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PRINT GOES INTERNET: Im Netz mit Madonna

Zwischen Exklusivinterview und Markenpflege: „Galore“, „Max“ oder „Vanity Fair“ gibt es immer noch – als Online-Portale.

Wenn Dirk von Gehlen aus seinem Bürofenster guckt, könnte ihm leicht schwindlig werden. Der Redaktionsleiter des Online-Magazins jetzt.de sitzt im neunten Stock der Magazin Verlagsgesellschaft SZ mbH am Rande von München, hoch über der Erde, aber mittendrin bei der „Süddeutschen Zeitung“, dem Mutterblatt. Bis 2002 erschien das „jetzt“-Magazin als gedruckte Beilage in der „SZ“, dann wurde es eingestellt – und erlebte 2005 eine Art Wiedergeburt als Online-Portal. Ein ähnliches Schicksal ist inzwischen einigen Magazine widerfahren: „Brigitte Young Miss“, „Max“, „Amica“, „Vanity Fair“ und zuletzt „Galore“ haben sich als gedruckte Version für die Verlage nicht mehr gerechnet, als Online-Ausgabe versuchen sie es weiterhin.

Anfang Juni erschien „Galore“, Deutschlands einziges Interviewmagazin, zum letzten Mal in Printform am Kiosk, seit vergangenem Montag ist das Blatt wieder online zu lesen. Unter www.galore.de soll es werktäglich ein neues, ausführliches Exklusiv-Interview geben, laut Chefredakteur Sascha Krüger im Geiste der „Galore“-Hefte, im besten Fall so fließend und weitschweifend wie das erste Gespräch mit Jim Kerr, dem Frontmann der „Simple Minds“, oder das Interview am Freitag mit Madonna. Beides gute Arbeiten, beides eine Bestätigung für von Gehlens Diktum, dass das Netz „eben nicht die zweitbeste journalistische Lösung sein muss“, auch wenn das viele Autoren, Redakteure, Leser und Verleger noch nicht so sehen.

Die Verlage sind herausgefordert, „den Lesern und Usern klarzumachen, dass der Titel zwar als Printprodukt tot ist, aber online weiter existiert“, sagt Thomas Mende, Leiter Content Network bei der Tomorrow Focus AG, die die Seiten amica.de und max.de betreibt. Das Lifestyle-Blatt „Max“ gibt es seit Anfang 2008 nicht mehr, das Frauenmagazin „Amica“ erschien im Mai 2009 das letzte Mal – prompt brachen die Besuchszahlen online ein. Hatte amica.de im Mai noch 261 631 Visits, also einzelne Website-Besuche, waren es im Juni laut IVW etwa 11 000 weniger. Mende glaubt aber, dass beide Titel dank einer eigenen Entwicklungsstrategie auch als „Online-Only“ funktionieren. „Schon vorher hatten die Websites für die Hefte nicht nur eine bloße Wiederkäuerfunktion, in dem lediglich Heftinhalte auf die Seite gestellt wurden, sondern boten eigene Inhalte.“ Ohne Printprodukt gebe es weniger Inhalte, aber weiterhin würden die Seiten täglich aktualisiert. So berichtete amica.de zuletzt von der Berliner Fashion Week. Bei max.de sind vor allem viele Nacktbilder und Überschriften mit Sexinhalten zu finden – Google dürfte einige Besucher hierher lotsen.

Sexbildchen gibt’s bei jetzt.de kaum zu sehen. Hier gelte das Prinzip: Texte als Kommunikationsanlässe, sagt Dirk von Gehlen. 2002 habe die Website noch 5 000 registrierte Nutzer gezählt, heute seien es 140 000. Mit 300  000 Visits im Monat stehe jetzt.de gut da. Zum Vergleich: neon.de, das Online-Portal des jungen „Stern“-Ablegers, bringt es auf 150 000 Visits – obwohl monatlich ein gedrucktes „Neon“-Heft am Kiosk liegt. Im Vergleich zu den anderen Zeitschriften, die es als Printtitel nicht mehr gibt, hat jetzt.de einen entscheiden Vorteil: Die junge Zielgruppe ist ohnehin netzaffin und damit leichter auf die Portale zu locken. Auf ähnliche Weise konnte auch „Brigitte Young Miss“ (bym) überleben, nachdem der Verlag Gruner + Jahr die Druckversion im Juni 2006 eingestellt hatte. „Die Community war schon damals sehr vital, für die Gesamtmarke war es wichtig, diese jungen Frauen an die Marke zu binden“, sagt Brigitte Huber, Chefredakteurin der „Brigitte“ und der Seite bym.de. Inzwischen sei die Community von 17 000 registrierten Nutzerinnen auf knapp 30 000 angewachsen. Rund 300 000 Besuche verzeichnet bym.de jeden Monat. Auch wenn Rubriken wie „Style & Beauty“ oder „Liebe & Sex“ an Rubriken im Heft angelehnt seien, sei das Portal keine bloße Kopie. Drei Redakteure recherchieren und schreiben Geschichten, die ausschließlich bei bym.de erscheinen. Einer der am besten geklickten Artikel sei zuletzt ein Stück über das Hurricane-Festival gewesen. Zwar rechnet sich das Portal für den Verlag, doch manche Nutzerinnen scheint der Online-Auftritt allein nicht zu befriedigen. „Wir hören immer wieder den Wunsch, dass die ,Young Miss‘ als gedrucktes Heft zurückkommt“, sagt Brigitte Huber. Darüber werde bei G + J derzeit aber nicht diskutiert.

So lebhaft wie bei bym.de oder bei jetzt.de geht es bei parkavenue.de längst nicht mehr zu. Anfang 2009 erschien die gleichnamige People-Zeitschrift aus dem Haus G + J zum letzten Mal als Printtitel. Die Internetseite fristet seither ein Dasein als schöne Scheintote. Porträts über die Abramowitsch-Freundin, die Ronson-Geschwister oder Reiseempfehlungen sind hier zwar weiterhin zu lesen, doch sind das alles alte Geschichten. Gepflegt wird die Seite nicht mehr. G + J wollte die Marke „Park Avenue“ weiterhin im Portfolio behalten, um sie online noch einmal nutzen zu können – auch wenn derzeit keine Wiederbelebung geplant sei. Auch der Verlag Condé Nast betreut die Onlineseite von „Vanity Fair“ weiter, nachdem das Heft Anfang 2009 vom Kiosk verschwand. „,Vanity Fair‘ ist eine etablierte Marke, in die wir viel investiert haben“, sagt Ines Thomas, Sprecherin bei Condé Nast. Bestückt wird die Seite von einer 20-köpfigen Pool-Redaktion, die auch Inhalte für Portale wie glamour.de oder gq.com liefert. Dadurch soll jede Seite mit aktuellen Themen, jeweils auf die Zielgruppe abgestimmt, bestückt werden. Bei vanityfair.de wird ebenso über Michael Jacksons Trauerfeier berichtet wie über die „Gossip“-Girl Darstellerin Hilary Duff. Einige Blogeinträge sind jedoch veraltet. An einem neuen Konzept für die Seite werde gearbeitet, heißt es beim Verlag.

Bei jetzt.de hat es in der Form keine Probleme mit den Übergängen vom Print- zum reinen Online-Produkt gegeben. Das 1993 gegründete „jetzt“-Magazin habe sich früh als das verstanden, was mit dem Aufkommen der sozialen Netzwerke als „User Generated Content“ gepriesen wurde, zum Beispiel mit der von Lesern bestimmten „Lebenswert“-Liste. Die journalistischen Ansprüche, so Dirk von Gehlen, seien auch bei nur viereinhalb Redakteursstellen die gleichen geblieben: andere Themenzugänge sowie das Ziel, via Internet junge Leute an die Mutterzeitung heranzuholen. Schließlich ist jetzt.de immer noch das kleinste Ressort der „SZ“, hat sogar noch einen kleinen wöchentlichen Platz in der Zeitung. Dafür hat der Online-Redaktionsleiter keine großen Wege zurückzulegen.

Um solche Bindungen müssen sich die Macher von „Galore“ nicht kümmern. Das Magazin hat keinen großen Verlag im Rücken. Zuletzt rund 20 000 verkaufte Auflage – zu wenig für die Dialog GmbH in Dortmund. Nun soll es eine verschlankte Online-Ausgabe richten, mit Interview-Archiv und fünf Exklusivgesprächen in der Woche. Motto: Die Idee bleibt, nur das Medium habe sich verändert. Der Aufschlag mit Jim Kerr war zumindest deutlich spannender als die Musik der „Simple Minds“, wie Userin „Steffi“ meinte, mit überraschenden Ansichten des Popstars zur sizilianischen Mafia. Was wenige wissen: Jim Kerr besitzt ein edles Hotel in Taormina. Und dass Madonna auf Deutsche oder auf Deutschland offenbar nicht ganz so gut zu sprechen ist, deutete sich unter galore.de im Freitags-Interview an. Ein ziemlich guter Kommunikationsanlass.

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