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Mit präzisen Sturmwarnungen hat Jörg Kachelmann (Archivfoto von November 2007) seinen Konkurrenten, den Deutschen Wetterdienst unter Druck gesetzt. Seit seiner Verhaftung im März dieses Jahres ist das Wetter umgeschlagen. Foto: dpa

© picture alliance / dpa

Prozesse hinterm Prozess: Gut Wetter machen

Seit Ende März sitzt ARD-Wettermann Jörg Kachelmann in Untersuchungshaft. Hinter den Kulissen wird schon verhandelt, wie es mit oder ohne den Wetter-Entertainer weitergehen soll - sowohl in seiner Firma als auch in der ARD.

Dem Wetter ist es völlig egal, dass Jörg Kachelmann seit dem 20. März in Untersuchungshaft sitzt. Dem erklärten Fan der Kumulus-Wolken wird vorgeworfen, seine ehemalige Freundin vergewaltigt zu haben. Kachelmann bestreitet das, ein Prozess, der wahrscheinlich erst im September beginnt, muss seine Unschuld oder seine Schuld herausfinden. Sollte Jörg Kachelmann verurteilt werden, drohen ihm mindestens fünf Jahre Freiheitsstrafe.

Klar ist: Prozess und Ausgang werden für die persönliche Karriere des Meteorologen, Unternehmers und Showmasters sehr entscheidend sein, zugleich für seine Meteomedia AG und ihren wichtigsten Geschäftspartner, die ARD. Diesen beiden scheint in diesen Wochen nichts so wichtig wie Ruhe (vor dem Sturm). „Das Unternehmen hat ein gutes Management und gute Moderatoren“, sagte Norbert Steffen, Vizepräsident des Verwaltungsrates und Geschäftsführer Schweiz von Meteomedia. „Die Geschäfte laufen normal weiter, die Leute machen ihre Arbeit gut und gewissenhaft.“ Die Firma sei auch ohne Kachelmann handlungsfähig.

Für die Wetterberichte im Ersten am Vorabend, in den „Tagesthemen“ und im „Morgenmagazin“ ist der WDR in Köln der Vertragspartner von Meteomedia. Eine WDR-Sprecherin sagte dem Tagesspiegel, „solange das Verfahren läuft, gilt die Unschuldsvermutung“. Ob die weitere Zusammenarbeit mit Meteomedia vom Prozess abhängig sei? „Nein, denn wir haben die Verträge mit der Firma Meteomedia geschlossen und die darin vereinbarten Leistungen werden erbracht“, sagte die Sprecherin.

Fünf bis sechs Tage im Monat moderierte Kachelmann zuletzt „Das Wetter im Ersten“. Derzeit präsentieren Claudia Kleinert, Sven Plöger und Alexander Lehmann im Wechsel den ARD-Zuschauern die an- und abziehenden Fronten. Bei den Einschaltquoten sei kein Unterschied messbar im Vergleich zu der Zeit, als Kachelmann selbst noch das Wetter präsentierte, heißt es bei der ARD-Programmdirektion. Der Vertrag mit Meteomedia läuft Berichten zufolge noch bis Ende 2011. Neben dem Ersten beliefert Meteomedia verschiedene ARD-Sender wie WDR, NDR, SR oder RBB, vom Fernsehen über den Hörfunk bis hin zum Internet. Für viele Zuschauer des RBB-Fernsehens muss erst die attraktive Claudia Kleinert die Wetterlage erklären, ehe „Abendschau“ und „Brandenburg aktuell“ die Lage in Berlin und der Mark erklären.

Meteomedia ist längst mehr als der Li-La-Launebär vom Wetterfernsehen. Nach eigenen Angaben macht das Unternehmen mittlerweile die Hälfte seines Geschäftes mit Wetterdaten für Firmen, unter anderem für die Energie-, Logistik- und Versicherungsbranche. Gerade hier sieht Meteomedia Expansionschancen, unabhängig von Kachelmanns FernsehPräsenz. Bislang habe kein Firmenkunde gekündigt, heißt es bei Meteomedia. Zahlen zum Gewinn bei einem Umsatz von 13 Millionen Euro 2009 nennt das Unternehmen mit Sitz in Gais südöstlich von St. Gallen und in Bochum nicht. Metteomedia arbeitet derzeit profitabel.

Kernstück von Meteomedia ist ein engmaschiges privates Messnetz mit etwa 810 Stationen. Insgesamt werden Daten von 14 000 Stationen weltweit ausgewertet. Der Erfolg der Meteomedia ist der Erfolg von Jörg Kachelmann. Der 51-jährige Schweizer ist der Gründer, das Hirn und der Verwaltungsratspräsident des Unternehmens, an dem er unverändert die deutliche Mehrheit der Anteile hält. Zuletzt war Kachelmann mehr auf dem Ego- und Show- denn auf dem Wettertrip, gerne mit „Lausemädchen“ zugange. Jetzt, da er in Mannheim in Untersuchungshaft sitzt, kümmert er sich, wie Mitarbeiter von Meteomedia berichten, wieder viel intensiver um sein Werk. Seinen Willen zu vollziehen, hat er seine beiden Anwälte mit Generalvollmacht ausgestattet.

In der Meteomedia herrscht, so sehr auf gut Wetter in der Öffentlichkeit gemacht wird, ein gewisses Machtvakuum. Nervosität und Instabilität haben sich breitgemacht. Ende vergangener Woche hat Frank B. Werner, neben Kachelmann und Steffen drittes Mitglied im Verwaltungsrat und Geschäftsführer Deutschland, hingeschmissen; er war frustriert über die fortgesetzten Reibungen, wer eigentlich wie das operative Business betreibt – Jörg Kachelmann in Haft, seine Anwälte draußen oder die Geschäftsführung? Von Werner stammt die Aussage, die Rolle Kachelmanns für die Firma werde „überschätzt“.

Auch in der ARD gibt es, nimmt man die Ebene der Fernsehchefs zum Beleg, verschiedene „Schulen“. Einen Freispruch von Kachelmann vorausgesetzt: Soll er dann nach einer Karenzzeit wieder auf den Schirm? Soll es mit Meteomedia, aber ohne Kachelmann weitergehen oder muss gar eine Alternative zu beiden gesucht werden? Heiter Sonnenschein war gestern.

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