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Udo Reiter.

© MDR/Martin Jehnichen

Passiert ist passiert?: Der Kika, ein SB-Laden

Der MDR-Intendant Udo Reiter will den Betrugsskandal von sieben Millionen Euro beim Kinderkanal "rückhaltlos" aufklären. Von personellen Konsequenzen an der Spitze von MDR und Kinderkanal redet er nicht.

Schnell, akribisch, rückhaltlos, so möchte MDR-Intendant Udo Reiter den Betrugsfall beim Kinderkanal (Kika) in Erfurt aufklären. Der MDR ist als federführender Sender für die Gemeinschaftseinrichtung von ARD und ZDF verantwortlich. „Es gibt keinen anderen Weg, als die Ursachen und Verantwortlichkeiten umfassend aufzudecken und dann die entsprechenden Konsequenzen zu ziehen“, sagte Reiter vor den Gremien seines Senders am Montag in Leipzig. Thüringens Medienstaatssekretär und Rundfunkratsmitglied Peter Zimmermann (parteilos) meinte nach der Sitzung: „Es war der Beginn der Aufklärung des größten Betrugsskandals in der Geschichte des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschlands.“ Er habe den Eindruck, dass Intendant Reiter und der MDR bislang damit offen und transparent umgingen und die Vorfälle lückenlos aufklären wollten.

Dem ehemaligen Kika-Herstellungsleiter wird vorgeworfen, er habe einer Berliner Produktionsfirma Geld für erfundene Dienstleistungen angewiesen. Gemeinsam sollen Marco K. und der Geschäftsführer der Berliner Firma so seit 2005 rund vier Millionen Euro abgezweigt und sich geteilt haben. Die Staatsanwaltschaft Erfurt ermittelt wegen Betrugs und Untreue gegen den ehemaligen Kika-Mitarbeiter. Der Mann, der am 7. Dezember verhaftet wurde, soll sich bislang nicht zu den Vorwürfen geäußert haben. Der MDR geht davon aus, dass dem Kika seit 2002 durch solche Betrugsfälle ein Schaden von insgesamt mehr als sieben Millionen Euro entstanden ist. Die Schäden, die vor 2005 entstanden, sind strafrechtlich nicht mehr relevant. Knapp 280 000 Euro soll der Herstellungsleiter über eine weitere Firma ebenfalls mithilfe von Scheinrechnungen abgezweigt haben.

Udo Reiter sagte, er fühle sich durch diesen Skandal auch persönlich betroffen: „Ein leitender Angestellter des Kinderkanals hat seine Schlüsselposition missbraucht, um Geld, das für das Kinderprogramm vorgesehen war, gezielt zur Seite zu schaffen.“ Dies stelle auch das Vertrauen der Gebührenzahler auf eine harte Probe.

Nach den Erkenntnissen des MDR waren zwei Dinge für die Betrügereien beim Kika entscheidend. Der beschuldigte Herstellungsleiter habe den Kinderkanal mit aufgebaut und die produktionstechnischen und kaufmännischen Prozesse auf sich zugeschnitten. Das Mehr-AugenPrinzip sei systematisch ausgehebelt worden. Diese „Schwachstelle“ in der Kika-Organisation sei schon beseitigt worden.

Udo Reiter kündigte an, dass der Sender Schadenersatz fordern und gegebenenfalls auch vor Gericht gehen werde. Der MDR teilte ferner mit, der Sender prüfe derzeit personal- und arbeitsrechtliche Maßnahmen bezüglich einzelner Mitarbeiter des Kika. Sie hätten Rechnungen als richtig gezeichnet, ohne zuvor die Leistung hinter diesen Scheinrechnungen zu prüfen. Ob der Herstellungsleiter seine Mitarbeiter dazu gedrängt habe, werde noch zu klären sein.

Der MDR-Verwaltungsrat erwartet, dass nach Vorlage des endgültigen Prüfberichts im März „ein Maßnahmenkatalog zur Vermeidung solcher Betrugsfälle“ vorgelegt wird. Das Gremium bekenne sich zum Kika am Standort Erfurt als öffentlich-rechtlichem Kernprogramm, „das durch kriminelle Handlungen eines Einzelnen nicht beschädigt werden darf“. Personelle Konsequenzen an der Spitze des Kika und/oder des MDR werden nicht gefordert. Joachim Huber

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