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Rollentausch: Der Harte und der Zarte

Zwei Männer für spezielle Fälle: Jörg Schüttauf und Dominic Boeer im Action-Krimi „Die Draufgänger“ von RTL.

Der Plural im Titel ist fast schon Verrat, denn der Reiz des Gespanns liegt gerade im Kontrast: Während der jugendlich ungestüme Carl Berger vom Landeskriminalamt Sachsen grundsätzlich erst handelt, bevor er denkt, ist der fast zwanzig Jahre ältere Markus Maiwald ein besonnener Ermittler. Dass auch er immer wieder Kopf und Kragen riskieren muss, ist eine Frage der Sympathie: Carl gehört praktisch zur Familie, Maiwalds Kinder lieben ihn wie einen zweiten Vater; also muss Markus hinterher, wenn Carl tollkühn der Gefahr ins Auge blickt.

So interessant wie die beiden Figuren sind auch die Darsteller. Während Dominic Boeer („Soko Wismar“) in jedem Jason-Statham-Ähnlichkeitswettbewerb vermutlich sogar den Action-Darsteller („Crank“) selbst noch ausstechen würde, ist Jörg Schüttauf als väterlicher Freund perfekt besetzt. Zwar muss er nun schon wieder einen Polizisten verkörpern, wozu er nach acht Jahren als Frankfurter „Tatort“-Kommissar Fritz Dellwo eigentlich keine Lust mehr hatte.

Aber außer der Dienstmarke gibt es kaum Parallelen, im Gegenteil: Vor noch gar nicht langer Zeit wäre Schüttauf eigentlich für den Part des impulsiven Kollegen prädestiniert gewesen. Umso reizvoller ist der Rollentausch: Maiwald ist ein typischer Familienmensch, der schon mal mitten im Einsatz einen Anruf von der Gattin bekommt, weil er noch Fischstäbchen mitbringen soll; in solchen Momenten hat der Film fast parodistische Züge.

Tatsächlich aber ist „Die Draufgänger“ eine Mischung aus Krimi und Thriller mit klar verteilten Vorzeichen. Im Grunde gehorcht die Dramaturgie einer klaren ABC-Strategie. A steht für Action: Der offenbar unzurechnungsfähige Ex-Soldat Weber (Fabian Hinrichs) sinnt auf Rache, weil vor Jahren beim Elbhochwasser seine Familie ertrunken ist. Nun ermordet er der Reihe nach all jene, die er für den Tod der Angehörigen verantwortlich macht. B steht für Beziehung: Um den Elan seines Partners etwas zu bremsen, hat der zum Abteilungsleiter beförderte Maiwald eine Polizeipsychologin auf Berger angesetzt. Die beiden sind einander auf Anhieb derart spinnefeind, dass es permanent knistert, wenn sie aufeinandertreffen. Nadeshda Brennickes flirrender Schlafzimmerblick passt gewiss nicht zu allen Rollen, die sie annimmt; hier umso mehr.

Für C wie Comedy schließlich sorgen die unbekümmerten Streiche, die Berger und die Kollegen ihrem Chef spielen. Das ist nicht immer niveauvoll (Buch: Frank Speelmans), aber immer witzig umgesetzt (Regie: Florian Kern). Gleich zu Beginn muss sich Maiwald bei einer Geiselnahme bis auf die Socken ausziehen. Das Video vom nackten Hintern des Chefs macht prompt im ganzen Landeskriminalamt die Runde. Das klingt nach Klamauk, passt aber als entspannendes Element trotzdem gut in die Krimidramaturgie, zumal Schüttauf in diesen Szenen an den gütigen Lehrer erinnert, der seinen kleinen Strolchen gar nicht böse sein kann.

Im Grunde ist der gebürtige Chemnitzer, der am zweiten Weihnachtsfeiertag 2011 fünfzig wird, fast zu jung für so eine Rolle, aber sie hat ihm offenkundig Spaß gemacht. Und vielleicht darf er sie ja noch öfter spielen. Serienpotenzial haben die Figuren allemal, und wenn der Film Erfolg hat, wird es wohl Fortsetzungen geben. Davon abgesehen ist auch die Geschichte prima: Immer, wenn die beiden Dresdner Ermittler glauben, die Pläne des von Hinrichs mit angemessener Arroganz verkörperten größenwahnsinnigen Killers vereitelt zu haben, müssen sie erkennen, dass er ihnen schon wieder einen Schritt voraus ist. So können sie zwar dank eines cleveren Bluffs die Sprengung eines Staudamms verhindern, doch Weber hat noch ein letztes Ass im Ärmel: Auch Berger, mit dem er noch eine persönliche Rechnung offen hat, soll spüren, wie es ist, seine Familie zu verlieren. Aber der verwitwete Berger hat gar keine Familie; jedenfalls keine eigene.

„Die Draufgänger“, Donnerstag,

RTL, 20 Uhr 15

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