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Was hat die kleine Franzi gesehen? Für Kommissar Buckow (Charly Hübner) ist die Tochter der Ermordeten eine wichtige Zeugin.

© NDR

"Polizeiruf 110" mit Charly Hübner: Stille Wasser an der Ostsee

Ohne Motiv kein Täter. Der Mord an einer jungen Mutter macht Charly Hübner, sonst als Kommissar Buckow ganz dicke Hose, im „Polizeiruf 110 - Zwischen den Welten“ zu schaffen.

Es sind Erinnerungen aus der Kindheit, die Katrin König (Anneke Kim Sarnau) ihrer Therapeutin erzählt. Die LKA-Profilerin sieht sich, wie sie durch einen Wald läuft, immer wieder blickt sie umher, dann steht sie auf einmal mitten im Meer, ein roter Koffer treibt am Horizont auf den Wellen. Und am Ende sieht sie direkt unter sich eine Leiche und fühlt sich klein und ängstlich. „Kann das etwas mit meiner Flucht aus der DDR zu tun haben?“, fragt die Kommissarin. Die Therapeutin reagiert mit einer Gegenfrage. „Haben Sie Schuldgefühle?“ Die Antwort darauf bleibt Katrin König in der Einstiegsszene des Rostocker „Polizeiruf 110“ schuldig. Vorerst zumindest.

Es gehört zu den Eigenheiten des „Polizeiruf“ aus Rostock, dass sich die Fälle in den Ermittlerfiguren spiegeln. Das gilt auch für die Episode „Zwischen den Welten“. Mit Schuldgefühlen wird sich nämlich auch die kleine Franzi plagen, deren Mutter Julia Wenning tot im Wald liegt. Das Mädchen hat sie gefunden, völlig traumatisiert steht es klein und ängstlich mitten auf dem Waldweg als Kommissar Sascha Buckow (Charly Hübner) mit seinem Auto den Weg passiert. Nur mit Mühe gelingt es ihm, seinen Wagen zum Stehen zu bringen. Eigentlich hat Buckow Urlaub, er kommt gerade vom Angelausflug mit seinen Söhnen und will mit ihnen nun ein Eis essen. Doch mit dem Leichenfund ist der Urlaub erst einmal beendet, Buckow schaltet um auf Arbeitsbetrieb, ganz zum Ärger von Ehefrau Vivian, die lieber einen Vater zum Mann hätte, der sich um seine Söhne kümmert, als einen Maulwurf, der sich in seine Fälle vergräbt.

Der „Polizeiruf“ steht seit längerem in dem Ruf, der geradlinigere, schnörkellosere Krimi zu sein, der anders als der Sonntags-„Tatort“ ohne gesellschaftskritische Meta-Ebene auskommt. Das stimmt und es stimmt auch wieder nicht. Charly Hübners Kommissar Buckow jedenfalls ist gerade heraus. Seine Flüche und Kraftausdrücke machen sämtliche Erziehungsanstrengungen seiner Ehefrau zunichte. Groß gewachsen und kräftig gebaut spielt er seine physische Präsenz ungehemmt aus, und als Chef würde man ihm dringend einen Lehrgang in Mitarbeiterführung empfehlen. „Ich mache nicht auf dicke Hose, ich bin dicke Hose“, verkündet er lautstark. Sascha Buckows Kompass kennt keine Abweichungen, gegenüber der verängstigen Franzi wird aus dem Alphatier der verständige Beschützer, der dem Mädchen Zeit geben will, bevor ein Polizeipsychiater sie darüber befragen soll, was sie am Tatort gesehen hat.

Doch so bodenständig der Kommissar aus der norddeutschen Provinz agiert, so verquer gestaltet sich der von Michael B. Müller und Jens Köster entwickelte Plot. Buckow und König müssen eine Antwort auf die Frage finden, wer ein Interesse daran haben sollte, Julia Wenning zu ermorden? Sie müssen herausfinden, welches Motiv hinter dem Kapitalverbrechen stecken könnte. Dahinter verbirgt sich jedoch ein viel größeres Problem: Wer weiß schon, wie es hinter der Fassade der heilen Familie wirklich aussieht? Oder um was für einen Menschen es sich bei seinem Partner handelt? Stefan Wenning (Philipp Hauß), der Ehemann der Ermordeten, kann zur Klärung dieser Fragen offenbar wenig beitragen. Das Passwort des Laptops seiner Frau? Weiß er nicht. Was sich im abgeschlossenen Schreibtisch befindet? Fehlanzeige. Auch auf die Frage, warum sie häufiger im Arbeitszimmer schlief, erhalten die Ermittler keine befriedigende Antwort.

Die Arbeit mit den Kindern war für "Polizeiruf"-Regisseur René Heisig eine Herausforderung

Auch die anderen Menschen aus Julia Wennings Umgebung können wenig zum Erfolg der Ermittlungen beitragen. Als Jurastudentin galt sie bei ihrem Mentor Professor Meiners (Andreas Schröder) als talentiert und vielversprechend. Ihrer Uni-Freundin, die äußerst attraktive Lisa Schöning (Alice Dwyer), kann Buckow ebenso wenig Erhellendes entlocken. Julia Wenning war bei allen beliebt, auch zu den Nachbarn Frank und Hannah Freese hatten die Wennings ein gutes Verhältnis. Die Mauer zwischen den Welten, die Julia Wenning für ihr Doppelleben aufgebaut hat, wankt nur ganz langsam.

Eine besondere Herausforderung für Regisseur René Heisig war die Arbeit mit den Kindern. Die beiden jungen Darsteller von Buckows Söhnen konnten einfach sich selbst spielen, zwei Jungs, die mit ihrem Vater im Urlaub Spaß haben wollen – oder spätabends Popcorn essen und Actionfilme im TV anschauen. Bei der Figur der Franzi war dies schwieriger. Ihre Rolle wurde von den Zwillingen Angelina und Leonie Wollenburg gespielt. Charly Hübner war von den beiden begeistert. Wie er die Zwillingsmädchen erlebt habe, wurde er gefragt: „Super, sehr professionell. Sehr still. Sehr fokussiert.“

Katrin König setzt bei ihrer Vergangenheitsbewältigung auf ein bewährtes Mittel: Die Aussprache mit einem vertrauenswürdigen Kollegen – inklusive diverser Schnäpse und Karaoke-Singen.

„Polizeiruf 110: Zwischen den Welten“, ARD, Sonntag, 20 Uhr 15

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