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Der Doktortitel auf der Fanseite von Karl-Theodor zu Guttenberg wurde entfernt. Mehr als 200.000 Anhänger sprechen sich gegen eine „Jagd“ auf den Minister aus.

© dpa

Plagiatsdebatte: Schwarm und Schwärmer

Alles im Netz: Das "GuttenPlag Wiki" entlarvt den Betrug mit der Doktorarbeit, Fans feiern den Verteidigungsminister auf Facebook.

Kein Wort der Genugtuung findet sich auf der Seite. Dabei haben die Betreiber von http://de.guttenplag.wikia.com wesentlich dazu beigetragen, dass Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) am Montagabend auf seinen Doktortitel verzichtet hat. Ganz sachlich zeigen sie im Pressespiegel auf ihrer Seite lediglich auf, welche Resonanz ihre Arbeit in den Medien findet.

Hunderte von Freiwilligen hatten auf „GuttenPlag Wiki“ in den vergangenen Tagen Plagiatsstellen aus Guttenbergs Doktorarbeit zusammengetragen. Crowdsourcing (auf Deutsch: Schwarmauslagerung) wird die kollaborative Zusammenarbeit im Netz genannt. Zwar gibt es den Begriff seit 2006,  doch „GuttenPlag Wiki“ bedeutet eine Zäsur, sagt der Medienökonom Robin Meyer-Lucht: „Das Mitmach-Recherche-Netz hat hier die Recherche-Leitmassenmedien überflügelt. Die Nutzer-Massen waren zu mehr imstande als das ,Spiegel‘-Archiv“. Während das Nachrichtenmagazin in seiner aktuellen Ausgabe 60 Plagiatsstellen benenne, hätten die „GuttenPlag Wiki“-Mitmacher über 300 gefunden – und das, obwohl die Seite erst vor einer Woche gestartet wurde.

Wer hinter „GuttenPlag Wiki“ steckt, ist nicht im Detail bekannt, die Initiatoren und Helfer wollen anonym bleiben. Der Sprecher gibt von sich lediglich preis, dass er Doktorand an einer deutschen Hochschule ist. Weil er weiter in der Wissenschaft tätig sein wolle und bei einer Nennung Nachteile fürchtet, solle sein Namen nicht bekannt werden, sagte er der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Vor allem aber sei „GuttenPlag Wiki“ kein Projekt einer Einzelperson, sondern das Werk einer breit angelegten Community. Viele der Mitglieder sind Doktoranden. Auch einige Juristen sollen darunter sein, wie Sprecher PlagDoc twitterte.

Die Seite funktioniert ähnlich wie die Online-Enzyklopädie Wikipedia. Sich beteiligen und Beiträge verfassen darf jeder, der zugelassen wird. Die einzelnen Schritte sind transparent, sie werden protokolliert und sind für jeden einsehbar. Dem Internet-Projekt „GuttenPlag Wiki“ gehe es nicht um persönliche Angriffe gegen Guttenberg, sondern um die Qualität der wissenschaftlichen Arbeit, sagte einer der Betreiber der dpa. „Wir wollen einfach sagen: So geht es nicht!“ Angesichts des Umfangs von Plagiaten in der Arbeit sei es einfach nicht akzeptabel, wenn dies selbst von Persönlichkeiten aus dem akademischen Bereich verharmlost werde.

Dass „GuttenPlag Wiki“ so viele Helfer mobilisieren konnte, liegt aber nicht nur an der Wut über Guttenbergs Vorgehen, sagt Meyer-Lucht. „Der Fokus auf eine überschaubare Aufgabe, der interne Zeitplan, bis Montag Ergebnisse zu veröffentlichen, und das Talent der Betreiber für Koordination, Moderation und Repräsentation sind wesentliche Punkte, weshalb das Projekt bisher funktioniert“.

Zwar würden Seiten wie „GuttenPlag Wiki“ zeigen, dass das journalistische Monopol auf Recherche weggefallen sei, doch werde die journalistische Arbeit durch Crowdsourcing keineswegs ersetzt, sagt Meyer-Lucht, der den Blog carta.info betreibt. „Seiten wie ,GuttenPlag‘ sind für Journalisten wichtige Quellen. Sie auszuwerten, zu bewerten und pointiert zu beschreiben, ist weiter Aufgabe der Journalisten.“ Meyer-Lucht ist überzeugt, dass kollaborative Prozesse wie „GuttenPlag Wiki“ mittelfristig eine zentrale Rolle für die Meinungbildung spielen werden. Er verweist auf die „Cognitive Surplus“-Theorie von Clay Shirky. Durch die technischen Voraussetzungen des Internets werde demnach die geistige Energie, bislang für passiven Medienkonsum genutzt, nun ins Netz zurückgespielt.

Nicht verwechselt werden darf „GuttenPlag Wiki“ mit der Seite guttenplag.de – schnell hat sich offenbar ein Unterstützer Guttenbergs die Domain gesichert, die mit einem Link auf die Facebook-Seite „Gegen die Jagd auf Karl-Theoder zu Guttenberg“ verweist. Sie hat am Dienstag die Marke von 200 000 Unterstützern überschritten, 500 000 sollen es bis Freitag sein, hofft Initiator Tobias Huch, Medienunternehmer aus Mainz und FDP-Mitglied. Er hatte die Seite am vergangenen Donnerstag aus Empörung darüber gegründet, dass die Plagiatsvorwürfe eine wichtigere Rolle in den Medien spielten als die erschossenen deutschen Soldaten in Afghanistan.

Dass die Facebook-Seite so großen Zuspruch findet, ist für Huch ein Beweis, dass die Öffentlichkeit Guttenberg anders wahrnehme als die Medien. Allerdings finden sich in dem sozialen Netzwerk auch zahlreiche Seiten, die sich über den Minister lustig machen wie die Seite „Dr. strg. c. Guttenberg“ oder „Karl-Theodor Xerox zu Googleberg-Guttenberg“. Auch auf Youtube kursieren Spott-Videos. Mehr als 90 000 Mal wurde hier der „Guttenberg-Song“ des Radiosenders ffn angeklickt, in dem das Prinzen-Lied „Alles nur geklaut“ mit neuem Text unterlegt wurde: „Mein Doktortitel ist versaut, da hilft mir nicht mal mehr der Kerner.“

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