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Medien: Reden an die Presse

Eine Konferenz zur rechten Zeit: Wie sollen die Medien mit der Herausforderung Islamismus umgehen?

Von Caroline Fetscher

„Wir sind jetzt in einer Situation des großen Kampfes der Zivilisationen“, erklärte der Europa-Parlamentarier Daniel Cohn-Bendit gestern in Berlin. „Es ist an euch, den Journalisten, da richtig zu reagieren.“ Cohn-Bendits „Rede an die deutsche Presse“ bildete den Abschluss einer seit Monaten geplanten, zweitägigen Konferenz der Bundeszentrale für politische Bildung zum Thema „Der Islamismus – eine journalistische Herausforderung“. Während er seine eigene „Verwirrung“ angesichts der angespannten Weltlage eingestand, forderte Cohn-Bendit die Medien auf, mit dem gegenwärtigen „Scheitern der multikulturellen Gesellschaft“ nicht in Klischees zu verfallen, weiter nach Hintergründen – und damit nach Zukunft – zu suchen. Kein Geschehen in Europa könne mehr losgelöst vom globalen Geschehen gesehen werden. Alle Migranten etwa orientieren sich heute via Massenmedien und Internet zugleich am Herkunftsland wie an dem Land, das sie aufgenommen hat. Journalisten müssten sensibler denken, historische Gekränktheiten ganzer Gruppen ins Auge fassen, etwa die tiefe Angst des Iran vor einem erneuten Trauma wie der Invasion durch Saddams Irak. „Dass die Atombombe schlecht ist, ist keine Frage“, erklärte Cohn-Bendit. Aber man müsse die Bevölkerung des Iran auch von innen begreifen, um Fundamentalismus effizient die Stirn bieten zu können.

Konzipiert von Eberhard Seidel, Leiter des Berliner Vereins „Schule ohne Rassismus“, war das Programm der Konferenz so aktuell, wie anspruchsvoll – und sein Inhalt mitunter Schrecken erregend. Vom Mord an Theo van Gogh 2004 über die Unruhen in den Pariser Banlieues 2005, die seit dem Afghanistankrieg wachsende Internet-Guerilla von Al Qaida-Sympathisanten (siehe Kasten) bis zur gegenwärtigen Eskalation muslimischer Proteste gegen Karikaturen des Propheten Mohammeds in europäischen Zeitungen bot sich ein geballtes Bild der Bedrohung einer „wehrhaften Demokratie“, wie nicht allein Henryk M. Broder sie sich weiter wünscht. Broder zufolge gibt es eine der Einschüchterung entspringende Toleranz für Minderheiten, deren antidemokratische oder sexistische Positionen unsere Solidarität nicht verdienen. „Jede Katastrophe beginnt mit kleinen Haarrissen“, so Broders Fazit. Wo Stück für Stück nachgegeben wird, da erodiert die Freiheit. Auch Cohn-Bendit konstatierte, Toleranz könne durchaus „Ignoranz bedeuten“, etwa wenn eine Mehrheitsgesellschaft Zuwanderern gegenüber schweigend den „Geruch ausströmt: Wir wollen euch nicht.“

Wie viel Meinungsfreiheit nötig und möglich ist, damit befasste sich in klarer Gedankenschärfe Richard Herzinger anhand der Karikaturen-Proteste: „Die Kampagne gegen Dänemark hat gar nichts mehr damit zu tun, für wie gelungen man die eine oder andere der inkriminierten Karikaturen halten mag. Es handelt sich um einen seit den Zeiten der totalitären Diktaturen in Europa beispiellosen Versuch, eine westliche Demokratie zur Preisgabe ihrer grundlegenden Rechtsprinzipien zu zwingen.“ Herzingers Conclusio: „Die vermeintliche Beleidigung des islamischen Glaubens bietet den in der Arabischen Liga versammelten Regimes den Vorwand zu einer Retourkutsche gegen den Westen, der sie mehr und mehr auf den Weg der Demokratisierung ihrer Gesellschaften drängt, und dem sie nun ihrerseits gerne einmal ihr eigenes Wertesystem aufdrängen wollen.“

Wo demokratische und atavistische Auffassungen von Recht und Unrecht aufeinander stoßen, sollte die Demokratie einerseits diskursbereit, andererseits nicht erpressbar sein. Das schien der breite Konsens der meisten Teilnehmer. Thomas Schmid von der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ mahnte an, die Errungenschaften der Säkularisierung, welche den Glauben zur Privatangelegenheit macht, keinesfalls preiszugeben.

Schließlich stelle sich das Problem einer mangelnden Datenbasis zum Thema in Europa, auch in Deutschland. Wie groß ist das Potenzial zu Fundamentalismus und Gewaltbereitschaft bei den in Deutschland lebenden Muslimen? Weder Politiker noch Journalisten wissen das genau. Claudia Dantschke, Arabistin aus Leipzig, schätzt, dass unter den 3,5 Millionen Muslimen in Deutschland die Neigung, sich religiös orthodoxer bis fundamentalistisch zu empfinden, zu definieren, zu geben oder zu verstehen sich etwa auf ein Drittel erstrecke. Das bedeute noch lange nicht, dass diese selbst zum Mittel des Terrors greifen würden.

„Sorge bereitet mir schon ein einziger islamistischer Terrorist in Deutschland, der Dutzenden den Tod bringen könnte“, versicherte mit Nachdruck Herbert Landolin Müller, Leiter der „Kompetenzgruppe Islamismus“ des Baden-Württembergischen Verfassungsschutzes. Er warnte Medienvertreter außerdem davor, simple Unterscheidungen zwischen „modernistisch-integrativen“ Muslimen auf der einen, und traditionellen oder fundamentalistischen auf der anderen Seite zu treffen. Ahmet Senyurt, freier Journalist, erinnerte daran, dass es überall gilt, kritische Distanz zu wahren, auch bei Kontakten mit Quellen wie Nachrichtendiensten. „Selber recherchieren“ – das ist der Königsweg in der Demokratie – auch und gerade angesichts des Islamismus. Der wird uns noch, fürchtet Cohn-Bendit, ähnlich plagen und beschäftigen, „wie der Kommunismus“.

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