zum Hauptinhalt
Der Pinguin ist das Maskottchen der Linux-Fans.

© p-a

Ortstermin: Der Pinguin ist erwachsen geworden

Unser Autor besucht den 18. Linuxtag in Berlin und stellt fest, dass die alten Erzfeinde von Microsoft inzwischen ziemlich erwachsen geworden sind.

Schwarze T-Shirts, schwarze Kappen, das Pinguin-Maskottchen. Das Klischee vom Linux-Fan ist so falsch nicht. Anders als manche Piraten halten die Technikrevolutionäre wenig von Latzhosen und Kopftüchern. Dennoch sind sie auch Digital Natives. Die Piraten kennen kein Leben ohne Internet, die Linuxianer wurden mit Computern sozialisiert. Von Mittwoch bis Samstag kamen in Berlin 10 000 Fans zum alljährlichen Treffen zusammen. Immerhin zum 18. Mal fand der Linuxtag statt, die letzten sechs Mal in der Bundeshauptstadt.

Die Technikrevolutionäre rund um das von dem Finnen Linus Torvalds entwickelte alternative Betriebssystem Linux und die Freie-Software-Bewegung sind volljährig geworden. Und sind – ähnlich wie die Piraten – in den Strukturen angekommen: Die Bundestagsserver laufen seit über einem halben Jahrzehnt mit Linux, die Münchner Stadtverwaltung wird sukzessive auf Open Source umgestellt. Wenn es ein politisches Computersystem gibt, dann ist es Linux. An der Isar ist man stolz darauf, dass es die Linux-Einführung sogar zu einer Schlagzeile in „USA today“ gebracht hat. „Mit der Ankündigung, dass wir Windows 7 einführen, hätten wir das nicht geschafft“, sagte Peter Hofmann von Münchens Stadtverwaltung auf dem Linuxtag. Auch in den Behörden der Hauptstadt soll es künftig mehr Open-Source-Software geben, kündigte Andreas Statzkowski, Staatssekretär für das Innenressort, an.

Allerdings benötigte die Linux-Gemeinde geraume Zeit, um weit verbreitete Vorurteile aus dem Weg zu räumen. Open Source ist ebenso wenig ein Aufruf zu Freibier wie die Forderung der Piraten nach einem geänderten Umgang mit dem Urheberrecht. Auch für quelloffene Software existieren Lizenzmodelle, selbst wenn die nichtkommerzielle Nutzung zumeist frei ist. Während die Politrevolutionäre aus dem Piratenlager das allgemeinpolitische Mandat angestrebt haben, beschränken sich die Ziele der Linuxianer auf eine bessere Welt der Bits and Bytes. Vor allem wollen sie mitbestimmen, wie diese Welt aussehen soll, statt sich von Unternehmen wie Microsoft oder Apple abgeschottete Systeme vorsetzen zu lassen. „Linux gibt es für Jedermann“, sagt Ralf Voegtle von der Berliner Linux User Group (Belug). Das ist durchaus doppeldeutig gemeint: Zum einen ist das Betriebssystem längst kein System allein für Nerds. Zum anderen kann zwischen mehreren hundert verschiedenen Formen ausgewählt werden. Für so gut wie jeden Bedarf gibt es ein passendes Linux. Die Berliner Gruppe, die 1996 im studentischen Umfeld entstand, ist nicht auf eine bestimmte Variante festgelegt, auch in dieser Welt will man sich nicht in ein Schema pressen lassen. Wenn Fans an ihrem Computer etwas nicht gefällt, wollen sie es verändern können. Und sie wollen volle Kontrolle über ihr System und keinen Computer, der ungefragt „nach Hause telefoniert“, wie es Ralf Voegtle mit Blick auf einige Windows-Funktionen nennt.

Die dogmatischen Zeiten mit hitzigen Verbalattacken in Richtung des Erzfeindes Microsoft sind allerdings inzwischen vorbei. Selbst auf dem Linuxtag wird heute nicht mehr die vollständige Ablösung von Windows durch das Betriebssystem beschworen. Friedliche Koexistenz ist das Gebot der Zeit. Weil eben nicht jedes Programm oder PC-Spiel unter Linux läuft, ist der pragmatische Ausweg, Windows in einem abgegrenzten Bereich des Computer ebenfalls laufen zu lassen.

Die derzeit erfolgreichste Linux-Variante ist übrigens das vom südafrikanischen Milliardär Mark Shuttleworth und seinem Unternehmen Canonical unterstützte Ubuntu. Der Name stammt aus der afrikanischen Zulu-Sprache und bedeutet „Menschlichkeit“. Ubuntu-Linux soll dabei helfen den „digitalen Graben“ zu schließen. Ubuntu lässt sich genauso einfach nutzen wie Windows oder ein MacOS. Die neueste Version 12.04 mit der Benutzeroberfläche Unity erhitzt allerdings gerade die Gemüter der Linux-Freunde. Vielen Nutzern erscheint die Oberfläche inzwischen ähnlich abgeschlossen wie Windows.

Dabei steht die Linux-Gemeinde derzeit vor ganz anderen Herausforderungen, insbesondere dem Ende der PC-Ära. „Meine Freundin hat sich statt eines neuen Notebooks ein Tablet angeschafft“, erzählt Ubuntu-Nutzer Julius Bloch (ubuntuusers.de). Doch während Microsoft mit Windows 8 zum Sprung auf das Tablet ansetzt, läuft Linux auf den Flachcomputern gerade erst im experimentellen Stadium.

Am Samstag findet um 14 Uhr (Messe Berlin, Eingang Halle 7) der „Distro-Battle“ statt, bei dem unterschiedliche Linux-Varianten gegeneinander antreten.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false