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© WDR

Radio: Köln statt Kreuzberg

Ersatz für Radio Multikulti: Der Integrationssender Funkhaus Europa des Westdeutschen Rundfunks wird ab Januar auch in Berlin und Brandenburg ausgestrahlt. Der Radiosender eines Flächenlandes, ausgestrahlt in einem Ballungsraum. Kann das gut gehen?

Die Hörfunkwelle Radio Multikulti und das Fernsehmagazin „Polylux“ des Rundfunks Berlin-Brandenburg (RBB) werden Ende 2008 trotz vieler Proteste eingestellt. Der Grund ist bekannt: Dem RBB fehlen in der Gebührenperiode von 2009 bis 2012 insgesamt 54 Millionen Euro. Da spielen die paar belegten Brötchen und das frische Obst ausgabemäßig auch keine Rolle mehr, die der RBB den Journalisten am Freitag im ARD-Hauptstadtstudio bei der Vorstellung des etwaigen Multikulti-Nachfolgesenders anbot. Der Integrationssender Funkhaus Europa des Westdeutschen Rundfunks (WDR) wird ab 1. Januar 2009 auch in Berlin und Brandenburg auf den Frequenzen von Radio Multikulti (96,3 MHz) ausgestrahlt. Damit entspricht der Kölner Sender laut WDR-Hörfunkdirektor Wolfgang Schmitz einem Wunsch des RBB. Funkhaus Europa sei jetzt der einzige interkulturelle Radiosender in Deutschland. Man habe durch die Zusammenarbeit mit Radio Bremen aber schon Erfahrungen in der Kooperation mit anderen Sendern gesammelt.

Das Funkhaus Europa ist ebenso wie Radio Multikulti ein vielsprachiges Programm mit Informationen und Musik rund um die Uhr, ein Tagesbegleitprogramm in Deutsch, das abends, nachts und am Wochenende in 14 weiteren Sprachen Sendungen anbietet. Dennoch, der Radiosender eines Flächenlandes wie Nordrhein-Westfalen, der die ganze Rhein- und Ruhr-Schiene bedient, ausgestrahlt in einem Ballungsraum wie Berlin-Brandenburg mit seinen spezifischen, lokalen Bedürfnissen und seiner Migrantenstruktur – es gibt Befürchtungen vor allem der zahlreichen Freunde von Radio Multikulti, dass das mit Funkhaus Europa für Berlin nicht gut geht, gar nicht gut gehen kann.

RBB-Hörfunkdirektor Christoph Singelnstein, Jona Teichmann, Programmchefin Funkhaus Europa und Ilona Marenbach, Noch-Chefredakteurin von Radio Multikulti (und bald stellvertretende Chefin der RBB-Welle Radio Eins) versuchten dem am Freitag, mit konkreten Programmen entgegenzutreten. Tenor: Berlin soll der speziellen Multikulti-Hörerschaft, die sich für andere Länder, Sprachen, Kulturen und weltweite Musik interessiert, auch nach dem Abschied von Radio Multikulti nicht verloren gehen. Alle 28 festangestellten Mitarbeiter von Radio Multikulti sollen weiter beim RBB beschäftigt sein, zum Beispiel bei TV-Sendungen wie der „Abendschau“, bei „Stilbruch“, beim InfoRadio oder bei Radio Eins, so Marenbach.

Sie sollen die Erfahrungen und Farbe von Radio Multikulti auch in andere Redaktionen und Sendungen des RBB übertragen. Etwa freie 40 Multikulti-Mitarbeiter können für RBB und WDR weiter als freie Mitarbeiter tätig sein, während rund 30 „trotz aller Bemühungen ab 1. Januar auf der Straße stehen werden“, wie Marenbach „mit großem Bedauern“ sagte. Immerhin wird das Programm vom Funkhaus Europa nicht nur komplett passiv aus Köln übernommen. Es soll weiter spezifische Berliner Anteile geben. „Wir liefern die polnisch-, russisch- und arabischsprachigen Sendungen wie die komplette Nachtschiene aus Berlin“, sagte Ilona Marenbach.

Singelnstein bezeichnete den Abschied von Radio Multikulti als „echten Verlust“, das öffentlich-rechtliche Programmangebot mit dem Funkhaus Europa, das seit 1999 aus Köln ausgestrahlt wird, nun jedoch als „Geschenk“ für den RBB. Eine Kooperationsvereinbarung mit den „wesentlichen Eckpunkten“ sei zwischen den beiden Anstalten unterzeichnet worden. Der klamme Hauptstadtsender müsse außer Ausstrahlungskosten nichts dafür bezahlen. Im Gegenteil. Vom WDR ergeht ein, so Schmitz, „mittlerer sechsstelliger Betrag“ an den RBB, unter anderem für die Zulieferung der drei Fremdsprachenprogramme. Der WDR-Hörfunkdirektor sprach von einer „neuen Herausforderung“ für den Westdeutschen Rundfunk.

Die presserechtliche Verantwortung für das in Berlin und Brandenburg ausgestrahlte Funkhaus Europa liegt allerdings beim RBB. Ein – von vielen Kritikern zumindest gewünschtes – regionales Fenster beim Funkhaus Europa, durch das Inhalte von Radio Multikulti weiter regelmäßig ausgestrahlt werden könnten, wird es laut Singelnstein nicht geben. Das Funkhaus Europa soll zunächst auch nur für ein Jahr über den RBB ausgestrahlt werden.

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