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Medien: Rotwein fürs Timbre

Leben in Synchron: Dietmar Wunder ist die deutsche Stimme von James Bond

Von Marc Felix Serrao „Damm, da, da, damm ...“ Das kann doch nicht ... doch, es ist: James Bond. Die Titelmelodie. Dietmar Wunder grinst, etwas verschämt, und geht ans Handy. „Schatz?“ Eine feste Partnerin also. Das fängt ja gut an. Verheiratet, wie er später erklärt, mit Kindern noch dazu: Nisha, drei Monate, Joshua, viereinhalb Jahre. Der Doppelnullagent als Papa, klein und mit Glatze – nein, auf den ersten Blick hat Dietmar Wunder, 40, rein gar nichts mit dem Mann zu tun, der mit 1,15 Millionen Zuschauern am Startwochenende zurzeit Deutschlands Kinos regiert. Bis Dietmar Wunder den Mund aufmacht.

„Ist er Ihnen aufgefallen?“ Dietmar Wunder guckt an seinem Hintern herunter und grinst: „Mein Lieblingssatz!“ Er stammt von Daniel Craig, dem neuen „007“ – und ist eine Antwort auf die Bemerkung des neuen Bondmädchens Vesper Lynd (Eva Green) über seinen „perfekt geformten Hintern“. Wunders Bass sorgt dafür, dass der Bond’sche Machismo in der deutschen Fassung erhalten blieb. Weich und dunkel ist seine Stimme, mit einer Note Kratzigkeit. So klingen Typen, die ihren Martini schon trinken, wenn die Sonne noch scheint. Wunder lacht. Sonor sei er schon immer gewesen, die Nuancen könne man trainieren. Bevor „Casino Royale“ im Oktober bei „Interopa Film“ in Berlin-Neukölln in letzter Minute synchronisiert wurde, hat der Bond-Sprecher allabendlich Rotwein getrunken. „Fürs Timbre.“

Als „Jungendfantasie“ bezeichnet der gebürtige West-Berliner seinen jüngsten Job. Ob er die alten Bond-Filme zur Vorbereitung geguckt hat? „Nicht nötig, ich bin schon lange Fan.“ Bond ist die Krönung. Filmadel, selbst für Synchronsprecher. Auch die anderen Rollen von Dietmar Wunder können sich hören lassen: die deutsche Stimme von Cuba Gooding jr., Don Cheadle, Adam Sandler und Sam Rockwell. Wie man Synchronsprecher wird? „Zufall“, sagt Wunder, er habe eigentlich ans Theater gewollt. 1992 macht er an der Berliner Schauspielschule Maria Körber seine Bühnenreifeprüfung. Sein erster Theaterauftritt fällt vor allem stimmlich auf. Rasch folgt die erste Sprecherrolle: In der US-Kultserie „Happy Days“ wird Wunder zur deutschen Stimme eines stotternden Teenagers. Zuschauerinnen dürften den Synchronsprecher als Stimme von Robert Downey jr. in der Erfolgsserie „Ally McBeal“ kennen. Er selbst erinnert sich besonders gerne an seine Vertonung des Dr. Joel Fleischman in der von RTL und Vox in den 90ern ausgestrahlten Serie „Ausgerechnet Alaska“. So reich wie die Hollywoodstars werde man als deren deutsche Stimme natürlich nicht, sagt Wunder. „Aber ich kann gut davon leben.“ Er arbeitet fast ununterbrochen. Neben den vielen Kino-, Theater-, Hörspiel- und Werbejobs („bei Ihrer Berliner Sparkasse“) ist er als Synchron-Regisseur für die deutsche Fassung der US-Krimiserie „CSI: NY“ verantwortlich.

Ungeachtet seiner persönlichen Erfolge macht dem Synchronsprecher eine Entwicklung große Sorgen. Bei der Vertonung ausländischer Filme herrscht in deutschen Synchronstudios immer stärkerer Zeitdruck. „Früher mussten wir maximal um die 20 Takes pro Stunde machen. Beim Fernsehen sind es heute im Schnitt doppelt so viele.“ Er selbst würde das so nie sagen, schon aus Respekt vor den Kollegen, aber jeder, der in den letzten Jahren ein paar synchronisierte Filme gesehen hat, weiß: Das höhere Arbeitstempo der Synchronsprecher macht sich negativ bemerkbar. Man hat sich fast schon daran gewöhnt: Bilder, Musik, alles war mal wieder schön. Nur die deutschen Stimmen: zu schnell, zu langsam, ohne Charme, billig. Vielleicht setzt die Branche ausgerechnet hier den Rotstift an, weil die Synchronsprecher kaum einer kennt. Nach dem Motto: Wir haben so viel für den Film bezahlt – das Geld müssen wir irgendwo wieder reinholen.

Persönlich gesehen, geschweige denn gehört, haben sich der neue Bond und seine deutsche Stimme übrigens noch nie. Bei der pompösen Deutschlandpremiere von „Casino Royale“ saß Daniel Craig im Kino 8 des Berliner Sony-Centers, Dietmar Wunder im Kino 2. Aber vielleicht war das auch ganz gut so. Der Berliner hat nämlich noch einen Lebenstraum: „Einmal in einem Bond-Film mitspielen.“ Er lächelt. „Als Bösewicht!“

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