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Medien: Raus aus dem Revier

Nach der Berlin-Seite und „Jetzt“ stellt die „Süddeutsche“ ihren NRW-Teil ein. Letzte Ausgabe am Sonnabend

Von Barbara Nolte

Es ist kein gutes Zeichen, wenn die ganze Chefetage eines Verlags unangemeldet in der Redaktion auftaucht. Als am Donnerstagmorgen der Chef der „Süddeutschen Zeitung“ („SZ“), der Personalchef des Süddeutschen Verlags (SV) sowie die Geschäftsführer von „SZ“ und SV, als also Hans Werner Kilz, Rolf-Dieter Schulz, Hans Gasser und Klaus Josef Lutz im Düsseldorfer „SZ“-Büro standen, war jedem Mitarbeiter klar, was los war: Der Nordrhein-Westfalen-Regionalteil stand vor dem Aus. Gleich morgen Abend, so verkündete die Delegation aus München, könnten die Journalisten ihre Schreibtische räumen. Am Sonnabend erscheint die NRW-Ausgabe zum letzten Mal. Nur einer kann bleiben: Hans-Jörg Heims, einer der beiden Chefs. Heims wird Düsseldorf-Korrespondent. Für die restlichen zwanzig beginnen Gespräche um Abfindungen. Ihre Verhandlungsposition ist nicht besonders gut: Wer sich nicht auf einen Kompromiss einlässt, dem soll betriebsbedingt gekündigt werden.

Mit dem Regionalteil der „Süddeutschen Zeitung“ ist wieder ein ambitioniertes Zeitungsprojekt Opfer der Medienkrise geworden. Es wurde gestartet, als die Anzeigenerlöse bereits dramatisch gesunken waren: am 15. Januar 2002. Acht Seiten hat der tägliche NRW-Teil. Themen: Politik, Reportage, Kultur, Sport, Service. Fünf bis sechs Millionen Euro soll der Süddeutsche Verlag reingesteckt haben. „Es war eine strategische Investition“, sagt Verlagssprecher Sebastian Lehmann: Die NRW-Ausgabe sollte die Zeitung außerhalb Bayerns weiter verankern. Die „Süddeutsche Zeitung“ hat kein Geld mehr für strategische Investitionen.

„Die Erträge“, sagt Geschäftsführer Hans Gasser, seien weiter zurückgegangen. Die Anzeigenerlöse der „SZ“ sollen nochmal fast zehn Prozent unter den – ohnehin schon gedämpften – Prognosen für 2003 liegen. Der NRW-Teil würde auf unabsehbare Zeit Verluste schreiben – auch wenn seine Akzeptanz hoch ist. Um 10 000 Exemplare steigerte die „Süddeutsche Zeitung“ ihre Auflage in Nordrhein-Westfalen. Jetzt sind es 41 000. Vor allem der Vertrieb war zu teuer: Die Zustellung kostete pro Abonnement 14 Euro – sonst sind es sieben. Die „Süddeutsche“ musste nämlich einen eigenen Vertrieb aufbauen, nachdem ihr die nordrhein-westfälischen Regionalzeitungen, die zuvor die „Süddeutsche“ mit ausgeliefert hatten, die Kooperation aufgekündigt hatten.

Vor zwei Wochen soll sich der so genannte Lenkungsausschuss des Süddeutschen Verlags zur Einstellung des Regionalteils durchgerungen haben; der Ausschuss wurde auf Drängen des neuen Gesellschafters, der Südwestdeutschen Medien Holding (SWMH), im Februar eingerichtet. Am Mittwochabend soll der „SZ“-Chef Hans Werner Kilz in einem Gespräch mit den Gesellschaftern einen Versuch unternommen haben, die NRW-Ausgabe als Vier-Seiten-Spar-Variante zu retten. Der Regionalteil galt als sein Lieblingsprojekt. Kilz hat immer wieder seine ganze Macht für den Erhalt in die Waagschale geworfen. Diesmal konnte er die Gesellschafter nicht mehr überzeugen. „Leider ist es jedoch offensichtlich so, dass sich solche anspruchsvollen Projekte auf einem hohen journalistischen Niveau zur Zeit wirtschaftlich nicht erfolgreich gestalten lassen“, sagte Kilz anschließend.

In der gestrigen „SZ“-Redaktionskonferenz waren einige Redakteure aufgebracht: Noch nie war ein „SZ“-Teil von heute auf morgen geschlossen worden. Das sei keine Art. Manche ärgern sich auch darüber, dass die Verleger im Jahr 2004 schon wieder eine Rendite von zehn Prozent erzielen wollen. Bei der derzeitigen Anzeigenlage könne das nur heißen, so folgerten die „SZ“-Journalisten, dass die Wochenendbeilage als Nächstes dran glauben muss. Für den Donnerstagabend war in München eine außerordentliche Redaktionsversammlung einberufen worden.

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