecken und ihre vier Mitbewerberinnen, die sich Hoffnungen auf die Rolle einer gewissen „Paula Pospichil“ im „Krimi 2.0“ machen, erst mal verzichten. Sie haben ihr Bewerbungsvideo auf Youtube oder Facebook gestellt und warten seit Wochen gespannt auf Zustimmung. Für Schauspieler ihrer Generation, sagt Riecken, seien solche Projekte ein neuer und unkonventioneller Weg, um an eine Rolle zu kommen. „Es wird kein Schauspieler um das Thema Online-Casting herumkommen, es sei denn, man hat schon einen großen Namen.“

Ob die Berlinerin die Chance bekommt, sich demnächst einen größeren Namen zu erspielen, wird sich am Freitagmittag herausstellen. Dann wird das letzte Voting für „Krimi 2.0“ im Internet bekannt gegeben. Zunächst nur online, versteht sich. Drehstart soll Mitte Oktober sein, gedreht wird rund um den Schliersee. Regie führt Alexander Wiedl, der mit Uwe Ochsenknecht gedreht hat. Für das Budget von rund 1,5 Millionen Euro stünden Sponsoren bereit, so Jäger. Filmpremiere ist für März 2011 geplant, in einem Münchner Kino. Danach soll „Krimi 2.0“ im Internet als Streaming-Video zum Abruf bereitstehen, vermutlich für rund einen Euro.

Einen Deutschen Fernsehpreis gewinnt man mit diesem Krimi wohl eher nicht. Aber immerhin: Für ein Jahr sollen sämtliche Einnahmen aus dem Filmverleih über Streaming- und Video-on-Demand-Plattformen an eine wohltätige Organisation fließen.

www.krimi2null.de

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