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Kick per Klick: Auf "Silk Road" konnte man sich Drogen nach Hause bestellen.

© dpa

Rauschgift aus dem Internet: Klicken, bezahlen, nach Hause liefern lassen

Im Netz werden Drogen auf der „Seidenstraße“ verkauft. Unsere Autorin hat sich diese dunkle Seitengasse einmal genauer angeschaut.

Willkommen auf der „Silk Road“, dem Portal für Abhängige, dem Amazon für Dealer. Silk Road, zu Deutsch: Seidenstraße, das klingt geschmeidig und weich. Dahinter verbirgt sich ein Onlineshop, der stündlich auf einen anderen Server wechselt, um erreichbar, aber nicht greifbar zu sein. Wer über genügend Computerwissen verfügt, kann dort kaufen, was high macht.

Der Ton auf der Silk Road ist freundlich, der Handel unbeschwert: „Unsere Gemeinde ist fantastisch ... im Allgemeinen kluge, ehrliche Leute, die einander verstehen und untereinander sehr kooperativ sind“, schrieb der anonyme Administrator auf Anfrage der US-Nachrichtenseite „Gawker“ in einer Antwortmail vor gut einem Jahr. Die Händler, so heißt es, verfolgen ein anarchistisches Ideal, das keine Einmischung des Staates dulde.

Was viele nicht wissen: Der größte Teil des Internets liegt abseits von Suchmaschinen-Ergebnissen. Im sogenannten „Deep Web“ oder „Darknet“ agieren Wissenschaftler, Menschenrechtsaktivisten, Unternehmen oder Strafverfolgungsbehörden – meist anonym. Aber nicht nur sie. Dort floriert auch das kriminelle Geschäft mit Kinderpornografie, Neonazipropaganda, geknackten Kreditkarten, Waffen, Geldwäsche-Diensten, Bausätzen für Viren, raubkopierten Filmen, Musik und Drogen. Seit rund einem Jahr wird der Handel auf der Silk Road in Blogs und Foren und auf englischsprachigen Nachrichtenseiten dokumentiert. In Deutschland ist über den Schattenmarkt noch wenig bekannt. Vor kurzem habe die Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht mit der Observation dieses neuen Marktes begonnen, hieß es auf Anfrage des Tagesspiegels. Der Zugang zur Silk Road sei dem Bundeskriminalamt bekannt, hieß es auf Nachfrage bei der deutschen Polizei, und werde in den Bekämpfungsstrategien berücksichtigt – Angaben, in welchem Umfang dort ermittelt werde, wollte das BKA nicht machen.

Besucher der Silk Road nutzen Verschlüsselungsprotokolle, um sich anonym zu bewegen. Über die kostenlose Software „Tor“ – kurz für „the onion router“, „der Zwiebelrouter“, verwischen sie ihre virtuellen Fingerabdrücke. Die Zwiebel dient als Symbol für die vielschichtigen Verschleierungsebenen im sogenannten „Onionland“. Dieser Teil des Internets ist wenig ansehnlich im Vergleich zur Optik bekannter Suchmaschinen. Eine Welt mit Pfaden, die sich immer weiter verzweigen. Die Navigation ist oft umständlich und die Verbindung meist langsam. Außerdem haben die Seiten und privaten Netzwerke keine eindeutigen Namen. Die Adressen sind kryptisch. Auf die Silk Road gelangen Nutzer nur nach Eingabe einer langen Buchstaben-Zahlen-Kombination.

Wie die Ermittlungsbehörden versuchen, gegen den Online-Drogenmarkt vorzugehen

Wer auf dem illegalen Basar einkauft, bezahlt anonym, beispielsweise mit Paysafecard-Gutscheinen oder in Bitcoins. Die digitale Währung ermöglicht es, Geld an regulären Banken vorbei an andere Nutzer zu schicken. Zum Schutz der Käufer verwendet Silk Road für die Transaktionen ein Treuhandsystem namens Escrow. Dem Kunden werden die Bitcoins nach einer Bestellung zwar abgezogen, zunächst aber auf einem Zwischenkonto gelagert. Erst wenn der Käufer den Erhalt der Ware bestätigt, bekommt der Verkäufer sein Geld.

Artikel auswählen, dem Einkaufswagen hinzufügen, zur Kasse gehen: Der Drogenkauf auf der Seidenstraße ist einfach. Als würde es sich um Bücher oder Platten handeln, können sich die Käufer dort ausführlich über den angebotenen Stoff und deren Anbieter informieren. Ähnlich wie bei Amazon werden die Händler nach einer Transaktion von den Käufern bewertet, was Betrüger abschrecken soll. Gerade diese Zuverlässigkeit macht den virtuellen Marktplatz im Vergleich zu anderen illegalen Websites so attraktiv für dessen Nutzer. Sind die Drogen bezahlt, werden sie unauffällig per Post verschickt. Das ist der einzige Moment im Kaufprozess, an dem der Käufer eine persönliche Information offenbaren muss. Doch er kann die Adresse mit dem Programm „Pretty Good Privacy“, „Ziemlich guter Datenschutz“, verschlüsseln. Auf der Facebookseite „Silk Road Anonymous Marketplaces Notizen“ finden sich Tipps und Hinweise für den sicheren Einkauf. Dort wird gewarnt: „Schreiben Sie keine Details über das Verschicken der Sendung im Feedback ... Denk dran: Der Feind hört immer mit, und wenn jemand eine ausgeklügelte Verpackung hat, braucht das nicht der Zoll zu wissen, sonst wüssten die ja, worauf sie in Zukunft zu achten haben.“

Wer sind die Händler? Wer die Käufer? Es heißt, sie seien auf der ganzen Welt verstreut. Die Verkäufer hätten ihren Schwerpunkt in den USA und Kanada. „Die große Gefahr ist, dass immer weniger überschaubar ist, welche Substanzen online gehandelt werden. So wird es auch aus der Warte des Drogenberaters immer schwieriger, Abhängige zu erreichen“, sagt Frank Günther vom Drogenhilfeträger „Basis“ in Frankfurt. Der Verein hat zusammen mit dem Drogenreferat die Seite „legal-high-inhaltsstoffe.de“ entwickelt, um über vermeintlich legale Rauschmittel aus Substanzen der pharmazeutischen Forschung aufzuklären, die im Netz gehandelt werden.

Die Anonymität im „Onionland“ stellt auch für die Strafverfolger eine Herausforderung dar. Schon 2009 bezeichnete die Polizeigewerkschaft das Netz als den größten Tatort der Welt und sprach von Wachstumsraten bis zu 80 Prozent. Wie viele Straftaten heute im Darknet begangen werden, verzeichnet das Bundeskriminalamt (BKA) jedoch nicht. Ganz offiziell hat die US-Drogenbehörde der „Silk Road“ den Kampf angesagt. Bereits im letzten Jahr hatten die Senatoren Charles Schumer aus New York und Joe Manchin aus West Virginia eine Razzia auf der Seidenstraße und ein Ende der digitalen Bitcoins-Währung gefordert. Doch das ist nicht so einfach.

In einschlägigen Foren wird viel über mögliche Schwachstellen diskutiert. Zum Beispiel über die Möglichkeit, Händlern und Käufern über Lockangebote auf die Schliche zu kommen. Es heißt, dass das Tor-Netzwerk seit Jahren gezielt infiltriert werde. Die anonyme Sicherheit der Bezahlung durch Bitcoins wird infrage gestellt. Doch das Internet ist schnell, und die unterschiedliche Gesetzeslage in den Ländern macht es Behörden zusätzlich schwer, Online-Drogendealer zu verfolgen. Zudem ist die Silk Road nicht die einzige dunkle Seitenstraße im Netz. Im „Onionland“ gibt es mehr als ein Dutzend illegaler Drogenmärkte.

Dennoch gelang es im April, die Drogen-Handelsplattform „Farmers Market“ zu zerschlagen. Die acht mutmaßlichen Betreiber wurden in Kolumbien, den Niederlanden und den USA festgenommen. Während ihrer zweijährigen Ermittlung unter dem Decknamen „Operation Adam Bomb“ kam das internationale Ermittlerteam unter Leitung der US-Drogenbehörde den Händlern auf die Spur, obwohl diese die Tor-Software genutzt hatten. Laut Anklageschrift bedienten sie zwischen Januar 2007 und Oktober 2009 mehr als 5200 Bestellungen im Wert von über einer Million Dollar. Auf ihrer Kundenliste: mehr als 3000 Namen aus 35 Ländern. Für die hatte es bis zuletzt ein serviceorientiertes Management gegeben: inklusive Online-Foren, Internetbestellungen, Kundenbetreuung und vier verschiedenen Bezahlmöglichkeiten über die Dienstleister I-Golder, Paypal, Pecunix und Western Union.

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