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Nach „Gomorrha“ ist „1992“ die zweite Serien-Aufarbeitung der jüngeren italienischen Geschichte. Mittendrin: Werber Leonardo Notte (Stefano Accorsi, v. re.).

© Sky

Polit-Drama auf Sky: Italiens Mad Men: "1992"

Sky bringt mit "1992" den Untergang der ersten Republik als fulminante Serie ins Fernsehen. Nicht ohne auf die Schauwerte von Sex & Crime zu verzichten.

Mailand 1992, die Aktion „Mani pulite“, zu deutsch „Saubere Hände“, im Sinne von „Weiße Weste“, Ermittlungen Anfang der 1990er Jahre in Italien, bei welchen korrupte und kriminelle Machenschaften innerhalb der italienischen Regierung aufgedeckt wurden. Das Unwort „Tangentopoli“ machte die Runde. Am Ende, zwei Jahre später, steht der Untergang der ersten Republik, ein Bestechungs-Skandal der großen Parteien, der Sturz von Ministerpräsident Bettino Craxi, Verhaftungen noch und noch, und – der Aufstieg Silvio Berlusconis. Mittendrin, in der Stadt der Schmiergeldzahlungen: sechs Personen, die im Wirbelwind dieser turbulenten Zeit gefangen sind.

Sechs mehr oder weniger glaubhaft miteinander verbundene Charaktere aus Politik, Wirtschaft und Medien, denen der Zuschauer in der neuen Serie „1992“ durch ein ganzes Jahr folgt, in dem die politischen Umwälzungen auch ihre Leben verändern werden. Fiktive Figuren vor der Folie einer realen Geschichte, realen Personen wie Di Pietro, Chiesa, Umberto Bossi und, natürlich, Berlusconi.

Es ist erstaunlich schonungslos und unterhaltsam zugleich, was Sky Italia da produziert hat und von Sky Deutschland ab Montag ausgestrahlt wird, nach Roberto Savianos „Gomorrha“ die zweite, mutige Serien-Aufarbeitung der jüngeren italienischen Geschichte. Es lässt sich verschmerzen, dass die politischen Hintergründe anfangs nicht groß erklärt werden, man muss schon etwas vertrauter mit den politischen Verhältnissen südlich der Alpen sein. „1992“ wurde zunächst nur für das italienische Publikum konzipiert. Da wirkt manches in dieser Serie aneinandergereiht wie umgeschlagene Zeitungsseiten und trotzdem – oder gerade deswegen – lässt einen „1992“ ab der ersten Folge nicht mehr los.

Okay, die gehörige Portion Sex & Crime gehört bei einer italienischen Serie wohl einfach dazu. Vor allem der in Trennung lebende Werber und Vater Leonardo Notte (Stefano Accorsi) tut sich da hervor. Zum einen verkauft er Politiker wie Zigaretten, jenem „Mad Men“ Don Draper aus der gleichnamigen US-Serie über die 1960er Jahre nicht unähnlich. Keine 15 Minuten vergehen, wo dieser Karrierist und Schönling Notte nicht beim Liebesspiel zu sehen ist, vor allem mit dem Showgirl Veronica Castello (Miriam Leone). Sei’s drum. Das Ganze ist auch auf Schauwerte abgezielt. Wenn man sich die Serie als literarisches Genre denken wolle, sagte denn auch Regisseur Giuseppe Gagliardi bei der Serien-Premiere auf der Berlinale, dann als historischen Roman. Das ist leicht verstiegen. Geschrieben haben „1992“ die Autoren Alessandro Fabbri, Ludovica Rampoldi, Stefano Sardi und Nicola Lusuardi.

Eine der interessanten Figuren ist der junge Ermittler Luca Pastore (Domenico Diele). Er leidet an Aids. Die Serie hat mit Pastore einen fulminanten Einstieg, nackt vorm Spiegel stehend, wir wissen noch nichts über ihn. Er fletscht die Zähne, betastet sein Zahnfleisch, die Kamera in der Mundhöhle, dann der Blick auf seine Rippen, den Rücken. Pastore ist attraktiv, durchtrainiert – und doch die Verkörperung eines infizierten, kranken Landes. Ohne Aussicht auf Heilung.

Mit Aussicht auf kommende Politiker, die sich wie Berlusconi die Krise in Italien zunutze machen, die im Grunde aber genauso integer sind wie Mario Chiesa, Politiker der italienischen Sozialisten (PSI), Aspirant auf das Bürgermeisteramt, Leiter eines Altenheims. In der ersten Folge wird Chiesa dabei erwischt, wie er sieben Millionen Lire Schmiergeld einsteckt, damit eine Reinigungsfirma einen öffentlichen Auftrag bekommt. Es ist der 17. Februar 1992, in Italien beginnt ein politisches Erdbeben, das mehr zutage fördert, vernichtet und neu aufrichtet, als die Serie zu zeigen vermag. Ohne Schuld, ohne moralische Flecken ist hier keiner. Dafür steht auch der arbeitslose, desillusionierte Irak-Heimkehrer Pietro Bosco (Guido Caprino), der bei der Lega Nord anheuert. Aus Schweigern werden Sprücheklopfer. Von wo soll Hilfe kommen? Es ist ein Witz, dass ausgerechnet der Werber Notte, der Showgirls in kurzen Röcken über Fernsehbühnen tanzen lässt, zu seinem Chef sagt: „Wir müssen die Bananenrepublik retten.“

Eine fulminante Pay-TV-Serie, die den Vergleich mit „Gomorrha“ nicht zu scheuen braucht. Wie man hört, soll Berlusconi nicht sehr erfreut über diese Fernseharbeit gewesen sein.

„1992“, ab Dienstag, 24.3. über Sky Go, Sky Online und Sky Anytime verfügbar

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