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Medien: Prozessieren? Ignorieren!

Die angebliche Vatikan-Serie „Popetown“ ist ein pubertäres Machwerk. Meint Richard Schröder

Weil sich der Papst beim Versteckspielen in den Kellern des Vatikan verirrt und dort in einer Fabrik festgehalten wird, in der Zwangsarbeiter Hostien herstellen müssen, wird bei einer Agentur ein Double für den anstehenden Gottesdienst geordert, das gänzlich aus der Rolle fällt. Doch die drei Kardinäle auf Schwimmsesseln im Pool sind begeistert, weil das den Devotionalienhandel belebt. So die Story der ersten Folge von „Popetown“. Der Musiksender MTV will heute eine Episode der Serie inklusive Diskussion ausstrahlen und dann entscheiden, ob „Popetown“ in Gänze gezeigt wird.

Die BBC hatte aufgrund vieler Proteste auf die Ausstrahlung der Serie verzichtet. Auch MTV ist mit seiner Werbekampagne, bei der ein lachender Christus neben dem Kreuz fernsieht, auf heftigen Protest gestoßen. Diese Werbung hat der Sender eingestellt, aber die Serie will er senden.

Die Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen (FSF) hat die Serie zur Sendung nach 20 Uhr freigegeben. Das Erzbistum München-Freising will die Sendung mit rechtlichen Mitteln verhindern, da es in der Serie einen Verstoß gegen die Würde des Menschen und das Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit sieht. Der CSU-Generalsekretär Markus Söder fordert verschärfte Gesetze, die religiöse Symbole schützen und Blasphemie bestrafen. Der CSU-Vorsitzende Edmund Stoiber fordert, die Verunglimpfung religiöser Gefühle müsse schärfer bestraft werden und hat ein entsprechendes Gesetz für Bayern in Auftrag gegeben.

Die Jungen Liberalen dagegen verlangen mehr Respekt für die Pressefreiheit. Andere reklamieren die Meinungsfreiheit auch für Kritiker der Kirche. Der Sender MTV sieht in der Serie satirische Unterhaltung, also eine Kunstform, die durch die Freiheit der Kunst geschützt sei. In Wahrheit ist sie ein pubertäres Machwerk, dem der Ausdruck Satire zu viel der Ehre antut. Satire und Karikatur betreiben Aufklärung durch Übertreibung von etwas Tatsächlichem, das so ins grelle, auch verletzende Licht gesetzt wird. Bei „Popetown“ wird bloß geblödelt. Auch der Ausdruck Kirchenkritik ist geschmeichelt. Ich kann den Missstand nicht entdecken, der hier satirisch aufs Korn genommen wird. Doch das macht die Serie nicht harmlos. Wenn ihr nicht einmal eine Botschaft habt, warum zieht ihr dann ins Lächerliche, was uns wichtig ist?, werden nicht nur katholische Christen fragen.

Trotzdem finde ich es verkehrt, nach schärferen Gesetzen zu rufen. Blasphemie, also Gotteslästerung, ist aus guten Gründen schon lange nicht mehr strafbar, und so soll es auch bleiben. Das Strafrecht hat im Gottesverhältnis nichts zu suchen. Auch die Verletzung religiöser Gefühle ist als solche nicht mehr strafbar. Es müssten dann ebenso nichtreligiöse Gefühle, die mit der persönlichen Identität ebenso eng verbunden sind, strafrechtlich geschützt werden. Und die religiösen Gefühle können ihrerseits mächtig divergieren. Manche sehen die ihren durch den Anblick des Gekreuzigten beleidigt. Die Verletzung religiöser Gefühle und die öffentliche Herabwürdigung von Bekenntnissen ist erst dann strafbar, wenn sie den öffentlichen Frieden gefährden. Ein entsprechender Streifen über Mohammed könnte sehr wohl den öffentlichen Frieden gefährden, mindestens in islamischen Ländern. Von „Popetown“ sind keine Krawalle zu erwarten. Und das werden wir doch nicht beklagen! Christen könnten solche Krawalle aus ihren eigenen Glaubensüberzeugungen heraus auch gar nicht rechtfertigen. Aber muss man das ausnützen?

Wenn sich die Befürworter von „Popetown“ auf die Meinungs- und Kunstfreiheit berufen, sind sie zwar im Recht, aber nicht deshalb, weil dieser Freiheitsgebrauch der Gesellschaft zugute käme, sondern weil Freiheitsrechte auch den unvernünftigen, ja sogar unmoralischen Gebrauch dieser Freiheiten – in Grenzen – schützen. Nicht alles, was rechtlich erlaubt ist, ist auch moralisch gut oder gar geboten. Zu den unangenehmsten Zeitgenossen gehören diejenigen, die das rechtlich Erlaubte rücksichtslos ausschöpfen. Prozessieren ist immer besser als sich schlagen, aber sehr viel schlechter, als sich friedlich zu einigen. Dass unsere Gerichte überfordert sind, hat doch auch damit zu tun, dass die Bereitschaft zur Rücksicht, zur friedlichen Einigung und zum Kompromiss sinkt. Schärfere Gesetze (die auf diesem Felde ohne erheblichen Schaden gar nicht machbar sein dürften) werden diese Bereitschaft weiter schwächen. Daran sollten sich die Kirchen nicht beteiligen. Ich würde den Kirchen auch nicht raten, wegen „Popetown“ zu prozessieren. Sie sollten öffentlich sagen, was sie von so einem Machwerk halten. Sie dürfen auch an den Jugendschutz erinnern, denn MTV wird vorzugsweise von Jugendlichen gesehen. Prozessieren sollten sie nicht. Ein gewonnener Prozess befördert beim Unterlegenen nicht Einsicht, sondern Trotz. Die Kirchen sollten auf Einsicht setzen, auch wenn das oft erfolglos ist.

Würde MTV eine Serie „Homotown“ senden, in der Homosexuelle verulkt werden? Wohl kaum. Es gehört sich nicht, Menschen ihrer sexuellen Orientierung wegen lächerlich zu machen. Ganz richtig. Es gehört sich ebenso wenig, Menschen ihrer religiösen Orientierung wegen oder das, was ihnen heilig ist, lächerlich zu machen. Wenn die moralische Qualifikation für die erstere Einsicht ausreicht, sollte ihr die zweite nicht unerschwinglich sein.

„Popetown“ ist ein so armseliges Machwerk, dass es, unangekündigt über den Sender gelaufen, womöglich glatt übersehen worden wäre. MTV hat das wohl geahnt und deshalb mit einer Werbekampagne dagegen Vorsorge getroffen. Kommerzielle Sender leben von den Einschaltquoten, nach denen sich der Preis der Reklame richtet. Man kann Einschaltquoten steigern durch Qualität oder durch Skandale. Die letztere Version ist billiger. Deshalb gibt es so viel Sex, Gewalt und – schlechten Geschmack im Privatfernsehen. Je größer die öffentliche Empörung über „Popetown“, umso mehr freut sich MTV. Wirksamer als der öffentliche Protest dürften deshalb Massen von E-Mails sein. Denn nichts trifft MTV härter als verärgerte Zuschauer, die abschalten. Kommerz ist immer auch ein Plebiszit, und das ist so in Ordnung.

Der Autor ist Theologe an der Humboldt-Universität zu Berlin.

„Popetown“, 21 Uhr 30, MTV

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