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Privates wird politisch: Die "Spiegel"-Affäre

Das Nachrichtenmagazin spekuliert über Lafontaines Privatleben, die Linke wirft dem Blatt Boulevardniveau vor.

Liebesaffären sind eigentlich nicht das Ding vom „Spiegel“. Zwar dürften die investigativen Rechercheure des Nachrichtenmagazins über so manche Liaison von Politikern und Wirtschaftsbossen Bescheid wissen, geschrieben wird darüber aber nicht. Bisher. In seiner am Montag erschienen Ausgabe spekuliert der „Spiegel“ nun aber über eine Beziehung zwischen Linkspartei-Chef Oskar Lafontaine und der Linke-Bundestagsabgeordneten Sahra Wagenknecht. Beide seien sich nicht nur inhaltlich nahegekommen, heißt es in dem Stück „Der virtuelle Kandidat“ – und deshalb habe Lafontaine Anfang Oktober überraschend auf den Fraktionsvorsitz im Bundestag verzichtet. Der sonst so machtbewusste Politiker sei daheim unter Druck geraten, müsse Rücksicht auf seine Frau Christa Müller nehmen und wolle deshalb mehr Zeit im Saarland als in Berlin verbringen. Das hätte schon vor der Bundestagswahl festgestanden, Lafontaine habe deshalb seine Wähler getäuscht.

Am Dienstag klärte nun Lafontaine auf – allerdings nicht über seine angebliche Affäre, sondern über seinen Rückzug: Er ist an Krebs erkrankt und muss sich einer Operation unterziehen, seine politische Zukunft sei deshalb offen, teilte er in einer Pressekonferenz mit.

Der „Spiegel“ bleibt bei seiner Version: „Wir haben keinen Anlass an unserer Darstellung zu zweifeln“, sagte „Spiegel“-Chefredakteur Georg Mascolo am Mittwoch. Die Autoren Stefan Berg und Markus Deggerich hätten die Geschichte gründlich und über Wochen recherchiert. Keiner in der Spitze der Linkspartei hätte jemals eine Krebserkrankung erwähnt. Erst am vergangenen Freitag habe der Bundesgeschäftsführer der Linken, Dietmar Bartsch, dem „Spiegel“ ausdrücklich bestätigt, es habe „schon Anfang des Jahres“ im engsten Führungskreis Diskussionen darüber gegeben, „dass Lafontaine nach der Wahl nicht mehr die Fraktion führen wird“. Dass Berichterstattungen über private Affären nicht in den „Spiegel“ gehörten, bestritt Chefredakteur Mascolo nicht. „Aber in diesem Fall hat das Private höchst politische Folgen. Deshalb haben wir darüber berichtet.“

Die Linkspartei reagierte empört: „Mit diesem Artikel hat der Spiegel die Grenzen des journalistischen Anstands endgültig überschritten. Das ehemalige Nachrichtenmagazin ist zum Boulevardblatt verkommen“, sagte Ulrich Maurer, Vize-Fraktionschef der Linken im Bundestag am Montag. Mit dieser Geschichte unterbiete der „Spiegel“ locker das Niveau der „Bild“. Mit seriösem Journalismus habe „die seit einiger Zeit betriebene Hasskampagne gegen Lafontaine nichts zu tun“. Auch Dietmar Bartsch, Geschäftsführer der Linkspartei, sagte, dass es „nicht mehr seriös“ sei, ein solches Gerücht in die Welt zu setzen. Der „Spiegel“ habe „eine Linie unterschritten“, sagte Bartsch. Weder das Ehepaar Lafontaine noch Parteikollege Gregor Gysi hatten sich im „Spiegel“ zu dem Thema äußern wollen. Wagenknecht dementierte eine private Beziehung zu ihrem Parteichef.

Der „Spiegel“ werde sich auch weiter mit dem Linkspartei-Chef und seinem Rückzug beschäftigen, sagte Mascolo. Er wünschte dem erkrankten Lafontaine „schnelle und vollständige Genesung“. Ob und wie mit der Geschichte in der nächsten Ausgabe umgegangen werde, stehe noch nicht fest.

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