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Auf der Spur der Verschwörung: Bei seinen Recherchen gerät der Journalist Peter Verås (Jon Øigarden) selbst in Lebensgefahr. Foto: ARD

© ARD Degeto/NRK Drama/Glenn Melin

Packender TV-Dreiteiler aus Norwegen: Immer der schnöde "Mammon"

Groß angelegte Verschwörungen, investigative Journalisten und eine IT-Expertin mit Paranoia: Der norwegische Dreiteiler „Mammon“ will an den Erfolg von Stieg Larssons „Millennium“-Trilogie anknüpfen.

Hektik in der Redaktion: Der Tageszeitung „Aftenavisen“ liegen Geheimdokumente zur Aufdeckung eines der größten Wirtschaftsskandale Norwegens vor. Der Stoff ist hochbrisant, die Quelle exklusiv und das Blatt der Konkurrenz zeitlich voraus, kurzum: die Story ist heiß. Politikleiter Frank Mathiesen will die Geschichte als Aufmacher auf den Titel der nächsten Ausgabe bringen, Redakteurin Inger Marie Steffensen hingegen hält die Quelle für nicht seriös, weil Journalist Peter Verås seinen Informanten nicht nennen will – auch nicht im engsten Kreise der Redaktion. An welche Standards muss sich Qualitätsjournalismus halten? Und ist die Wahrheit wichtiger als eine Geschichte, die hohe Verkaufszahlen verspricht? Mit diesen Fragen ist der Zuschauer von der ersten Szene an in „Mammon“, dem TV-Dreiteiler des norwegischen Drehbuchautors Gjermund Stenberg Eriksen konfrontiert, der zum Jahresbeginn im Ersten zu sehen ist.

Schließlich wird die Story abgedruckt. Danach ist im Leben des Zeitungsjournalisten Peter Verås nichts mehr wie es war. Eigentlich könnte er seine Arbeit um die Aufdeckung des Wirtschaftsskandals im Großunternehmen Hydro feiern. Als Folge seiner Recherchen tritt der Finanzchef der Firma zurück und soll als Drahtzieher des Wirtschaftsskandals zur Verantwortung gezogen werden. Doch bevor es dazu kommen kann, begeht dieser Selbstmord. Was der Zuschauer erst jetzt erfährt: Er war nicht nur der oberste Finanzverantwortliche des Konzerns, sondern auch Peters Bruder. Der Journalist hat seinen Bruder ausgeliefert – für die gute Story, aber auch um der Gerechtigkeit willen. Es gehe schließlich um richtig oder falsch, so Peter.

„Mammon“ ist eine Produktion des norwegischen öffentlich-rechtlichen Senders NRK, die zum ersten Mal im Januar 2014 im norwegischen Fernsehen ausgestrahlt wurde. In dem Dreiteiler setzt der norwegische Produzent Vegard Stenberg Eriksen die Drehbuchidee seines Bruders um. „Wenn man die emotional tief verwurzelten Ängste und Verdächtigungen anspricht, die Menschen bezüglich Medien und Macht haben, und das mit der Faszination für Rätsel, überraschende Wendungen und Nervenkitzel paart – dann hat man das, was den Suchtfaktor ausmacht“, sagt Drehbuchautor Gjermund Stenberg Eriksen. Ähnlichkeiten zu Stieg Larssons „Millennium“-Triologie um den schwedischen Journalisten Mikael Blomkvist und Hackerin Lisbeth Salander sind dabei jedoch unverkennbar.

Und über allem schwebt Stammvater Abraham

Besonders auffällig an der Miniserie sind die biblischen Anspielungen auf Abraham, den Stammvater der drei monotheistischen Weltreligionen. Der Serientitel „Mammon“ ist ein Begriff, der aus dem Matthäus- und Lukasvers im Neuen Testament stammt und als personifizierter Reichtum gedeutet werden kann und zugleich die wohl augenscheinlichste Verbindung zur Heiligen Schrift ist. Die Namen der Charaktere in der Miniserie tragen häufig biblische Namen wie Peter, Daniel und Eva. Bibelstellen werden innerhalb der Geschichte zu heimlichen Codes und doppeldeutigen Hinweisen. Auch Analogien zur Geschichte der Brüder Kain und Abel werden deutlich.

Das Besondere an dieser Serie ist, dass sie ohne klassisches Täter-Opfer-Schema auskommt. Die Charaktere sind komplex, es gibt keine einfachen Antworten. Auch am Ende der ersten Staffel sind noch nicht alle Geheimnisse gelüftet. Und so bleibt dem Zuschauer nichts anderes übrig, als gespannt auf die zweite Staffel zu warten. Diese wird derzeit von NRP produziert und im Januar 2016 in Norwegen ausgestrahlt. Die erste Staffel wurde bereits bei den Seoul International Drama Awards im September als beste Miniserie ausgezeichnet.

Nach den Zeitungsrecherchen ermittelt auch die norwegische Antikorruptionsbehörde Ökokrim den Fall. Hinter den Kulissen mischen mächtige Wirtschaftsbosse mit. Mysteriöse Spuren und weitere Selbstmorde lassen den Plot verstrickter werden. Plötzlich geht es auch um die Familiengeschichte der Verås. Handelt es sich nur um vermeintliche Unterschlagung oder steckt noch mehr dahinter? War Daniel Verås nur ein Opfer im großen Skandal? Hauptdarsteller Jon Øigarden, der den nach Gerechtigkeit strebenden Journalisten spielt, war bereits drei Folgen lang im norwegischen Serienerfolg „Lilyhammer“ zu sehen. Nun brilliert er in seiner Rolle als investigativer Journalist, der nur schwer Nähe zu anderen Menschen aufbauen kann.

Die skandinavischen Serienerfolge kamen bisher zumeist aus Dänemark und Schweden. Dänische Politserien wie „Borgen – Gefährliche Seilschaften“ und „Kommissarin Lund – Das Verbrechen“ sowie die dänisch-schwedische Produktion „Die Brücke – Transit in den Tod“ begeisterten die Serienfans.

Die Produktionen waren so erfolgreich, dass sie auch in anderen Ländern ausgestrahlt und dort teilweise für den nationalen Fernsehmarkt angepasst wurden wie bei „The Killing“ (Kommissarin Lund) und „The Bridge“ (Die Brücke) in den USA. Die erste international erfolgreiche norwegische Krimiserie war „Lilyhammer“, eine Kooperation des norwegischen Fernsehsenders NRK und des US-amerikanischen Streaming-Anbieters Netflix aus dem Jahr 2012.

Doch womit überzeugen die Werke aus Kopenhagen, Stockholm und Oslo? Experten rechnen die Krimierfolge aus dem Norden dem Genre des „Nordic Noir“ zu. Dabei handelt es sich um eine Tradition des skandinavischen Kriminalfilms seit den späten neunziger Jahren, markiert durch komplexe Persönlichkeiten und menschliche Abgründe, gepaart mit einer Prise Gesellschaftskritik. Das gilt auch für „Mammon“. „Eben nicht der perfekte Krimiheld, sondern eher ein komplexer und zerbrechlicher Mann mit einer Geschichte zu sein war mein Antrieb“, erklärt Hauptdarsteller Jon Øigarden und ergänzt: „Die Leute mögen heutzutage beides, helle und dunkle Schattierungen der Hauptfiguren, was die Schauspielerei interessanter macht als je zuvor.“

Die Quote lag in Norwegen bei 55 Prozent Sehbeteiligung

Das Konzept scheint aufzugehen. Im Durchschnitt schauten 1,3 Millionen Norweger die Serie, das entspricht einer Einschaltquote von 55 Prozent – noch nie schalteten mehr Menschen in Norwegen den Auftakt einer neuen Serie ein. Mittlerweile haben 19 Länder die Rechte an „Mammon“ erworben. Der US-amerikanische Sender 20th Century Fox TV kaufte die Rechte am Serienstoff sogar, bevor die Serie jemals ausgestrahlt wurde, und adaptiert derzeit das Format für den amerikanischen Markt. Das Erste zeigt die sechs Episoden der ersten Staffel an drei Tagen als deutsche Free-TV-Premiere.

„Mammon“, ARD, 1., 2, und 4. Januar, jeweils um 21 Uhr 45

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