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© Uwe Steinert

Radio Multikulti: "Falsches politisches Signal"

Zum Jahresende will der RBB die Welle Radio Multikulti abschalten. Der Ex-SFB-Intendant Günther von Lojewski hält das für falsch. Er hat das Programm 1994 mitgegründet.

Herr von Lojewski, der Rundfunk Berlin-Brandenburg wird Radio Multikulti zum Jahresende abschalten und durch das WDR-Programm Funkhaus Europa ersetzen. Was halten Sie davon?

Ich halte es für ein falsches politisches Signal. Der Auftrag zur Gründung von Radio Multikulti lautete, in der Hauptstadt, in der Metropole ein Hörfunkprogramm zur Integration der Minderheiten anzubieten. An diesem Auftrag, an dieser Notwendigkeit hat sich nichts geändert. Ein Programm aus Köln kann ein Programm aus Berlin für Berlin und die Region nicht ersetzen.

Sie haben als SFB-Intendant Radio Multikulti 1994 mit aus der Taufe gehoben. Was waren die Motive?

Erst einmal: Es war beileibe nicht einfach, in der Politik dieses Programm durchzusetzen. Aber es war der gemeinsame Wille von Rundfunkrat und Intendanz. Übrigens war das auch beim Inforadio, das heute als das Nachrichtenmedium für Hauptstadt und Regierungssitz gefeiert wird, nicht anders. Beides sind für mich Integrationsprogramme und damit unverbrüchlicher Teil eines Programmauftrags, der sich aus dem Selbstverständnis des öffentlich-rechtlichen Rundfunks speisen muss. Daran hat sich 2008 nichts geändert.

Gegen Radio Multikulti wird auch das Argument des geringen Erfolges ins Feld geführt. Der Marktanteil des Programms bei allen Radiohörern wird mit 0,9 Prozent angegeben. Verglichen mit der potenziellen Hörerzahl ist der Marktanteil tatsächlich gering. Erreicht Multikulti nicht diejenigen, die das Programm erreichen soll?

Ich habe Zweifel an der Erhebungsmethode. Bis heute sind doch die fremdsprachigen Haushalte, die Radio Multikulti insbesondere ansprechen will und muss, in den Befragungen nicht qualifiziert erfasst. Allein das setzt hinter dem veröffentlichten Marktanteil ein großes Fragezeichen. Klar ist: Nur ein öffentlich-rechtlicher Sender kann ein derartiges Programm betreiben, ein kommerzieller wird es nie schaffen.

Der RBB betreibt sieben Radioprogramme. Ist da eines, sind da gar zwei zu viel?

Der damalige ORB-Intendant Hansjürgen Rosenbauer und ich, wir wollten ein überzeugendes Radio-Gesamtpaket für die Region schnüren. Was wir mit zwei getrennten Sendern geschafft haben, das muss auch einem gemeinsamen Sender möglich sein.

RBB-Intendantin Dagmar Reim begründet das Ende von Radio Multikulti unter anderem mit einer Finanzlücke von 54 Millionen Euro. Kann das ein Argument für die Schließung von Radio Multikulti sein?

Wir liefen beim Sender Freies Berlin auf ein Negativkapital von 160 Millionen Mark zu, und unser Etat war halb so groß wie der des RBB heute. Trotzdem haben wir uns ein Programm wie Radio Multikulti leisten können und wollen. Natürlich ist uns das auch gelungen, weil wir beim damaligen Sozialminister Norbert Blüm betteln gegangen sind. Dann kamen noch Gelder von der Medienanstalt Berlin-Brandenburg dazu. Es brauchte schon Initiative und Phantasie für das Betreiben eines solchen Radioangebots. Ich kann mir nur schwer vorstellen, warum diese öffentlich-rechtliche Aufgabe nicht weiterhin eine öffentliche sein soll.

Wird Radio Multikulti noch zu retten sein?

Nein, ich halte die Entscheidung der RBB-Geschäftsleitung für endgültig. Würde der Beschluss zurückgenommen, sähe es in der Öffentlichkeit so aus, als hätte die RBB-Spitze einen Fehler gemacht.

Wenn Sie Ihrer Nach-Nachfolgerin einen Rat geben sollten. Welches Hörfunkprogramm statt Multikulti würden Sie zur Disposition stellen?

Ich habe Frau Reim keine Ratschläge in der Öffentlichkeit zu erteilen.

Das Interview führte Joachim Huber.

Günther von Lojewski war von 1989 bis 1997 Intendant des Senders Freies Berlin (SFB). Heute leitet er das Journalisten- Kolleg der Freien Universität Berlin.

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