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Moderatorin Luzia Braun.

© ZDF

ProQuote: Frauen in Kultur- und Medienberufen haben es immer noch schwer

Selbstvermarktung & Pro Quote: Ein Kongress in Berlin und die Frage nach der Chancengleichheit zwischen Frauen und Männern in Kultur- und Medienberufen.

„Bis fünfzig gelten Frauen als begehrtes Objekt, dann verschwinden sie, kommen erst mit achtzig als Zeitzeuginnen wieder vor die Kamera.“ Luzia Braun beschreibt den Druck, der die 59-Jährige im Dezember 2011 zu der Entscheidung brachte, die Moderation des Kulturmagazins „Aspekte“ aufzugeben. Braun war eine der Rednerinnen auf dem Kongress „Frauen im Arbeitsmarkt Kultur“ in der Landesvertretung NRW in Berlin am Wochenende. Ihr Fall nur ein Aspekt des Hauptthemas: Chancengleichheit zwischen Frauen und Männern in Kunst- und Medienberufen. Die sieht Peter Landmann auf gutem Weg. Die Kreativwirtschaft ist eine Boombranche, in Nordrhein-Westfalen sind 53 Prozent des Hochschulnachwuchses in diesen Sparten weiblich, 57 Prozent aller Abschlüsse werden von jungen Frauen absolviert. Der Abteilungsleiter Kultur des NRW-Ministeriums für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport zeigt sich mit der Entwicklung zufrieden.

Gerrit Christiani, die Leiterin des Frauenkulturbüros NRW, sieht das Glas eher halb leer. Ihre vom Land getragene Institution vergibt Künstlerinnenpreise, beobachtet die realen Fakten und Fallstricke der formalen Gleichstellungsrichtlinien, auf die Politiker so stolz sind. So gab das Frauenkulturbüro eine Studie zur Situation der Frauen im Arbeitsmarkt Kultur am Beispiel NRW bei der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf in Auftrag. Das Ergebnis der beeindruckenden Tabellen und Tortengrafiken, die beim Kongress in Berlin mit Kulturmanagerinnen, Künstlerinnen, Medienvertreterinnen und Politikerinnen diskutiert wurden, kommentierte Gerrit Christiani nüchtern: „Solange es nichts zu verteilen gibt, sind alle gleichberechtigt.“

"Frau sein ist an sich kein Wert"

Gut ein Jahr nach Gründung der Kampagne „ProQuote“, mit der prominente Journalistinnen und Moderatorinnen die gläserne Decke kritisieren und Spitzenpositionen in den Medien fordern, wurde die Quotenfrage auf der Tagung wie ein lästiges Must diskutiert. Selbstverständlich ist sie notwendig, damit sich die Boygroups in oberen Etagen der Tatsache weiblicher Kompetenzen stellen und die Störung ihrer eingefleischten Rituale und informellen Netzwerke akzeptieren. Luzia Braun, die mittlerweile stellvertretende Redaktionsleiterin des ZDF-Kulturmagazins Aspekte ist, brachte das Dilemma auf den Punkt: „Frau sein ist an sich kein Wert, aber es hat Folgen.“ Und: „Erst wenn es auch unfähige Frauen nach oben schaffen, ist genau genommen die Gleichberechtigung erreicht.“

Die Debatte um Spitzenpositionen und mangelnde Personalentwicklung in großen Unternehmen überdeckt die Tatsache, dass immer mehr Kulturschaffende und Medienprofis in prekären Arbeitsverhältnissen ohne Festanstellung arbeiten. Die Daten der Künstlersozialversicherung KSK weisen einen deutlichen Zuwachs an Versicherten auf und belegen unterschiedlich je nach Sparte aufs Neue das geringere Durchschnittseinkommen der Frauen. Auch bei den öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten sieht Liane Jessen, Leiterin der Abteilung Fernsehspiel beim Hessischen Rundfunk, die Tendenz, Stellen nur noch in der Verwaltung zu besetzen, Kreative dagegen mit kurzfristigen Verträgen abzuspeisen. Ihre sarkastische Prognose, die ARD sei „bald nur noch eine Rechteabteilung mit angeschlossenem Sendebetrieb“. Das schlechtere Einkommen gut ausgebildeter Frauen auf dem deregulierten Arbeitsmarkt der Kultur- und Medienberufe war für die NRW-Kulturbürokraten, die die Studie in Auftrag gaben, Anlass, mehr Programme zur Selbstvermarktung auszurufen. Frauen, die immer noch traditionell Understatement bevorzugen und eher an ihren Talenten zweifeln als ihre männlichen Konkurrenten, sollen sich fit machen. Der falsche Ansatz, war die einhellige Meinung der Diskussionsrunden. Noch mehr Skills antrainieren, noch mehr Selbstoptimierung und „Lookismus“, der auch den Zwang mit sich bringt, vor der Kamera nicht altern zu dürfen, siehe Luzia Braun.

Wichtiger als Tipps zur Selbstvermarktung sind Ansätze zu strukturellen Verbesserungen der Arbeitsbedingungen für Frauen und Männer. Der Sozialhistoriker Martin Dinges – einer der drei männlichen Tagungsteilnehmer – beschrieb den Mentalitätswandel der jungen Väter, die sich in die Erziehung ihrer Kinder einbringen wollen, oft aber dem Druck ihrer Arbeitgeber nachgeben und in die Vollzeitbeschäftigung zurückgehen. Kürzere Arbeitszeiten, bessere Kinderbetreuung – das Stimmungsbild der Tagung spiegelte deutliche Ungeduld, „das Rad immer noch einmal neu erfinden zu müssen“.

Den strukturellen Druck spürt zurzeit auch – Tom Buhrow. Der neue Mann an der Spitze des mächtigsten TV-Senders, des WDR, steckt in der Quotenfalle. Er muss die redaktionellen Spitzenposten bei Fernsehen und Radio unbedingt auch an Frauen vergeben. Die geeignetste Bewerberin für Hörfunk, Jona Teichmann, ist aber die Ehefrau des Fernsehmannes Jörg Schönenborn. Das geht ja auch nicht. Es dürfte nicht der letzte Kongress zum Thema gewesen sein.

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