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Ist der Rundfunkbeitrag verfassungsgemäß? Diese Frage verhandelt das Bundesverfassungsgericht am Mittwoch und am Donnerstag. Das Urteil wird für den Herbst erwartet.

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Update

Bundesverfassungsgericht: Richter sehen Gleichheits-Probleme beim Rundfunkbeitrag

Das Bundesverfassungsgericht nimmt sich den Rundfunkbeitrag vor. Drei Kläger kommen aus dem privaten Bereich, einer aus dem gewerblichen.

Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat am Mittwoch mit kritischen Fragen die Verhandlung zur Rechtmäßigkeit des Rundfunkbeitrags eröffnet. Der Beitrag werfe „Probleme einer gleichheitsgerechten Belastung auf“, sagte am Mittwoch der Vorsitzende des 1. Senats, Ferdinand Kirchhof. Er wird seit 2013 pro Wohnung und nicht mehr nach Art und Zahl von Empfangsgeräten erhoben.

Bei Firmen ist unter anderem die Zahl der Dienstwagen Grundlage der Beitragshöhe. So könnte es nach Worten Kirchhofs unter Gleichheitsgesichtspunkten problematisch sein, dass für private Fahrzeuge kein Beitrag fällig sei, für Dienst- oder Mietwagen hingegen schon.

Außerdem würden mit einem Beitrag pro Wohnung alle anderen darin wohnenden Personen entlastet - auch das könnte auf eine Ungleichbehandlung hindeuten. Möglich sei auch, dass es sich bei dem Beitrag um eine Steuer handelt, wie es die Kläger, drei Privatpersonen und der Autovermieter Sixt, monieren. „In dieser Abgabenform würde ihm ein Verdikt der Verfassungswidrigkeit drohen“ sagte Kirchhof.

"Zu teuer, recht tendenziell, nicht kritisch genug“

Der Rundfunkbeitrag ist seit seiner Einführung im Jahr 2013 für viele Bürger ein Ärgernis. Die einheitliche Gebühr von 17,50 Euro wird seitdem pro Wohnung erhoben - unabhängig davon, ob es sich etwa um eine Zweitwohnung handelt, um einen Single-Haushalt ohne Empfangsgeräte oder um eine Studenten-WG mit mehreren PCs, die auch Radio- und TV-Programme empfangen können.

„Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist zu teuer, recht tendenziell, nicht kritisch genug“, sagt einer der drei Kläger aus dem privaten Bereich, Robert Splett. „Wir brauchen keine 100 öffentlich-rechtlichen Programme“, kritisiert er. Der 52-jährige Informatiker zieht seit 2011 gegen den Beitrag zu Felde und zahlt seither auch nicht.

Außerdem halten es die Beschwerdeführer für verfassungswidrig, dass der Beitrag auch dann bezahlt werden muss, wenn in einem Haushalt weder Fernseher noch Radio vorhanden sind. Weitere Kritikpunkte: Mehrere Menschen in einem Haushalt können sich den Beitrag teilen, Alleinlebende müssen ihn alleine tragen. Besitzer von Zweitwohnungen seien benachteiligt, weil sie für beide Wohnungen zahlen müssen, aber nur in einer Wohnung zur Zeit Rundfunk empfangen können.

Der Autovermieter Sixt, der als Gewerbetreibender für seine Fahrzeugflotte Beiträge zahlen muss, streitet als vierter Beschwerdeführer am Mittwoch ebenfalls vor dem Verfassungsgericht. Die Richter des ersten Senats müssen klären, ob es zulässig ist, für Betriebe je nach Zahl der Mitarbeiter gestaffelt Rundfunkbeiträge zu erheben.

Der Leiter der Sixt-Rechtsabteilung, Andrew Mountstephens, hält den Rundfunkbeitrag für gewerblich genutzte Autos auch deswegen für verfassungswidrig, weil er nur unter Mitwirkung der Zahlungspflichtigen eingetrieben werden könne. Das sei in den bisherigen Gerichtsverfahren von Sixt zwar ausführlich vorgetragen, von den Gerichten jedoch in ihren Urteilsgründen vollkommen ignoriert worden, kritisiert er. „Der Unehrliche kann kaum erwischt werden, der Ehrliche ist der Dumme.“ Allein bei Sixt seien fast 50 000 Fahrzeuge mit einem monatlichen Beitrag von 5,83 Euro betroffen, sagt Mountstephens.

René Ketterer geht es ums Prinzip

„Mir geht es nicht um die 17 Euro 50“, sagt der langjährige Beitragsverweigerer und Initiator des Forums „GEZ-Boykott“, René Ketterer, aus Trossingen. „Mir geht es ums Prinzip.“ Er wehrt sich gegen die, wie er es sieht, Zwangsabgabe und empfindet die hohen Gehälter etwa von Moderatoren als unsozial. „Ich werde die Verhandlung am Mittwoch genau verfolgen“, sagt er. Rechtsanwalt Sascha Giller aus Jena, der Beitragsverweigerer vertritt, spricht den Öffentlich-Rechtlichen die Neutralität ab. „Die geben gerne vor, dass sie staatsfern sind und eine neutrale Berichterstattung sicherstellen könnten. Aber das stimmt nicht. Denn die Zwangsfinanzierung ist ja durch den Staat sichergestellt - und der Einfluss der Politik auf die Intendanten immer gegeben.“

Nach Überzeugung von ZDF-Justiziar Peter Weber haben die Länder mit dem Rundfunkbeitrag ein gut funktionierendes Modell zur Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in der dualen Rundfunkordnung geschaffen. „Diese Art der Finanzierung ermöglicht dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk seinen Funktionsauftrag zu erfüllen. Der Rundfunkbeitrag stellt eine notwendige Weiterentwicklung der Rundfunkgebühr dar, insbesondere auch im Hinblick auf die Vielzahl neuartiger Empfangsgeräte.“

SWR-Justiziar Hermann Eicher ergänzt: Aus verlässlichen statistischen Angaben (Verbrauchs- und Medienanalyse VuMA, 2005 bis 2017) sei klar, dass mehr als 99 Prozent der Personen über 14 Jahren in Haushalten mit mindestens einem Fernsehgerät leben. „Vor diesem Hintergrund ist aus unserer Sicht der Gleichheitsgrundsatz nicht tangiert, wenn der Gesetzgeber anknüpfend an dieser hohen Prozentzahl typisiert.“ Anders ließe sich auch der Einzug des Rundfunkbeitrags mit vertretbarem Aufwand nicht leisten, sagt Eicher.

Verfassungsgericht sichert Finanzierung

Die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks an sich ist unumstritten. In seinem achten Rundfunk-Urteil von 1994 hatte Karlsruhe geurteilt, dass die Staatsfreiheit der Öffentlich-Rechtlichen auch durch eine "unabhängige Finanzierung" gesichert werden muss. Nun hat das Bundesverwaltungsgericht zu verschiedenen Klagepunkten gegen den Rundfunkbeitrag bereits eindeutige Urteile gefällt und etwa am 18. März 2016 die Anknüpfung des Rundfunkbeitrags an die Wohnung gebilligt. Die Gebühr solle "die staatsferne bedarfsgerechte Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sicherstellen", heißt es dort zudem.

Gleichwohl dürfte das Bundesverfassungsgericht die vier Klagen mit Blick auf Leipzig nicht einfach abschmettern. Die Verfassungshüter haben für die mündliche Verhandlung zwei Tage angesetzt. Für Beobachter ein Zeichen dafür, dass sie an das Thema inhaltlich "ran wollen" und weitere Pflöcke zu ihrer Rundfunk-Rechtsprechung einschlagen werden.

Es werden nicht die letzten sein: Beim Europäischen Gerichtshof in Luxemburg ist unter dem Aktenzeichen C-492/17 eine Anfrage des Landgerichts Tübingen anhängig. Die Luxemburger Richter sollen entscheiden, ob es sich bei der Gebühr womöglich um eine Subvention für ARD und ZDF handelt. Die müsste die EU-Kommission genehmigen. (mit AFP und dpa)

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