zum Hauptinhalt

Medien: Premiere World: Reif für reife Leistungen

Damit täte man der Fußballabteilung innerhalb der Premiere World-Sportredaktion Unrecht: alles Bemühen und alles Urteilen allein unter den Marcel-Reif-Aspekt zu stellen. Dafür rackern zu viele, um Bestmögliches herauszuholen.

Damit täte man der Fußballabteilung innerhalb der Premiere World-Sportredaktion Unrecht: alles Bemühen und alles Urteilen allein unter den Marcel-Reif-Aspekt zu stellen. Dafür rackern zu viele, um Bestmögliches herauszuholen. Und, machen wir uns nichts vor, auch viele, und nicht nur bei ARD und ZDF, prophezeiten Premiere World bei diesem bisher einmaligen Unternehmen schnelles Scheitern. Aber: Statt fortwährend Pleiten, Pech und Pannen zu begrinsen, bleibt fairen Betrachtern das verdiente Lob nicht im Halse stecken.

Nach etwa zwei Dritteln aller Partien dieser Bundesliga-Saison, die allesamt komplett übertragen wurden, dürften nur noch notorische Griesgrame und professionelle Mediendauerprügler in Richtung Unterföhring, dem Sitz von Premiere World, drohen. Wobei ich ausdrücklich feststelle: meine persönlichen Eindrücke beziehen sich aufs redaktionelle Reporterleistungsproblem. Es hat mit allem anderen Strittigen zum Pay-TV nichts zu tun.

So steht auch vornan ein uneingeschränktes Bravo für den Mut, dieses Marathonding überhaupt anzugehen. Jeden Spieltag alle Begegnungen direkt zu übertragen, einmal jeweils in attraktiver Konferenzschaltung, und dazu jedes Spiel solo frei auswählbar und auch komplett über die 90 Minuten, davor kann man nur den Hut ziehen. Vor Producern, Kameraleuten, Regisseuren und Kommentatoren / Reportern. Solche umfassende Fußball-Schwerstarbeit musste noch keine andere Anstalt abliefern, und die meisten wären dazu auch kaum im Stande.

Etwa 60 Reporter / Moderatoren bilden die Premiere-World-Sportabteilung. Zirka die Hälfte davon ist pro Bundesliga-Spieltag am Ball. Wer so viele "Mikrofonisten" braucht, kann deshalb auch nicht nur erste Klasse bieten. Wesentlich jedoch: Nahezu alle Eingesetzten präsentieren sich - fast - immer gut vorbereitet, sachkundig und liefern grundsätzlich einen fairen Kommentatorenstil. Auf vordergründige Polemik - heutzutage für viele Spitzenmotiv - wird verzichtet. Der Ton ist stets tolerant. Besserwisser oder Superschlaue sind nicht dabei. Und euphorische Prahlhansel und tumbe Selbstdarsteller auch nicht. Allein das alles bedeutet eine wohltuende Bilanz.

Einigen Reportern ist aber noch anzumerken, dass sie als Premiere-Reporter wohl auch Reporter-Premiere haben. Warum nicht? Wenn es dann immer besser wird? Schon-Gediente wie Bayer, Küpper, Dittmann, Fuß ... lassen da die Borns, Leopolds ... noch im Schatten sprechen. Indes, Konkurrenz belebt das Geschäft. Und Übung macht den Meister.

Ein ziemlicher Teil der Reportergruppe offenbart aber leider auch das, was seit Jahr und Tag ebenso bei den Öffentlich-Rechtlichen und anderen Privaten als Urhandicap den Qualitätszuwachs bremst. Gemeint sind keine oder doch nur mangelhafte Stimmausbildung und nur selten sprecherisches Format. Generell gilt immer noch, dass derjenige, der vor vielen, vielen Menschen öffentlich sprechen darf, das auch mit beruflicher Konsequenz und professioneller Hilfe gezielt trainieren muss! Höchst selten wird danach in Radio- und TV-Sportredaktionen verfahren. Hier könnte Premiere World zusätzlich Vorbildliches leisten, wenn ...

beispielsweise die Redaktions-Nr. 1, Marcel Reif, auch stimmhandwerklich die Nr. 1 wäre. Doch gerade der oft Gepriesene verrät immer wieder erstaunliche sprecherische Mängel. Das grundnotwendige Materialisieren von Denken, eben Sprechen, und das mit gekonnter Stimmen-Arbeit, lässt keine Fortschritte erkennen. Schade.

In den Moderatoren-Studios ist Premiere World gleichfalls gut besetzt. Ob Wontorra, Thurn und Taxis oder Nickels - ebenso freundliche wie bestimmte und sachlich fundierte Äußerungen sind gewiss. Was für die "Allstars" selten zutrifft. Dass deren Fußballwissen nicht verstaubt - klar. Aber stetig abgegriffene Allgemeinplätze wiederzukäuen bedeutet keine Qualität. Hier setzt auch Premiere World, leider, auf den "Star"-Effekt. Beckenbauer, Völler, Schuster, Matthäus, - allein Dasein genügt. Soll genügen. Und da zudem alle "out-fitisch" geklont ins Sendungsrennen gehen, Wochenende für Wochenende, spürt man Kaugummi statt Kaviar-Mahlzeiten, und es keimt alter Verdacht: mehr Schein als Sein.

Ich bin ziemlich sicher: dieses Premiere World-Team wird auch auch das letzte Saison-Drittel gelungen über die Runden bringen. Was kommt dann? 2001 / 2002? Allein den Standard durchzuhalten, könnte schwerfallen und wird weder den treuen Abonnenten noch neuen Käufern genügen. Bleiben als mögliche Qualitätsgewinne mundwerkliches Feilen und pfiffige Ideen. Neue Krawatten allein sollten nicht reichen.

Heinz Florian Oertel

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false