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© AFP

Sarko-TV: La télé, c’est moi

Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy sichert sich dank einer Fernsehreform sein „Sarko-TV“.

Montags ein Wirtschaftsmagazin: Verbraucher fragen, Bernard Arnault, der Freund des Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy und Chef des Luxuskonzerns Louis-Vuitton-Moet-Hennessy, antwortet. Dienstags ein Umweltfeature mit einem Bericht über die Dürre in Afrika. Mittwochs eine Dokumentation, wie Europa illegale Einwanderer zurückschickt. Donnerstags ein Interview mit einem Nobelpreisträger über Fortschritte im Kampf gegen Aids. Freitags die Übertragung eines Lustspiels von Molière aus der Comédie francaise. Samstags ein musikalischer Abend mit Mireille Mathieu und Johnny Halliday, den Lieblingssängern des Staatspräsidenten. Und am Sonntag wie während der ganzen Woche.

Ganz so wie in dieser von Kritikern gezeichneten Karikatur des künftig vom öffentlich-rechtlichen Fernsehen in Frankreich ausgestrahlten Programms wird es wohl nicht kommen. Doch mit der jetzt vom Parlament gebilligten Reform der Finanzierung von France Télévisions sehen zahlreiche Medienschaffende, die linke Opposition und selbst Politiker aus dem rechten Regierungslager schlimmste Befürchtungen eines „Sarko-TV“ bestätigt. Vom 5. Januar 2009 an sollen Sender wie France 2 und FR 3 ab 20 Uhr keine Werbung mehr bringen und ab Ende 2011 völlig auf die Einschaltung von Werbespots verzichten, ohne eine volle Kompensation des Einnahmeausfalls zu erhalten. Der Intendant der Dachgesellschaft France Télévisions soll in Zukunft nicht mehr von der Medienaufsichtsbehörde CSA, sondern von der Regierung, also vom Staatspräsidenten selbst, berufen werden.

Gegen das Reformgesetz, das Sarkozy schon Anfang Dezember unter Dach und Fach gebracht sehen wollte, hatte die Opposition im Parlament alle Mittel in Bewegung gesetzt. Doch sie konnte es nur verzögern. Und angewandt wird es schon, bevor es nach der Verabschiedung durch die Nationalversammlung im Januar mit der zweiten Lesung im Senat die letzte parlamentarische Hürde genommen haben wird – was eine reine Formsache ist. Um keine Zeit zu verlieren, so die offizielle Begründung, drängte die für die Medienpolitik zuständige Kulturministerin Christine Albanel den Intendanten von France Télévisions, Patrick de Carolis, den Wegfall der Werbeeinnahmen im Budget für 2009 vorwegzunehmen. Am Dienstag beugte er sich dem Druck und beging, wie die Opposition höhnte, „Harakiri“. Vor nicht allzu langer Zeit hatte de Carolis noch geschworen, eher auf sein Amt zu verzichten, als bei dieser Reform Hand anzulegen.

Präsident Nicolas Sarkozy hatte sie bei seiner ersten Pressekonferenz im vergangenen Januar völlig überraschend aus dem Hut gezaubert. Niemand war darauf vorbereitet, weder seine Berater noch die Kulturministerin und schon gar nicht der Präsident von France Télévisions als Hauptbetroffener. Nur einer dürfte vorab informiert gewesen sein: der Bauunternehmer und Mehrheitsaktionär des kommerziellen TV-Senders TF1, Sarkozys persönlicher Freund Francis Bouygues, der auch der Taufpate seines Sohnes aus zweiter Ehe ist. Ende 2007 hatte Bouygues dem Präsidenten ein von den Führungskräften von TF1 verfasstes „Weißbuch“ über die finanziellen Schwierigkeiten des kommerziellen Fernsehens überreichen lassen. Darin wurden auch Wege zur Abhilfe aufgezeigt. Nach dem Motto „privates Geld für private Sender, öffentliches Geld für öffentliche Sender“ schlug Bouygues vor, France 2 und FR3 künftig ausschließlich durch Gebühren zu finanzieren und das Werbefernsehen den privaten Stationen vorzubehalten. Nachdem sich Sarkozy den Vorschlag seines Freundes zu eigen gemacht und damit die Umleitung von mehreren hundert Millionen Euro Werbeeinnahmen vom öffentlichen ins kommerzielle Fernsehen angekündigt hatte, vollführte die TF1-Aktie an der Börse einen Freudensprung.

Damit das als „Befreiung von der Diktatur der Einschaltquoten“ deklarierte Vorhaben den Geruch eines Freundschaftsdienstes verliert, berief Sarkozy eine Kommission. Doch die Vertreter der Opposition verließen das Gremium, als ihnen bewusst wurde, dass ihre Teilnahme einer Maskerade gleichkam. Für ihre Vorstellungen eines finanziell gesicherten und von staatlicher Einflussnahme unabhängigen öffentlich-rechtlichen Fernsehens sahen sie keine Chance. Alles sei abgekartet, protestierten sie. Der Einfachheit halber hatten die Vertreter der Regierungspartei UMP, wie die Satirezeitung „Le Canard enchaîné“ anhand von Dokumenten berichtete, ganze Passagen des Reformgesetzes wörtlich aus einem Memorandum von TF1 übernommen.

Statt einer maßvolle Anpassung der Gebühren – sie sind in Frankreich mit 116 Euro im Jahr nur knapp halb so hoch wie zum Beispiel in Deutschland – wird der Einnahmeausfall der öffentlich-rechtlichen Sender durch eine Abgabe der Privatsender auf ihre Werbeeinnahmen und eine Steuer auf die Umsätze der Telefon- und Internetanbietern ersetzt. Mehr als 450 Millionen Euro pro Jahr soll der Ausgleich bis 2011 aber nicht betragen. Im Budget von France Télévisions für 2009 klafft damit bereits ein Loch von 116 Millionen Euro. Wie hoch die Zuweisungen nach dem totalen Werbeausfall ab 2012 sein werden, steht in den Sternen. Gegenüber der Politik bleibt France Télévisions so auch in Zukunft in der Rolle eines Bittstellers. Dagegen kommen die Privatsender in den Genuss einer anderen lukrativen Gefälligkeit, die Bouygues schon im „Weißbuch“ angeregt hatte. Sie dürfen nun Spielfilme auch noch für eine zweite Werbetranche unterbrechen.

Die Krönung war schließlich die einsame Entscheidung, mit der sich Sarkozy über die Empfehlung der Reformkommission hinwegsetzte und das Recht zur Berufung des Intendanten von France Télévisions an sich riss. Damit brachte er selbst Parteifreunde gegen sich auf. „Ich weiß nicht, wie man etwas als Fortschritt ausgeben kann, was in Wahrheit ein Rückschritt von 25 Jahren ist“, hielt ihm der UMP-Abgeordnete Francois Baroin vor. Sarkozy hat das nicht beeindruckt. „Diese Reform ist ausgezeichnet“, erwiderte er. „Ich wünsche mehr Wirtschaft, Umwelt, Bildung, Europa, Theater und Musik im Fernsehen.“

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