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Role Model. In Teheran geboren, Jugend zeit in Reinickendorf. Bekannt wurde Pegah Ferydoni mit der Serie „Türkisch für Anfänger“. Nun moderiert sie den „ZDFkulturpalast“. Foto: ZDF

© Rene Paepce

Porträt: Morgendämmerung

Zwischen Kopftuch und Kulturpalast: Die Schauspielerin Pegah Ferydoni kommt zur rechten Zeit. In Thailand wird ein Kinofilm der Erfolgsserie "Türkisch für Anfänger" gedreht, donnerstags moderiert sie den "ZDFkulturpalast".

Man könnte sich vorstellen, Thilo Sarrazin kommt gleich mit Pegah Ferydoni um die Ecke in der Berliner Hotel-Lobby und singt „Wandrers Nachtlied“ von Goethe. Doch, Scherz beiseite, man muss mit der Moderatorin und Schauspielerin ja gar nicht gleich über so ernsthafte Themen wie Migration und dessen Auswüchse reden. Schon gar nicht an dem frühen Vormittag in einer Woche, wo Pegah Ferydoni zwischen Thailand, München und Berlin, zwischen Film-Dreh, Interviews, Talkauftritten sowie der Moderation eines neuen Kulturmagazins pendelt und ein bisschen müde zu sein scheint.

Erst mal eine Cola bestellt und alles fast auf Anfang. Pegah Ferydoni wurde 2006 durch die preisgekrönte ARD-Vorabend-Serie „Türkisch für Anfänger“ bekannt, bei der sie in einer deutsch-türkischen Multikulti-Familie die streng religiöse Muslima Yagmur spielt. Wegen dieser Rolle als Kopftuchmädchen wird die 27-Jährige heute noch auf der Straße angesprochen, nicht nur in Berlin-Neukölln, wo sie wohnt. Was kein Problem für sie ist. „Das ist einfach eine sehr liebenswerte Serie. Dementsprechend liebenswert kommen sie auf mich zu.“

Diese Yagmur aus „Türkisch für Anfänger“ war nur eine von einem guten Dutzend Rollen der Schauspielerin in den vergangenen sechs, sieben Jahren. Wenn man sich Ferydonis knallige Moderation im neuen „ZDFkulturpalast“ oder ihre letzte große filmische Arbeit „Ayla“ anschaut, lässt sich leicht erkennen, wie viel Zeit seit „Türkisch für Anfänger“ vergangen ist. Zeit, in der es zum Beispiel Bucherscheinungen gab wie „Deutschland schafft sich ab“, eine Figur namens Sarrazin und eine verschärfte Migrantendiskussion, wobei Prominente wie Pegah Ferydoni, die in Teheran geboren ist und ihre Kindheit in Berlin-Reinickendorf zunächst im Asylantenheim verbracht hat, gerne zu Rate gezogen werden.

Dazu gleich mehr. Es gibt mindestens eine bemerkenswerte Szene in dem Film „Ayla“, der am Freitag auf Arte läuft. Ferydoni spielt eine türkische Single-Frau in München, deren Beziehung zum Vater wegen ihres selbst bestimmten Lebens in die Brüche gegangen ist. Sie lernt Ayhan (Mehdi Moinzadeh) kennen, ein charismatischer Fotograf – und der Bruder von Hatice, einer von ihrer türkischen Familie verfolgten, alleinerziehenden Mutter, der Ayla Unterschlupf gewährt. Ayhan sucht seine Schwester. Es droht ein Ehrenmord. Als er in Hatices Wohnung unvermittelt auf Ayla trifft, drücken sich die Liebenden an die Wand – heftig abgestoßen und angezogen zugleich.

Das mit der Anziehung ist gut nachvollziehbar. „Pegah“ bedeutet auf Deutsch Morgendämmerung. Der schöne Name passt. „Zeigen Sie mal!“ Pegah Ferydoni schaut sich, etwas irritiert, die Fotos in der Pressemappe zu „Ayla“ an. Der Film ist aus 2009. Es ist nur eine Rolle. Aber wie gut kann sie sich mit dieser Ayla identifizieren? Wie nahe ist die Tochter eines Georgiers und einer Aserbaidschanerin der modernen Türkin, die unter dem Druck kultureller Zwänge hin- und hergerissen wird? Sie lächelt, zweideutig. „Sehr nah. Ich war nie Kindergärtnerin, habe aber in Clubs gearbeitet. Ayla gewährt der von ihrer türkischen Familie verfolgten Frau Unterschlupf und gefährdet ihre eigene Liebe zum Bruder dieser Türkin. Es ist ein Akt der Zivilcourage.“

Man will jetzt nicht fragen, wie denn der „Ayhan“ im Leben von Pegah Ferydoni heißen könnte, aber zu anderen nicht-beruflichen Fragen hat sich die Schauspielerin deutlicher geäußert. Stichwort Zivilcourage. Demokratiebewegung im Iran. Oder: Sarrazin. In dem Zusammenhang hatte Ferydoni weniger liebenswerte Begegnungen in der Öffentlichkeit. Natürlich, da komme schon mal ein blöder Spruch oder eine Beschimpfung. Sie blickt aus dem Hotelfenster am Potsdamer Platz, als suche sie aus dem Gewusel dort das Wesentliche herauszugreifen. „Das fängt im Grunde ja schon damit an, wenn ich auf einer Sarrazin-Veranstaltung bin und mich eine freundliche ältere Dame fragt, warum denn meine Landsleute soundsoundso wären. Das fühlt sich schlimm an. Ich lebe seit 26 Jahren in Deutschland und habe mich immer wahnsinnig bemüht, überintegriert und deutscher als deutsch zu wirken.“

Das habe sich letztes Jahr geändert. Ihre sanfte, leise Stimme wird lauter. Wenn Deutschsein bedeute, sich das Buch „Deutschland schafft sich ab“ zu kaufen, dann möchte sie das auch nicht mehr. Sie sei „ein sehr politischer Mensch“. Seit Sarrazin könne man nicht mehr zuschauen.“ Man müsse versuchen zu vermitteln. Als sogenanntes „role model“ in der Öffentlichkeit habe sie eine Wahnsinnsverantwortung. „Ob ich will oder nicht, viele junge türkische oder iranische Frauen sehen mich als Vorbild.“

So ein Engagement kann auch Schattenseiten haben. Der Anspruch als Schauspielerin alles darstellen zu wollen, nicht nur Rollen mit ethnischem Hintergrund, und auf der anderen Seite, als Privatperson mit Migrationshintergrund, Stellung zu beziehen, Vorbild zu sein, sich damit der Gefahr auszusetzen, auf einen Typ festgelegt zu werden. Letztes Jahr hat Pegah Ferydoni eine Polizistin gespielt, ohne ethnische Zuschreibung, im ZDF in „Bella Vita“ eine Kneipenwirtin. Sie zählt das auf. Das ist ihr wichtig. Darüber freut sie sich „wahnsinnig“. „Klar, das war früher gar nicht möglich, ist jetzt etwas aufgebrochen, natürlich auch durch meine steigende Bekanntheit.“ Andererseits, Fernsehen funktioniere immer noch auch durch Klischees. Dadurch sind diese ethnischen Zuschreibungen immer noch sehr präsent. „Das wird schnell zur Berufsethnie.“ Sie wolle sich gewissen Rollen aber nicht generell verweigern.

Ein Glück. 2010 das Drama „Women Without Men“, das von den Schicksalen iranischer Frauen zur Zeit des Militärputsches 1953 erzählt und den Silbernen Löwen in Venedig erhielt, eine Kinofassung der Serie „Türkisch für Anfänger“, die in Asien und Bayern gedreht wird, dazu „Ayla“, im Herbst ein großer Fernsehfilm, jetzt die Moderation beim „ZDFkulturpalast“, donnerstags um 20 Uhr 15 auf ZDFkultur – viel los bei Pegah Ferydoni. Anscheinend komme sie gerade zur richtigen Zeit. „Wenn man sich vorstellt, dass es bis 2001 nur 13 Filme in Deutschland gab, die das Thema Migranten behandelt haben, angefangen mit Fassbinders ,Angst essen Seele auf’.“ Es sei schön zu sehen, dass sich trotz Sarrazin die Zeiten ändern. „Ich muss mich immer noch erklären, aber es ist ein Stück weit Normalität eingetreten, dass ich jenseits der türkischen Rollenzuschreibung auch andere Sachen mache.“ Til Schweiger hat sie in „Zweiohrküken“ als eine Art blondes Püppchen besetzt, die Lana. Pegah Ferydoni lacht. „Da hat er Fantasie bewiesen.“

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