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Medien: Plastikleichen pflastern seinen Weg

„Bunte Hunde“ und „Kanak Attack“: Lars Beckers Spezialität sind Krimis. Gerade dreht er in Berlin einen „Tatort“

Mittagspause. In einem Waldstück am Rande des Wannsees hängt der Schauspieler Dominic Raacke alias Kommissar Till Ritter tief in seinem Klappstuhl und sonnt sich. Gleich wird die Abschluss-Szene des Berliner „Tatorts“ gedreht. Die Folge „Dschungelbrüder“, die im Herbst zu sehen sein wird, führt die Kommissare Ritter und Felix Stark in eine Schwarzarbeiter-Szene.

Die Regie führt Lars Becker, ein Mann, der sich mit ungewöhnlichen Krimis einen Namen gemacht hat: sei es durch die Krimi-Groteske „Bunte Hunde“ (mit Til Schweiger), den Kinofilm „Kanak Attack“ oder „Rette deine Haut“, der von Korruption unter jungen Polizisten handelt. Jeder Film hat einen eigenen Stil. „Dschungelbrüder“ ist Beckers erster „Tatort“, und wie bei den meisten seiner Filme, führt er nicht nur Regie, sondern hat auch das Drehbuch geschrieben. Er mag Krimis besonders, „weil man in diesem Genre alles erzählen kann“, sagt er. Ein Becker-Film ohne Straftat? Er muss überlegen. „Nee, das gibt es nicht.“ Die Plastikleiche, die heute neben seinem Regiestuhl liegt, ist nur eine von vielen.

Die Atmosphäre am Set ist entspannt, was wohl auch daran liegt, dass Lars Becker zum Teil das Team mitgebracht hat: den Kameramann Benedict Neuenfels ebenso wie die Kostümbildnerin Fana Becker, die seine Ehefrau ist. „Wenn man sich kennt, ist das ein Vorteil für die Arbeit. Dann verlässt man sich stärker aufeinander“, sagt Lars Becker, 49, und streicht sich über seine kurzen, weißen Haare. Er ist nicht der laute Typ, wie der Schauspieler Armin Rohde, der derweil die ganze Crew unterhält.

Auch Armin Rohde gehört zur „Familie“. Bereits Ende März war er in Beckers Film „Nachtschicht - Amok!“ (ZDF) als Hauptkommissar Erichsen zu sehen. Gemeinsam mit drei weiteren Kommissaren, gespielt von Katharina Böhm, Ken Duken und Minh-Khai Phan-Thi arbeitet er in der Abteilung des Kriminaldauerdienstes. „Amok!“ war die erste Folge einer neuen vier- eventuell sechsteiligen Krimireihe. Noch ein Ermittler-Team mehr im deutschen Fernsehen. Es gebe davon zu viele, findet auch Lars Becker. „Vor allem, weil viele Kommissare austauschbar sind.“

Becker will anders sein. Nicht nur, was seine Geschichten angeht, sondern auch bei der Ästhetik. „Der Look sollte möglichst klar sein, farbig, aber nicht bunt und vor allem nicht austauschbar“, sagt er. „Halbe Treppe“ von Andreas Dresen habe ihm deshalb sehr gut gefallen, weil Dresen eine eigene Handschrift entwickelt habe. Nur wenige hätten das. Es erfordere Mut, gerade weil man schnell als Autorenfilmer, und damit als „zu speziell“ eingestuft werde.

Lars Becker ist froh, mit dem ZDF einen treuen Fan gefunden zu haben. So kann er an seinem Stil arbeiten. Etwa in „Rette deine Haut“ (2000), einem spannungsgeladenen Film mit einer Ästhetik, die er selbst „kühlschrankkalt“ nennt. Auf dem internationalen Fernsehfestival in Reims erhielt er dafür den Preis für den besten ausländischen Film.

Einen anderen Stil probierte er 1999 im Kinofilm „Kanak Attack“, der auf Feridun Zaimoglus Buch „Abschaum“ basiert. In 13 Episoden erzählt er das Leben von Ertan (Luke Piyes), einem in Kiel lebenden Türken und Gangster aus Leidenschaft. Es spielt sich das Immergleiche ab: Überfälle und Morde, Verhöre und Knaststrafen. Das inszeniert Becker mal im Zeitraffer, dann scratcht er wie ein DJ Bildsequenzen vor und zurück. Manche Kritiker sahen in „Kanak Attack“ etwas von „Pulp Fiction“, die anderen eine alberne Gangsterposse.

Der Berliner Tatort „Dschungelbrüder" ist ein typischer Becker-Film: Er porträtiert darin Milieus, und er spielt mit Klischees (Afrikaner arbeiten illegal in einer Putzkolonne) – um sie dann zu brechen. Denn es gibt da auch den erfolgreichen, schwarzen Bauunternehmer Willi Amadou, der nicht will, dass sich seine Tochter mit einem schwarzen Fensterputzer einlässt. „Rassismus von der anderen Seite“, nennt Becker das. Von den Alltagsproblemen schwarzer Deutscher zu erzählen, ist ihm ein persönliches Anliegen, da die Familie seiner Frau aus Eritrea kommt.

Dann läuft Armin Rohde am Regisseur vorbei. Gleich gehen die „Tatort“-Dreharbeiten weiter. Was der Tenor eines Becker-Porträts sein sollte? „Es ist gut mit jemanden zusammenzuarbeiten, der weiß, was er tut", sagt Armin Rohde.

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