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War der Trainer ein Pädophiler? Kommissar Jens Stellbrink (Devid Striesow) erhofft sich Antworten von Schwimmschüler Finn (Daniel Neu).

© SR/Manuela Meyer

Saar-"Tatort" mit Devid Striesow: Wenn der Mob marschiert

Ganz ohne Klamauk: Im dritten Saarbrücken-„Tatort“ mit Devid Striesow wird über das Internet zur Selbstjustiz aufgerufen. Einen ähnlichen Fall hatte es 2012 in Emden gegeben.

So schnell kann alles vorbei sein. Gerade noch war Sven Haasberger (Markus Hoffmann) von Saarbrückens Bürgermeisterin öffentlich für seine ehrenamtliche Tätigkeit als Schwimmtrainer ausgezeichnet worden. Seine Jungs lieben ihn, nach dem Training toben sie gerne ausgelassen mit ihm im Schwimmbecken. Doch nach der feierlichen Preisübergabe überschlagen sich die Ereignisse. Wie aus dem Nichts rotten sich immer mehr vermummte Personen zusammen, rennen auf Haasberger zu, schlagen und treten erbarmunglos auf ihn ein. Zwar gelingt es den Rettungskräften, ihn wieder zu reanimieren. Doch nachdem sein Gehirn neun Minuten lang nicht durchblutet worden war, stehen die Chancen schlecht, dass Haasberger jemals wieder aus dem Koma erwacht. Der dritte Saarbrückener „Tatort“ mit Devid Striesow in der Rolle von Hauptkommissar Jens Stellbrink und seiner Kollegin Lisa Marx (Elisabeth Brück) unterscheidet sich spürbar von seinen Vorläufern. Stellbrink bleibt zwar weiterhin der Nonkonformist, der sich gegen alle Regeln und Konventionen auflehnt. Doch im Gegensatz zu seinen ersten Einsätzen als „Tatort“-Kommissar kommt diese Haltung dem Film „Adams Alptraum“ voll und ganz zugute.

Auf eine Erklärung für den Gewaltübergriff auf den beliebten Schwimmtrainer müssen die Ermittler nicht lange warten. In Schmierereien wird Haasberger in drastischen Worten als pädophiler Triebtäter angeprangert. Anscheinend hat er sich unter dem Pseudonym Adam in Internet-Chats an seine Opfer herangemacht. Und über das Netz kam offenbar auch die Strafe. Es zeichnet sich ab, dass die Totschläger als Flashmob-Verabredung zusammenkamen. Selbstjustiz, organisiert via Internet. Aus der Luft gegriffen ist das nicht. Im Jahr 2012 gab es nach dem Mord an einem elfjährigen Mädchen in Emden genau einen solchen Aufruf gegen einen jungen Mann. „Ab zur Polizeiwache, lasst uns das Schwein mit Steinen beschmeißen“, lautete der Facebook-Post. Später stellte sich heraus, dass der Mann unschuldig war.

Genau diese Vorverurteilungen und die Ablehnung, die im Film nun von den Eltern von Haasbergers Schwimmschülern ausgehen, lassen Stellbrink keine Ruhe. Schnell wird aus den unbewiesenen Anschuldigungen in der Boulevardpresse der „Badehosen-Grabscher“. Stellbrink will es genauer wissen und spricht mit den Schwimmschülern. Und mit Haasbergers Tochter Anna (Inga Lessmann). Zu ihr hatte der Schwimmtrainer auch nach der Scheidung von seiner Frau Barbara ein gutes Verhältnis, trotz der bevorstehenden Hochzeit mit seiner neuen Lebensgefährtin. Zwei Dinge muss der Kommissar aufklären: Wer sind die vermummten Männer, die Haasberger zu Tode prügelten? Und wer war Adam?

Die Realismus-Keule ist auch diesmal unangebracht

Regie hat erneut Hannu Salonen geführt. Das Buch stammt von Lars Montag und Dirk Kämper. Mit der Realismus-Keule darf man allerdings auch diesem Saar-„Tatort“ nicht kommen. So ist die von Striesow verkörperte Figur nicht angelegt. Einen Kommissar wie Stellbrink dürfte man in der Wirklichkeit kaum finden. Selbst zum Termin mit Staatssekretärin Barbara Seitz-Ehrmann (Mélanie Fouchè) erscheint er in Trainingshose. In dieser Aufmachung muss ihr Stellbrink eröffnen, dass ihr Sohn offenbar der Anlass für die Attacke auf den Schwimmtrainer war. Weil die Staatssekretärin und ihr ebenfalls sehr erfolgreicher Ehemann beruflich sehr eingespannt sind, kümmert sich der erwachsene Bruder um das Kind.

Die Kritik an den beiden ersten Folgen mit dem Duo Striesow/Brück wurde beherzigt. Auf Kiffen und Yoga wird weitgehend verzichtet, auch die Gummistiefel bleiben dieses Mal – obwohl es sogar eine Regenszene gibt – in der Requisite. Gefeilt wurde nicht nur an der Figur von Stellbrink. Lisa Marx’ Glaube an die Dienstvorschriften wird von seinen Alleingängen zwar weiterhin auf die Probe gestellt, aber die vorwurfsvolle Haltung hat sie weitgehend abgelegt. Selbst Staatsanwältin Nicole Dubois (Sandra Steinbach) zeigt sich verständnisvoller für die Bauchentscheidungen ihres Untergebenen.

Dafür trägt Kriminaltechniker Horst Jordan (Hartmut Volle) nicht nur wesentlich zur Lösung des Falls bei. Er darf seinen Chef Stellbrink sogar daran erinnern, dass Polizeiarbeit zuvorderst aus harter Ermittlungsarbeit und Transpiration besteht und nicht allein aus Inspiration.

„Tatort: Adams Alptraum“, ARD, Sonntag, 20 Uhr 15

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