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Medien: Politikmüdigkeit: Qual der Wahl

Politikmüdigkeit, so muss man wohl diagnostizieren, ist eine chronische Krankheit auch in Deutschland. Zu ihren Symptomen zählt eine niedrige Wahlbeteiligung, wie beispielsweise 65 Prozent bei den letzten Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus.

Politikmüdigkeit, so muss man wohl diagnostizieren, ist eine chronische Krankheit auch in Deutschland. Zu ihren Symptomen zählt eine niedrige Wahlbeteiligung, wie beispielsweise 65 Prozent bei den letzten Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus. Nicht, dass der Missstand nicht oft genug diskutiert worden wäre. Doch immer nur in politischen Seminaren, in Leitartikeln der Zeitungen und in Parteigremien natürlich. Neuerdings ist er auch Thema in Werbeagenturen.

Die Werber haben sozusagen einmal über ihren Zott-Joghurtbecher-Rand - mit solchen Dingen befassen sie sich ja normalerweise - geschaut, sie haben die wahlmüden Deutschen gesehen und gleich einen Wettbewerb ausgeschrieben. Denn was ist es schon groß anderes, einen Menschen in eine Wahlkabine zu bekommen als in eine Schokoriegel in einen Einkaufswagen? Die zentrale Frage des Wettbewerbs haben sie in ihrem direkten Werberdeutsch so formuliert: "Wie sage ich den Bundesbürgern, dass sie zur Bundestagswahl im Herbst 2002 bitte den Hintern zum Wahllokal bewegen?"

Am Freitag waren in der Berliner Agentur Scholz&Friends die Ergebnisse zu besichtigen. Eine Kampagne zeigt beispielsweise eine Frau mit einem riesigen Leberfleck im Gesicht. Slogan: "Manches kann man sich nicht aussuchen. Politiker schon." Das Foto einer anderen Anzeige ist ein Hakenkreuz-Graffiti. Dazu der Satz: "Andere machen ihr Kreuz." Manche Ideen sind originell. Aber wirken sie auch? Sogar Reinhard Siemes vom Art Directors Club, der den Wettbewerb ausgeschrieben hat, ist eher skeptisch. "Da müsste die Kampagne schon der Hammer sein", sagt er. So neu ist Werbung gegen Wahlmüdigkeit auch gar nicht. Was machen Parteien mit ihren Wahlkampagnen viel anderes? Und dafür wird mehr Geld ausgegeben als für die meisten Jughurts. Bei den letzten Bundestagswahlen 200 Millionen Mark.

nol

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