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Mehr leise als laut. Hans Hege, geboren 1946 in Schwäbisch-Hall, wurde 1985 Direktor der West-Berliner Anstalt für Kabelkommunikation. Sie ging 1992 in der Medienanstalt Berlin-Brandenburg auf, die wiederum von Hans Hege geleitet wurde. Foto: Ralf Hirschberger/dpa

© picture alliance / dpa

Porträt: Ein liberaler Regulierer

Schwaben können auch Rundfunk: Hans Hege hört als Direktor der Medienanstalt Berlin-Brandenburg auf.

Das ist selten in der Medienbranche: Da ist einer eher leise als laut, eher nachdenklich als aufbrausend und als Redner selten auf Pointen aus. Auf Hans Hege, den Direktor der Medienanstalt Berlin Brandenburg (MABB), trifft das zu. Aber er kann auch ausführlich extemporieren. Dabei erklärt der 68-Jährige viel lieber Sachverhalte als sich selbst. Der promovierte Jurist ist außerordentlich technikaffin und in seiner Geisteshaltung liberal.

Obwohl er einst als Referent des heute kaum noch in der Erinnerung präsenten FDP-Justizsenators Jürgen Baumann begann, meint dieses „liberal“ weit mehr als eine parteipolitische Neigung. Freiheit denkt er vom Individuum her, Technik betrachtet er aus der Sicht der Nutzer und der Staat ist für ihn nicht alles, sondern hat vor allem für einen verlässlichen Ordnungsrahmen zu sorgen, damit sich Ideen und Wirtschaft gut entwickeln können.

Das ist keine schlechte Voraussetzung für einen Medienpolitiker. Als solcher hat Hans Hege dreißg Jahre lang agiert – egal wie sich die politischen Koordinaten und Koalitionen rundherum gerade veränderten. Als Direktor der Medienanstalt wurde er von einem starken Medienrat als Aufsichtsgremium gestützt, der von beiden Parlamenten in Berlin und Brandenburg gewählt wird und dem bisher stets ehemaligen Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts vorstanden: zunächst der inzwischen verstorbene Ernst Benda und seit 2009 Jutta Limbach.

Inzwischen ist Hans Hege der dienstälteste Direktor einer Landesmedienanstalt. Am Mittwoch wird er mit einer Feier verabschiedet, aber dennoch darf er seinen Schreibtisch noch nicht endgültig räumen, denn seine Nachfolge ist noch nicht geregelt.

Rundfunk ist Ländersache, deswegen gibt es Landesmedienanstalten. Deren ursprünglicher Sinn war es, den gerade erst gesetzlich erlaubten privaten Rundfunk zu ermöglichen und zu regulieren. So ist die Zeitspanne von Heges Wirken identisch mit der Ära der Etablierung des dualen Rundfunksystems und zugleich der Gestaltung der deutschen Einheit auf diesem Gebiet. Für das Endergebnis erwies es sich als förderlich, dass hier kein Dogmatiker, sondern ein liberaler Regulierer am Werk war, der für Pluralismus focht und bei der Zuweisung von Frequenzen nicht nur, aber auch das ökonomisch Sinnvolle im Blick hatte. Hans Hege ist ein Marktwirtschaftler, der gleichwohl darüber nachdenkt, was man lieber nicht allein dem Markt überlassen darf.

Der legendäre Anfang aller Zulassung war die Vergabe des Kanal 25 in Berlin. Sie kann auch als Geburtsstunde der Medienstandortpolitik gesehen werden. Terrestrische Frequenzen waren für RTLplus wie Sat 1 Mitte der achtziger Jahre der Schlüssel zu bis dahin ungeahnten Reichweiten. Beide buhlten also um Berlin. Am Ende erhielt Sat 1 den Zuschlag, nicht zuletzt mit dem Versprechen, der private Hauptstadtsender zu werden und nebenbei in Kooperation mit den Verlegern auch noch eine Art deutsches CNN zu schaffen.

Aber das sind Geschichten von gestern.

Gerade in Berlin und Brandenburg wurde in der jetzt zu Ende gehenden Periode einiges erreicht. Hier gibt es – nach wie vor – den dichtesten und interessantesten Hörfunkmarkt. Die MABB hat die Vielfalt und dabei auch Alternativradios gefördert wie etwa Radio 100, dessen Frequenz heute FluxFM bespielt.

Für den Berliner weniger auffällig, aber für das Flächenland Brandenburg von eminenter Bedeutung ist das lokale Fernsehen. Es wird von der MABB stetig gefördert, denn für die Veranstalter ist es kein leichtes Geschäft. Obwohl Hans Hege eine besondere Fähigkeit hat, zu vermitteln und Interessenskonflikte auszugleichen, scheut er keine Kontroverse, wenn es um die Meinungsfreiheit geht. Da versteht er sich als Wächter. So attackierte er die Kirch-Gruppe, als diese unziemlich mächtig zu werden drohte. Dass Inhalteanbieter nicht auch die Übertragungsinfrastruktur beherrschen dürfen, war ihm selbstverständlich und im Jahr 2010 fragte er, ob denn die Telekom wirklich Bundesligarechte erwerben dürfe. 2012 sorgte Hege für einigen Wirbel, als er forderte, der Google-Macht eine öffentlich-rechtliche Suchmaschine entgegenzustellen. Sogar mit dem Bundestagspräsidenten legte er sich an. Als Norbert Lammert (CDU) sein Parlamentsfernsehen nicht mehr nur als Serviceangebot für die Abgeordneten, sondern für ein breiteres Publikum betreiben wollte, beschied er diesem trocken, dass aller Rundfunk bei uns staatsfern zu sein habe.

Hans Hege widmete sich engagiert, aber nie eifernd dem Jugendschutz und spezialisierte sich bald auf alle Fragen der Digitalisierung. Er konnte über Details der Verschlüsselung ebenso Auskunft geben wie über Set-up-Boxen, EPGs, „bottlenecks“ aller Art oder Fragen des Zugangs zu digitalen Plattformen.

Als „Digitalisierer“ hat er auch den größten Erfolg seines medienpolitischen Handelns hinbekommen. Bei Lichte besehen gab es damals nur ein kleines Zeitfenster, um die widerstreitenden Interessen aller Beteiligten auf einen Nenner zu bringen. Aber ihm gelang es: Die MABB unterzeichnet gemeinsam mit ARD, ZDF, SFB, ORB, ProSiebenSat 1 Media AG und RTL eine Vereinbarung, die analogen terrestrischen Sender im Großraum Berlin-Potsdam vollständig auf digitale Übertragung umzustellen. Im Februar 2003 beginnt der Regelbetrieb des DVB-T-„Überallfernsehens“. Berlin ging voran und erregte damals wirklich weltweite Aufmerksamkeit. Nicht wenige Beobachter lauerten nur darauf, dass etwas schiefgehen würde – aber der komplette Analog/Digital-Umstieg klappte.

Heute widmet sich die MABB längst anderen Übertragungsformen. An mehr als hundert öffentlichen Hotspots gibt es „Public WiFi“. Gestiegen ist auch der Einsatz für Medienkompetenz und -ausbildung: Neben der Kooperation mit dem Rundfunk Berlin-Brandenburg bei der „electronic media school“ (ems) wurde in Babelsberg ein „Medien-Innovationszentrum“ (MIZ) geschaffen und der offene Kanal Alex einem Reformprozess unterzogen.

Finanziert wird die Landesmedienanstalt aus einem Zwei-Prozent-Anteil an den Rundfunkgebühren. Der in Schwäbisch-Hall geborene Schwabe sorgt an der Spitze der Berlin-Brandenburger Zweiländeranstalt dafür, dass damit sparsam gewirtschaftet wird. Auch im Auftritt ist die MABB angenehm bescheiden. Anfangs gab es nicht einmal den mittlerweile obligatorischen Jahresempfang. Ein Dienstwagen ist bis heute verpönt, aber dafür kennt Hege, der im Urlaub gerne Fernreisen unternimmt, den Berliner Nahverkehr in- und auswendig.

Lange stand die Senderzulassung, der Kampf um Frequenzen im Zentrum aller Medienpolitik. Heute ist sie längst in den neuen Kontinent Digitalien aufgebrochen und muss folglich als Netzpolitik umfassender angelegt sein. Google, Facebook, Amazon haben dabei ein Gewicht gewonnen, wie es Kirch, Murdoch, Malone oder Bertelsmann nie hatten. Die Landesmedienanstalten werden perspektivisch an Bedeutung verlieren. Umsichtig hat Hans Hege deren beste Zeit mitgeprägt.

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