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Verhängnisvoll: Das "Bunte"-Interview von Torsten Albig und seiner neuen Lebensgefährtin.

© TSP/Repro

Politiker-Interviews in der "Bunten": Liebe gewinnt keine Wahlen

Albig, Scharping, Sellering: Politiker sollten ihr Privatleben besser privat halten. Für Presseanwalt Christian Schertz macht eine in puncto Öffentlichkeit vieles richtig.

Vor rund drei Wochen drehte sich die politische Stimmung bei den Umfragen in Schleswig-Holstein. Am Wahlabend mutmaßte man noch, was die Gründe gewesen sein könnten. Ohne es bisher belegen zu können, spricht aber vieles dafür, dass ein Interview mit dem People-Magazin „Bunte“ die Stimmung im nördlichsten Bundesland, insbesondere bei den Wählerinnen, kippen ließ. Inzwischen heißt es so auch im politischen Berlin. Am 20. April stand in der „Bunten“ nämlich ein Interview mit Torsten Albig, in welchem er sich zu seiner neuen Freundin, aber auch zu der Trennung von seiner bisherigen Ehefrau detailliert äußerte.

Sinngemäß erklärte er, dass seine Frau als Hausfrau und Mutter nicht mehr auf derselben Augenhöhe ist wie er als umtriebiger Politiker. Ein medialer Super-GAU. Dass seine neue Lebensgefährtin in Zeiten, in welchen die Menschen Angst vor der Zukunft, Terror und sozialem Abstieg haben, dann noch beisteuerte: „Er hat mir auch schon eine sehr schöne Handtasche geschenkt“, fiel dann nicht mehr schwer ins Gewicht. So weit, so gut.

Nur eine Frage bleibt: Wer nur hat den Ministerpräsidenten Albig beraten, überhaupt ein solches „Liebes-Interview“ einem Boulevardmagazin zu geben und dann noch mit diesem Inhalt? Oder gab es überhaupt keinen Berater? Was ebenso verheerend wäre. Es gab tatsächlich mal eine Zeit, da gehörte es bei Politikern zum guten Ton, in „Bild“ oder „Bunte“ mit Ehepartnern und/oder Familie aufzutreten und mitzuteilen, was sie neben der anstrengenden Politik im Privatleben sonst noch so treiben. Hinter diesen freimütigen Interviews steckten häufig Politikberater, die ihren Kunden empfohlen, sich auch etwas menschlicher zu geben, „human touch“ zu erzeugen.

Das mag alles noch in der Bonner Republik in den 90ern gegolten haben. In der Berliner Republik haben sich spätestens seit dem tiefen Fall des Rudolf Scharping nach einem „Bunte“-Interview die Zeiten geändert. Zur Erinnerung: Im Sommer 2001 gab es in der „Bunten“ Poolplansch-Bilder vom Verteidigungsminister Rudolf Scharping und seiner neuen Lebenspartnerin Gräfin Pilati – zu einem Zeitpunkt, als ein Auslandseinsatz der Bundeswehr in Mazedonien bevorstand.

Rudolf Scharping turtelte 2001 mit Gräfin Pilati im Pool.
Rudolf Scharping turtelte 2001 mit Gräfin Pilati im Pool.

© picture-alliance dpa

"Das nehme ich ihm wirklich übel“

Allgemein wurden sie als geschmack- und instinktlos angesehen in Anbetracht der gefährlichen Mission, die deutschen Soldaten bevorstand. Inzwischen werden diese inszenierten Poolbilder als Anfang vom Ende Scharpings in der Politik bewertet. Kurz vor der Bundestagswahl 2002 entließ ihn der damalige Kanzler Gerhard Schröder wegen Kontakten zum Lobbyisten Moritz Hunzinger.

Es folgte der Fall Seehofer im Jahre 2007, in welchem die „Bild“-Zeitung über ein „Baby mit heimlicher Geliebten!“ berichtete. Selten hatten Medien bisher ohne Einverständnis eines Politikers über das Privatleben so berichtet. Nur hatte Seehofer zuvor Anlass gegeben, hierüber zu berichten, indem er sein angeblich so intaktes, christsoziales Familienleben öffentlich ausstellte und auch zu Wahlkampfzwecken genutzt hatte.

Torsten Albig hätte vielleicht auch vorher noch einmal seinen Kollegen, den Ministerpräsidenten von Mecklenburg-Vorpommern, Erwin Sellering, nach seinen Erfahrungen mit „Bunte“-Interviews fragen können. So waren zunächst auf bunte.de im Jahre 2010 Details zu dessen zweiter Eheschließung zu lesen: „Nach der Trauung wurde bei einem Sektempfang auf das frisch gemählte Paar angestoßen.“

Die Ex-Frau von Sellering ließ jedoch nicht lange auf sich warten und schlug im Oktober 2010 mit peinlichen Details über das Ende ihrer Ehe ebenso in „Bunte“ zurück. Er habe „sein altes Leben komplett hinter sich gelassen und alles, aber auch alles, ausgetauscht, was ihm vorher wichtig schien … Das nehme ich ihm wirklich übel.“

Diese wenigen Beispiele zeigen bereits, dass es wirklich noch nie klug war, als Politiker sich zu seinem Privatleben in der Öffentlichkeit zu äußern, insbesondere „Liebes-Interviews“ zu neuen Beziehungen zu geben. Entweder ist die Tonalität in Ansehung der politischen Rahmenbedingungen im Land die falsche, wie im Fall Scharping, oder man findet schlecht oder gar nicht beraten die falschen Worte, die beim Wahlvolk schlecht ankommen und bei Parteifreunden nur Kopfschütteln auslösen – wie im Fall Albig.

Die Idee, sich beim Wähler von einer menschlichen Seite zu geben, wird im Zweifel wegen der oftmals festzustellenden fehlenden Sensibilität zum Bumerang. Hinzu kommt ein Weiteres: Derjenige Politiker, der sein Privatleben öffentlich macht, oder wie im Falle Seehofer, seine Familie auch politisch einsetzt, verliert nach der ständigen Rechtsprechung in Deutschland durch die sogenannte „Selbstbegebung“ den Schutz seiner Privatsphäre. Schlägt das Schicksal erneut zu oder gibt es eine Trennung, dürfen die Medien dann berichten, wenn zuvor die Tür aufgemacht wurde.

Und ob man es nun hören will oder politisch bei ihr ist oder nicht. Eine macht wieder in puncto Öffentlichkeit vieles richtig: Angela Merkel. Niemals würde sie auf die Idee kommen, ein „Liebes-Interview“ mit ihrem Ehemann zu geben. Vielmehr schottet sie konsequent ihr Privatleben ab und lässt die Tür für Homestorys zu. Die Politikberater sollten sich dieses als Schulbeispiel in ihr Stammbuch schreiben.

Christian Schertz berät als Presseanwalt in Berlin zahlreiche Politiker. Er ist Honorarprofessor für Persönlichkeits-, Presse- und Medienrecht an der TU Dresden und liest Strategische Rechtskommunikation an der Humboldt-Universität.

Christian Schertz

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