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Porträt: Ästhetik für Frankfurt

Der türkische Verleger Burak Akbay will die „Rundschau“ retten. Doch sein Plan überzeugt bisher wenig. Ein Treffen in Berlin.

Ein deutsches Wort kennt er schon, und dass es ausgerechnet dieses Wort ist, kann eigentlich gar nicht überraschen: „Nachrichten“. Burak Akbay, 42, spricht das Wort voller Inbrunst aus, fast ohne türkischen Akzent, dann lächelt er zufrieden. Akbay verdient mit Nachrichten sein Geld. Er ist Verleger und Inhaber des Druck- und Verlagshauses Estetik Yayincilik mit Sitz in Istanbul und gibt die türkische Tageszeitung „Sözcü“ heraus. Nun ist Akbay in Deutschland aber selbst zur Nachricht geworden. Er hat etwas vor, was viele in der Printbranche kaum für möglich halten: Er will die insolvente „Frankfurter Rundschau“ retten.

Am Donnerstagabend sitzt Akbay erschöpft im Berliner Café Einstein Unter den Linden, die Krawatte hat er gelockert. Für einen Tag ist er in die Hauptstadt gekommen, von morgens bis abends hat er Termine, hauptsächlich, um Geschäfte für seine Druckerei zu besprechen, er bringt mit ihr Zeitungen wie die „Bild“, die britischen Blätter „Sun“ und die „Sunday Times“ auf Papier. Akbay nutzt seine Zeit in Berlin auch, um seine Chancen für die „Rundschau“ auszuloten. Er will besser verstehen, wie die Zeitung funktioniert. Deshalb steht ein Treffen mit Brigitte Fehrle auf dem Programm, Chefredakteurin der „Berliner Zeitung“ und Leiterin der DuMont-Redaktionsgemeinschaft, die den gemeinsamen Mantel für „Berliner Zeitung“ und „Frankfurter Rundschau“ produziert. Von so etwas wie einer Redaktionsgemeinschaft hat Akbay vorher nie gehört.

Seit Jahren macht die „Rundschau“ Verluste, im November musste das Traditionsblatt zusammen mit seiner Druckerei Insolvenz anmelden. Schnell wurde spekuliert, welcher Verlag auf die bisherigen Eigentümer, die Mediengruppe M. Dumont-Schauberg und die SPD-Medienholding ddvg folgen würde. Ob überhaupt ein Verlag Interesse hat. Die „Süddeutsche Zeitung“ wurde als potenzieller Investor genannt, die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ – dann kam Akbay, der Mann, mit dem niemand gerechnet hatte, eben weil er in Deutschland bisher weitestgehend unbekannt ist. 450 Arbeitsplätze stehen bei der „FR“ auf dem Spiel, davon etwa die Hälfte im Druckzentrum. Bis Ende Januar hätte eine Lösung gefunden werden müssen, die Gespräche ziehen sich. Jetzt gibt es einen Aufschub bis Ende Februar – für Akbay die Chance, nachzulegen. Mit seinem Angebot ist Insolvenzverwalter Frank Schmitt nicht zufrieden: „Zu niedrig“, „nicht akzeptabel“, „in keiner Weise tragbar“, und „zwar sowohl bezüglich der Kosten – als auch der Personaplanung“, sagte Schmitt Ende Januar zum Plan des türkischen Verlegers.

Dabei meint es Akbay ernst – obwohl er eher zufällig in die Sache reingerutscht ist. Ursprünglich hatte er in Deutschland eine Druckerei für seine Zeitung „Sözcü“ finden wollen, die er an den Kiosk bringen will. 20 000 Exemplare. Akbay hatte bereits die Druckerei der „Rundschau“ ins Auge gefasst, dann die Insolvenzanmeldung. So kam Akbay auf die Idee, selbst das Druck- und Verlagshaus in Frankfurt zu kaufen. „Die ,Rundschau‘ ist eine tolle Marke, die lange am Markt ist und einen guten Stamm an Abonnenten hat“, sagt der Verleger. „Unser Ziel ist, dass die ,Rundschau‘ am Leben bleibt.“ Akbay sagt das nicht pathetisch, sondern sehr überzeugt. Wie jemand, der gerade eine etwas verrückte Idee gehabt hat, die er genau so schnell wieder verwerfen könnte, wirkt er dabei nicht.

Akbay kennt die Zeitungsbranche. Sein Vater sei Journalist gewesen, er selbst sei mit 25 Jahren ins Druckgeschäft eingestiegen und habe Estetik Yayincilik aufgebaut. Übersetzt bedeutet der Name „Ästhetik-Verlag“. Nun ist „Sözcü“ kein Blättchen für Schönheitschirurgen und ihre Kundinnen, sondern eine regierungskritische Tageszeitung, deren Name für „Wortführer“ steht – kritisch allerdings in dem Sinne, dass sie sich nicht für schnelleren Fortschritt, für mehr Demokratieausspreche, sondern für das Gegenteil, berichten Korrespondenten aus Istanbul. Eine populistische, ultranationalistische Zeitung, die sich an Anhänger einer gestrigen Türkei richte. Als es nach der Ermordung dreier Kurdinnen in Paris friedliche Demonstrationen in der Türkei gab, hätten alle Zeitungen positiv berichtet. Nur die „Sözcü“ habe sich aufgeregt, wie es sein könne, dass Kurden auf öffentlichen Plätzen demonstrieren, ohne, dass die Polizei eingreift. 275 000 Stück verkauft „Sözcü“ nach Angaben von Akbay täglich. Geht das zusammen: eine populistisch-ideologische Zeitung neben der linksliberalen „Rundschau“?

Akbay sagt, dass er die Ausrichtung der „Frankfurter Rundschau“ nicht verändern will. Er will sie als linksliberale Zeitung mit überregionaler Bedeutung weiterführen. Vehement weist er zurück, dass die „Sözcü“ von der umstrittenen Fetullah-Gülen-Bewegung unterwandert sei, wie deutsche Medien berichteten. „Das ist absoluter Quatsch.“ Der Geschäftsführer seines Verlags in Deutschland heißt Gülen mit Nachnamen – ein Name, der in der Türkei so verbreitet ist wie in Deutschland Schmidt.

Verwundert ist Akbay über die Reaktion des Insolvenzverwalters. „Ich bin zweimal in Deutschland gewesen, habe um die 20 Stunden mit den Anwälten gesprochen. Wieso hat mir nicht dabei schon jemand gesagt, dass mein Angebot den Formalitäten nicht entspricht?“ Wie viel er für die „Rundschau“ geboten hat und wie genau sein Konzept für die Zukunft der Zeitung aussieht, sagt er nicht. Nur, dass er in der Redaktion etwa 100 Stellen erhalten will und auch die Druckerei übernehmen möchte. Die hat allerdings mit dem Springer-Verlag einen ihren wichtigsten Auftraggeber verloren. Mit 20 000 Exemplaren „Sözcü“ allein wird sie kaum überleben können.

Die „Süddeutsche Zeitung“ ist offensichtlich nicht mehr interessiert, als Favoritin gilt die konservative „FR“-Konkurrentin „FAZ“. Sie würde die „Rundschau“ als Titel erhalten – allerdings zum Preis von 400 Arbeitsplätzen. Doch dürfte das Bundeskartellamt diese Übernahme kritisch prüfen, da zur „FAZ“ bereits die „Frankfurter Neue Presse“ gehört. Auch das spreche nur für ihn, sagt Akbay. Und was sagt „FR“-Chefredakteur Rouven Schellenberger dazu? Er will sich zu dem Insolvenzverfahren gar nicht äußern, auch der Betriebsrat hält sich zurück, ebenso schweigt Brigitte Fehrle zu dem Treffen mit Akbay in Berlin. Die Zeit drängt. Er werde mit jedem gerne in Verbindung treten, der „ein belastbares, ernsthaftes Angebot vorlege“, sagt Insolvenzverwalter Schmitt. Akbay will in dieser Woche ein nachgebessertes Angebot nachreichen. Er hofft auf den Zuschlag. „Ich glaube an die Zukunft der ,Frankfurter Rundschau‘“, sagt er. Er will jetzt in Deutschland Nachrichten machen.

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