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Die Agentin Heike-Melba Fendel mit Schauspieler Hanns Zischler.

© BrauerPhotos (c) Nass

Schauspielagentinnen: Die Frauen an ihrer Seite

Sie lesen Drehbücher, verhandeln Gagen, aber im Blitzlicht stehen sie nie: Warum Frauen die Branche der Schauspiel-Agenturen dominieren.

Ein Blitzlichtgewitter geht auf Stefanie Stumph herab. Es ist Dienstagabend, die Schauspielerin ist nach Hamburg zur Premiere ihres ARD-Dokudramas „Vom Traum zum Terror – München 72“ gekommen. Am Rand des roten Teppich steht eine Frau und beobachtet sie stolz. Ulla Skoglund, Stumphs Agentin.

Seit sechs Jahren betreut Skoglund die Schauspielerin, verhandelt für sie Honorare, berät sie, welche Filmprojekte gut sind für ihre Karriere und welche weniger, und begleitet Stumph wie am Dienstagabend zu Premieren. Eines aber macht Skoglund nie: Sich selbst ins Blitzlicht stellen. Es gehört allein ihren Klienten, auch wenn sie als Agentin nicht unerheblich zum Erfolg ihrer Schauspielerinnen und Schauspieler beiträgt. „Agent zu sein ist kein Beruf, in dem man auf dicke Hose machen kann“, sagt Skoglund – und genau das dürfte einer der Gründe sein, warum in der Branche kaum Männer arbeiten.

Während in vielen Berufsfeldern über die Einführung einer Frauenquote diskuttiert wird, sind fast alle der rund 500 Schauspielagenturen in Deutschland fest in weiblicher Hand. Etwa, weil Frauen die besseren Agentinnen sind?

„Nein“, sagt Ulla Skoglund, die in Berlin zusammen mit Claudia Fitz Fehrenbach die Agentur Fitz + Skoglund betreibt und rund 50 Schauspielerinnen und Schauspieler wie Anna Maria Mühe, Max von Thun und Regisseure wie Simon Verhoeven betreut. „Die wenigen Männer, die Agenturen betreiben, sind genauso erfolgreich wie wir. Aber offensichtlich interessiert viele Männer der Beruf einfach nicht“, sagt Skoglund.

Denn gefordert sei das, was Männer manchmal weniger mögen: zuhören, organisieren, diplomatisch vermitteln. „Das hört sich leider nach Klischee an, ist in der Agentur-Branche aber keines“, sagt Skoglund. Hinzu kommt: Schauspielagent zu werden ist kein klassischer Karriereberuf. Es ist keine Branche, in der gleich über Boni und Firmenwagen diskutiert wird. Der Erfolg lässt sich nicht strategisch vorausplanen, es geht viel ums Ausprobieren. Skoglund war früher als Unternehmensberaterin tätig, dann schmiss sie ihren Job und fing von vorne in einer Schauspielagentur an. Mit ihrer damaligen Kollegin Claudia Fitz baute sie dann langsam ein Netzwerk auf, um sich mit einer eigenen Agentur selbstständig zu machen.

Heute gehört es zu ihrem Job, sich mit Produzenten, Castingdirektoren, Regisseuren und Redakteuren zu vernetzen und neue Projekte für ihre Klienten an Land zu ziehen. Für ihre Klienten ist sie eine wichtige Vertraute. Mal geht es darum, welcher Haarschnitt zum Profil passt oder wie nach einer Schwangerschaft der Wiedereinstieg klappt. Mal muss sie einen Schauspieler ermutigen, wenn es für diesen eine Zeitlang nicht so gut läuft und er an sich zweifelt. „Ich führe oft sehr persönliche und intensive Gespräche mit den Schauspielern. Gerade weil das Künstlerdasein oft von Selbstzweifeln und Krisen geschüttelt ist. Aber was immer klar sein muss: Wir sind keine Ersatzfamilie, sondern führen eine Geschäftsbeziehung mit den Klienten“, sagt Skoglund.

Und in der ist of genug Härte gefragt, beispielsweise wenn Gage, Drehtage und andere Vertragsbedingungen ausgehandelt werden. Wer das Beste für seine Klienten rausholen will, darf kein Püppchen sein, sondern muss seine Ellenbogen ausfahren. „Und das können Frauen genauso gut“, sagt Heike-Melba Fendel. Sie sitzt im Berliner Büro ihrer Agentur Barbarella Entertainment am Strausberger Platz, legt die Füße mit den High Heels auf den Tisch und zieht sich die Lippen nach – typisch männliche, typisch weibliche Pose zugleich, Fendel weiß, was eine gute Inszenierung ist. Mehr als 40 Künstler, darunter Esther Schweins, Hanns Zischler und Jörg Thadeusz, lassen sich von ihr betreuen.

Ich glaube nicht an Geschlechterklischees“, sagt Fendel. Doch wie schon Skoglund mutmaßt auch sie, dass Männer offenbar keine Lust auf die Aufgaben einer Agentin hätten. „Wenn sie überhaupt im Agenturbereich tätig sind, dann kümmern sie sich lieber um Events. Da können sie mit dem Hammer in der Hand Leute durch die Gegend scheuchen“, sagt Fendel.

Die klassische Agenturarbeit sei dagegen ein „unegomaner Job“. „Man agiert immer im Namen und im Interesse von jemandem anderen. Man pflegt, hegt und fördert einen Künstler, puffert seine Emotionen, wenn man ihn bei Frust ermutigen und ihn bei Größenwahn wieder auf den Teppich holen muss. Aber dabei geht es nie um einen selbst, sondern immer um den Künstler“, sagt Fendel. Und das sei für Männer offenbar keine attraktive Aussicht.

Selbst wenn sich der Klient dann vom Nachwuchstalent zum Star entwickelt habe, gehe dieser Erfolg in der Selbstwahrnehmung gerne auf ihn und nicht auf die Agentin zurück – was bleibt, sind aber die zehn bis 15 Prozent Provision vom Gagenbrutto.

Bernhard Hoestermann ist einer der wenigen Männer in der Branche und betreut mit seiner Agentur in Berlin beispielsweise Jessica Schwarz, Robert Stadlober und Thomas Kretschmann. „Als Agent stellt man sich in den Dienst anderer Menschen, steht selbst im Hintergrund und bleibt auch da. Und dazu sind Männer wohl weniger bereit“, sagt Hoestermann. Ihn selbst hat das allerdings von dem Job nicht abgeschreckt. „Theater und Film haben mich schon immer interessiert. Ich selbst habe zwar für Bühne und Leinwand kein Talent, kann aber als Agent durchaus am Entstehen der Kunst mitwirken, indem ich meinen Klienten beratend, organisatorisch und juristisch so den Rücken freihalte, dass sie sich auf ihr Spielen konzentrieren können“, sagt Hoestermann.

In den USA sei die Branche allerdings deutlich anders strukturiert als in Deutschland. „Es gibt sehr viel mehr Männer als hierzulande, die als Agenten arbeiten. Wahrscheinlich, weil das Geschäft dort tougher ist und der Umgangston rauer. Da wird um Gagen und Besetzungen mehr gezockt und das reizt Alphamännchen dann wiederum sehr“, hat Hoestermann beobachtet. In Deutschland habe sich dagegen ein eher kollegialer Umgangston eingespielt. Die Agenturen würden sich hier die Schauspieler auch nicht aggressiv untereinander abwerben. „Das ist eher wie in einer Beziehung. Manchmal passt man nicht mehr so gut zueinander oder hat andere Erwartungen und dann trennt man sich besser“, sagt Hoestermann.

Was sich allerdings auch in Deutschland allmählich durchsetzt, ist eine Zweiteilung der Arbeit. Immer mehr Schauspieler lassen sich zusätzlich von einem PR-Berater betreuen – und hier ist ebenfalls ein Mann sehr umtriebig: Peter Schulze, der mit seiner Agentur Schulze & Heyn Film PR unter anderem Florian David Fitz und Matthias Schweighöfer berät. „Die Flut von Medienanfragen ist inzwischen enorm. Anfang der 90er Jahre konnte ich noch jeden Journalisten persönlich zu einer Pressevorführung einladen, inzwischen habe ich 1200 allein in meinem Berliner E-Mail-Verteiler. Deshalb und aus internationaler Erfahrung ist es sinnvoll, die Arbeit zwischen den Schauspielagenten und einem PR-Agenten aufzuteilen“, sagt Schulze.

Während sich die Agentin um die Besetzung und Verträge kümmere, koordiniere er Interviewanfragen, überlege, welche PR zu welchem Film passt, und sorge dafür, dass Medienauftritte nicht zur Dauerpräsenz ausarten. Zwar stehe er seinen Schauspielern auch mal mit einem väterlichen Rat zur Seite, aber „wenn es um Gemütsschwankungen geht, fühlen sich die Schauspielerinnen bei Frauen meistens wohler, Männer oft eher bei Männern.“

Haben seine Klienten einen Auftritt auf dem roten Teppich, steht Schulze übrigens nicht nur am Rande, sondern geht mit. Er dirigiert sie zu den Journalisten, achtet darauf, dass sie knackige Statements formulieren – und sich auch dem Blitzlicht aussetzen.

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