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Der Kriegsdreiteiler „Unsere Mütter, unsere Väter“.

© picture alliance / dpa

Rückblick: Es gab schon schlechtere Fernsehjahre als 2013

Markus Lanz, "Berlin - Tag & Nacht", "Borgia", "Unsere Mütter, unsere Väter" und natürlich der "Tatort" - was bleibt aus diesem Fernsehjahr, was kann man getrost vergessen.

Donnerstag, 27. November. Erstaunlich ruppig interviewt ZDF-Moderatorin Marietta Slomka SPD-Chef Sigmar Gabriel im „heute-journal“. Es geht um das SPD-Mitgliedervotum. Sie reagiert rechthaberisch, er dünnhäutig. „Tun Sie mir einen Gefallen, und lassen Sie uns den Quatsch beenden“, sagt irgendwann ein genervter Gabriel. Es war vielleicht der interessanteste Moment in diesem Fernsehjahr, nicht nur unterhaltsam und spannend, sondern auch lehrreich, was das Verhältnis von Medien und Politikern betrifft, viel besser als all die TV-Duelle und Wahlkampfsendungen zuvor. Livefernsehen, entlarvend, ungeplant.

Da können sich die Programmdirektoren, Planer und Zuschauerforscher noch so sehr ins Zeug legen. Was ist dieses Jahr nicht alles vorab hochgejazzt worden. Das Historiendrama „Borgia“ im ZDF gehörte zu den am wenigsten erwarteten Flops. Die erste Staffel war vor zwei Jahren mit sechs Millionen Zuschauern gestartet. Sechs neue Folgen stießen auf maues Interesse. Als bei Folge drei 2,25 Millionen übrig waren, verlegte das ZDF das Ganze in den späten Abend. Ganz unschuldig ist das ZDF an dieser Entwicklung nicht. In den Tagen vor der Ausstrahlung gab es massive Programmwerbung für neue „Soko“-Folgen, kaum für „Borgia“. Vielleicht war das Ganze aber auch zu brutal und zu sexy fürs ZDF-Publikum (Durchschnittsalter: Ü60).

Und die Jungen? Damit die Zuschauer, die die „heute-show“ Woche für Woche am Freitagabend zum ZDF lockt, auch in der Sommerpause zuschalten, lief die Improcomedy „Durchgeknallt“ mit Jörg Thadeusz. Fünf Comedians hatten auf thematischen Zuruf einen Sketch aus dem Stand zu spielen. Man weiß nicht, wer einem mehr leid tun konnte: die Zuschauer im Saal oder der Moderator. Thadeusz’ Kollegin Inka Bause wollte im ZDF den Nachmittagstalk wiederbeleben. Knapp über 800 000 Zuschauer sahen die erste Folge, nur die letzte, die 49. Folge, die bereits nach zwei Monaten zu sehen war, sollte mehr Zuschauer haben.

Auch RTL schwächelte. Immerhin, es wurde was probiert, wenig gelang. Wie bei „Christine. Perfekt war gestern“ (RTL). Mit „Doctor’s Diary“ hatte Diana Amft RTL ungeahnte Erfolge im Bereich eigenproduzierter Serien beschert, mit „Christine“ sollte sie das Sitcom-Genre wiederbeleben. Vergebens, eine zweite Staffel gibt’s nicht. Auch nicht für Claudia Schiffer und „Fashion Hero“ (Pro7) in der Castingspur von Heidi Klum.

"Homeland" funktioniert nicht - bei Sat1

Ein Negativkapitel für sich: Sat1 und seine US-Serien. Beim „Schweigen der Lämmer“-Prequel „Hannibal“ rutschten die Marktanteile in den einstelligen Bereich herunter. Sat 1 verschob die Serie um eine Stunde nach hinten. Weitere Beispiele: „Homeland“ und „House of Cards“. Auch diese Versuche, dem Zuschauer des gepflegten deutschen Privatfernsehens hochgelobte Serien näherzubringen, scheiterten. Serienfans wollen halt woanders fündig werden. Wenn US-Serien bei uns laufen, haben die Fans die Folgen schon auf DVD oder auf VoD-Portalen wie Watchever (oder auf Streaming-Websites) gesehen. In der Konsequenz bedeutet dies, dass solche Serien gar nicht mehr im Free TV laufen werden.

Erstaunlich schwierig ist es, der ARD Programmauffälligkeiten nachzuweisen. Problemfeld hier weiter: der Vorabend. Die „Heiter bis tödlich“-Krimireihe mit regionalen Schwerpunkten hat daran kaum etwas geändert. Ansonsten ging das Erste auf Nummer sicher. Kai Pflaume gehört mit seiner Samstagabendshow „Klein gegen Groß“ mit deutlich über fünf Millionen Zuschauern zu den Gewinnern des Jahres. Im Showbereich gab es senderübergreifend ansonsten kaum etwas Neues, mal abgesehen von „Die 2“, dem Kindergeburtstag mit den Freunden Günther Jauch und Thomas Gottschalk (RTL). „Ich bin ein Star – Holt mich hier raus“ konnte in Jahr eins nach Dirk Bach quotenmäßig noch mal zulegen und baute den Vorsprung deutlich aus. Das Finale kratzte an der 50-Prozent-Marktanteilsmarke. Das Markus-Lanz-Bashing mal außen vorgelassen – wenn es nach den absoluten Zahlen geht, liegt „Wetten, dass..?“ beim Gesamtpublikum weiter an der Spitze der Showrangliste, nur deutlich gestutzt. Im Schnitt sahen 2013 noch 7,4 Millionen Zuschauer zu, die letzten vier Ausgaben lagen allerdings unter der Sieben-Millionen-Marke.

Auch Dokusoaps sind nicht unterzukriegen. Das Genre blieb 2013 eine RTL-Domäne, auch wenn alteingesessene Formate unter Druck sind. Außer „Bauer sucht Frau“, das den Spitzenplatz zurückholte. Im vergangenen Jahr hatte den noch Christian Rach als Restauranttester inne. In seiner letzten Staffel büßte das Format aber noch mal deutlich Zuschauer ein und rutschte auf Rang drei ab. Inzwischen hat Rach RTL den Rücken gekehrt. Ein Überraschungserfolg: das von Social-Media unterstützte Scripted-Reality-Format „Berlin – Tag & Nacht“ (RTL2), getragen von Laiendarstellern wie Saskia Beecks alias Alina.

Ein Phänomen hat sich verstärkt. Die alles dominierende Ausnahmeserie fürs junge Publikum gibt es nicht mehr. Knapp vorne liegt „Navy CIS“, eines der wenigen Erfolgsprojekte von Sat1. Aufsteiger sind „Bones“ und „CSI: Vegas“. Den einzigen Neustart in den Quoten-Top-Ten der jungen Zielgruppe lieferte ProSieben mit „Under the Dome“. Beim Gesamtpublikum sieht das anders aus. Da stehen Serien vorne wie „Um Himmels Willen“, „In aller Freundschaft“ oder „Der Bergdoktor“. Es bleibt weiter erstaunlich, womit das öffentlich-rechtliche Fernsehen seine Zuschauer glaubt unterhalten zu müssen. Zeit für eine neue Staffel des lustig-klugen Eifel-ARD-Krimis „Mord mit Aussicht“.

Apropos lustig. Der „Tatort“ dominiert das Geschehen am Sonntagabend so stark wie lange nicht mehr. Neunmal gelang der Sprung über die Marke von zehn Millionen Zuschauern. Das burleske Münster-Team konnte seinen Spitzenplatz vor Til Schweigers „Tatort“-Einstand knapp behaupten. Die am besten bewertete Folge 2013 im Fanforum tatortfundus.de ist allerdings die RBB-Ausgabe „Gegen den Kopf“ über einen Totgeprügelten im Berliner U-Bahnhof. Schade, dass es die „Polizeiruf“-Ausgaben mit Matthias Brandt sowie Charly Hübner und Anneke Kim Sarnau nicht in die Charts geschafft haben. Abseits des „Tatorts“ hat das ZDF die Highlights gesetzt. Der Dreiteiler „Das Adlon“ erreichte über achteinhalb Millionen Zuschauer, „Unsere Mütter, unsere Väter“ im Frühjahr über sieben Millionen. Das Generationenporträt von fünf Freunden zur Zeit des Zweiten Weltkrieges war die herausragende Fiction-Produktion in 2013.

Das war abzusehen. Hitler und Zweiter Weltkrieg im Fernsehen, das geht immer.

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