zum Hauptinhalt
Der Wahrheit auf der Spur? Wikileaks nennt seinen neuesten Streich "Plus D"

© promo

Online-Enthüller: Radikale Bibliothekare

Während Julian Assange immer noch in London ausharrt, wandelt sich Wikileaks zum Recherchetool. Die WAZ bleibt trotz Angriffen aus dem Verteidigungsministerium bei ihren Afghanistandokumenten standhaft.

Lange war es still gewesen um die Netzkämpfer für Transparenz, doch in den letzten Tagen sind sowohl in Deutschland als auch international neue Entwicklungen zu verzeichnen. Ende 2012 hatte die WAZ über ihre Onlineplattform derwesten-recherche.org Dokumente über den Afghanistaneinsatz der Bundeswehr ins Netz gestellt. Dabei handelt es sich um Papiere der niedrigsten Geheimhaltungsstufe – die das Verteidigungsministerium nun gelöscht haben will.

Die Dokumente enthüllen nach bisherigen Erkenntnissen keine Geheimnisse. Sie zeichnen jedoch ein düsteres Bild vom Kämpfen und Sterben in einem als „Friedensmission“ deklarierten Einsatz. Die WAZ will sich dem Druck nicht beugen und bezeichnet den Versuch des Ministeriums, die Papiere mit dem Hinweis auf das Urheberrecht löschen zu lassen, als „Missbrauch eines Rechts“. Ohnehin erscheint die Idee, seit Monaten im Netz vorhandene Dokumente „löschen“ zu lassen, einigermaßen skurril. So ruft die WAZ denn auch ihre freiwilligen Mithelfer bei der Auswertung zu Ungehorsam auf: „Wir würden uns nun freuen, wenn möglichst viele Menschen die Dokumente runterladen und auf ihren eigenen Seiten verbreiten, damit sie der Öffentlichkeit weiter zur Verfügung stehen.“

Die Papiere werden wöchentlich vom Verteidigungsministerium erstellt, um Abgeordnete im Verteidigungsausschuss des Bundestages zu informieren. Versuche der WAZ, Einsicht in die Dokumente auf Basis des Informationsfreiheitsgesetzes zu bekommen, waren vor der Veröffentlichung gescheitert.

Derweil wagt sich Wikileaks, die angeschlagene Mutter aller Enthüllungsplattformen, mit der Veröffentlichung von 1,7 Millionen neuen US-Depeschen wieder aus der Deckung. Die Dokumente stammen aus den Jahren 1973 bis 76 und werden nach dem damaligen US-Außenminister als „Kissinger Cables“ bezeichnet. Anders als bei vorherigen Veröffentlichungen handelt es sich jedoch nicht um Geheimdokumente. Wikileaks hat auf öffentliche Archive zurückgegriffen und die größtenteils im PDF-Format verfügbaren Dokumente in eine durchsuchbare Form umgewandelt. Somit entstand nach Aussage von Wikileaks eine „öffentliche Datenbank der US-Diplomatie“.

Da es sich nicht um eine Enthüllung, sondern eher um ein Recherchetool für Journalisten und Politikinteressierte mit viel Zeit handelt, markiert das Projekt möglicherweise einen Wendepunkt in der Strategie der Aufklärer. Das US-Magazin „Forbes“ hat die Aktivisten um den umstrittenen Julian Assange deshalb spöttisch als „radikale Bibliothekare“ bezeichnet. Assange selbst sitzt immer noch in der Botschaft Ecuadors in London fest.

Inhaltlich sind die „Kissinger Cables“ noch nicht zu bewerten. Unter den ersten diskutierten Themen ist eine Beteiligung des ehemaligen Vatikandiplomaten Giovanni Benelli an dem blutigen Militärputsch gegen die demokratische Regierung des chilenischen Präsidenten Salvador Allende im Jahr 1973. Die zuletzt von einem Journalistennetzwerk ausgewerteten Firmenunterlagen zu Steueroasen („Offshore-Leaks“) scheinen da doch deutlich brisanter.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false