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Für den westdeutschen Geheimdienst war Elli Barczatis eine Top-Agentin. Für die DDR-Regierung die perfekte Sekretärin von Otto Grotewohl.

© rbb/Gerd Müller

RBB-Doku über Elli Barczatis: Folkerts und das Fallbeil

Die „Tatort“-Kommissarin Ulrike Folkerts auf den Spuren eines alten DDR-Spionagefalles, über Elli Barczatis, die letzte Frau, die in der DDR hingerichtet wurde.

Es gibt eine Stelle in der RBB-Dokumentation „Tatort Berlin: Die Sekretärin und das Fallbeil“, an der bekommt Ulrike Folkerts jedes Mal eine Gänsehaut. Es ist der Moment auf der Tonbandaufnahme aus dem Jahr 1955, als der DDR-Richter die Angeklagte Elli Barczatis in einem Geheimprozess zum Tode wegen Spionagetätigkeit für den Westen verurteilt. Ein Urteil, mit dem die Chefsekretärin von DDR-Ministerpräsident Otto Grotewohl nicht gerechnet hatte. Elli Barczatis war die letzte Frau, die in der DDR hingerichtet wurde. Sie wurde 43 Jahre alt.

Die neue RBB-Reihe „Tatort Berlin“ hat nichts mit dem Sonntagabend-Krimi im Ersten zu tun. In „Tatort Berlin“ werden besonders spektakuläre Verbrechen aus der Vergangenheit behandelt. Am nächsten Montag wird an den S-Bahnmörder von Rummelsburg erinnert, eine Woche später ist der Massenmörder Bruno Lüdke an der Reihe, weitere Folgen beschäftigen sich mit Willi Kimmritz („Der Schrecken der Wälder“) und mit Werner Gladow. Im Mittelpunkt stehen die Verbrechen und ihre Täter, bei denen es sich allerdings um ganz gewöhnliche Kriminelle handelt – auch wenn sie es zu einigem „Ruhm“ gebracht haben.

Die Auftaktfolge „Die Sekretärin und das Fallbeil“ fällt aus dem Rahmen der Reihe. Elli Barczatis war keine Kriminelle. Sie wurde der Spionage beschuldigt und dafür zum Tode verurteilt. Dieses Urteil war politisch motiviert. Ihr „Verrat“ bestand darin, dass sie sich mit dem falschen Mann eingelassen hatte.

Ulrike Folkerts hat nicht lange gezögert

Kennengelernt hatte sie den Justiziar Laurenz während der Arbeit. Er war ebenfalls für den ostdeutschen Staat tätig, anfangs jedenfalls. Während sie weiterhin für Staatschef Grotewohl arbeitete, verlor er jedoch seinen Posten, wurde angeblich Journalist für westdeutsche Zeitungen. In Wirklichkeit aber arbeitete er für den späteren Bundesnachrichtendienst des Klassenfeindes BRD. Die Informationen, die sie ihm ohne Wissen um seine Spionagetätigkeit gab, mögen kein besonders großes Gewicht gehabt haben. Aber es war Verrat, und als alles herauskam, verloren beide ihr Leben.

Autorin Dora Heinze hatte die als „Tatort“-Kommissarin Lena Odenthal bekannte Schauspielerin Ulrike Folkerts gefragt, ob sie sich für diesen Film auf Spurensuche begeben wollte. Folkerts hat nicht lange gezögert. Sie könne sich diesen Stoff sogar für einen Doku-Fiction-Film vorstellen, in dem sie selbst die Rolle der Elli Barczatis übernimmt, sagte sie nach einer Pressevorführung. Man merkte Folkerts an, dass sie am Schicksal dieser Frau wirklich interessiert war, die sich bis zum Schluss nicht vorstellen konnte, dass sie für die Weitergabe dieser wenigen Informationen während der intimen Stunden mit ihrem Geliebten hingerichtet werden sollte.

Tonband mit den Stimmen des Richters und der Angeklagten

Bemerkenswert ist, was Dora Heinze aus dem ihr vorliegenden Material gemacht hat. Neben wenigen Fotografien gibt es nur eine ganz kurze Filmsequenz, auf der man eine offensichtlich lebenslustige Frau sieht. Und eben jenes Tonband mit den Stimmen des Richters und der Angeklagten. Das Tonbandgerät Marke „Smaragd“ aus RFT-Produktion, auf dem sich die Spule mit den historischen Aufnahmen dreht, ist hingegen nur eine nett anzusehende Requisite aus einem Museum. Die überragende Tonqualität des Bandes, bei der man fast vergessen könnte, dass seit der Aufnahme inzwischen 60 Jahre vergangen sind, ist zudem das Ergebnis einiger tontechnischer Verbesserungen.

Neben dem konkreten Fall erinnert die RBB-Doku daran, wie unversöhnlich sich die beiden deutschen Staaten nach dem Zweiten Weltkrieg gegenüberstanden. Zwei Staaten mit unterschiedlichen politischen Systemen, die sich 1954 mitten im Kalten Krieg befanden. Das eine System ist untergegangen. Die Überreste werden unter anderem in der Stasi-Unterlagenbehörde verwaltet. Dort konnten Heinze und Folkerts mehrere dicke Aktenstapel auswerten. Die damalige Gegenseite – der Bundesnachrichtendienst – bleibt hingegen zugeknöpft. Auch 60 Jahre nach dem Todesurteil gegen den vom BND geführten Ost-Spion und seine Geliebte will sich der westliche Geheimdienst noch immer nicht in die Karten schauen lassen und zeigen, wie nah man an den damaligen DDR-Ministerpräsidenten und das Zentrum der Macht in Ost-Berlin herangekommen war.

„Tatort Berlin: Die Sekretärin und das Fallbeil“, RBB, Dienstag, 20 Uhr 15

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